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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Hellwag, Fritz: Wie können wir den "fliegenden Kunsthandel" unschädlich machen?
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Schmidkunz, Hans: Künstlerheil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0446

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H38

Die Werkstatt der Runst.

Heft 32.

bei jedem fliegenden Kunsthändler anzunehmen, der sein
Wanderlager sofort an einen anderen Mrt verlegt, wenn
der eine abgegrast ist. Das Reichsgericht (R.G. 8, tH7;
lö, 367; 30, 3H8) setzt für den „Erwerb des Wohnsitzes
durch ständige Niederlassung" nach K 7 des B.G.B. übrigens
sogar den „willen des dauernden Aufenthaltes und die
Absicht, den Grt zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse
zu machen", voraus. Natürlich ist beim fliegenden Kunst-
händler weder jener Wille noch diese Absicht als bestehend
anzunehmen. (Nach Angabe des Rechtsanwaltes Katzen-
stein hat z. B. in Westerland kein einziger die Anzeige-
pflicht seines stehenden Gewerbebetriebes vollzogen und nur
ein einziger hat in einer eigenen Holzbude eine „feste
Verkaufsstelle" eingerichtet; alle Händler haben einen Wohn-
sitz, d. i. Wohnräume, die ihnen als Steuerpflichtigen für
ihren Haushalt Unterkunft gewähren, in Westerland weder
angemeldet, noch begründet; jeder von ihnen hat in jeder
Saison eine andere Wohnung in einem Privatlogierhause
bezogen; sie sind als Kurgäste angemeldet und ihr Auf-
enthalt war nur ein für die Saison berechneter, zeitweiliger
und vorübergehender; es bestand weder die Absicht noch
die Wahrscheinlichkeit einer längeren oder dauernden Bei-
behaltung.)
Aus allem Gesagten geht wohl deutlich hervor, daß
die fliegenden Kunsthändler zu Unrecht den versuch machen,
sich als zum „stehenden" Gewerbebetrieb gehörig zu be-
zeichnen. wenn die angeführten Umstände aber noch nicht
genügen sollten, so könnte man aus der beweisbaren und
ja auch unumwunden zugegebenen Tatsache, daß die Händler
in einem Jahre mitunter zehn bis zwanzig Ortschaften
besuchen und bearbeiten, ihre Zugehörigkeit zu den Ge-
werbetreibenden im Umherziehen (Hausierern) erfolgreich
behaupten, und zur Unterstützung dieser Behauptung das
„Gesetz betreffend die Besteuerung des Gewerbebetriebes
vom März ;880" heranziehen, das bestimmt: „Der
Wandergewerbebetrieb besteht in der Regel darin, daß der
Inhaber eines Warenlagers die waren desselben an einem
oder mehrerer: Orten, woselbst er weder wohnt, noch
eine gewerbliche Niederlassung begründet hat, dem Publi-
kum zu freihändigen Käufen von einer festen Verkaufsstätte
(Laden, Magazin usw.) aus vorübergehend anbietet."
Endlich wissen die fliegenden Kunsthändler selbst sehr gut,
zu welchem Stande sie gehören, denn beinahe ohne Aus-
nahme lösen sie sich einen wandergewerbe-(Hausierer-)Schein.
wenn man nun fragt, wie man sich des fliegenden
Kunsthandels erwehren könnte, so ist darauf theo-
retisch zu antworten: indem man die Zugehörigkeit der
Händler zu den Gewerbetreibenden im Umherziehen zu be-
weisen sucht; indem man die von jenen versuchte Zurech-
nung zu stehenden Gewerbetreibenden bestreitet, erstens
weil sie die Anmeldungsformalitäten nicht erfüllen, zweitens
weil sie nicht die Absicht haben, in den betreffenden Orten
dauernd zu bleiben, sondern im Gegenteil die Absicht, die
abgegrasten Orte schleunigst wieder zu verlassen, drittens,
weil sie die Voraussetzung der Einrichtung entsprechender
Wohnungen nicht erfüllen. Man folgere daraus, daß sie
die erforderliche „Wohnsitzbegründung" nicht vollzogen
haben, resp. daß sie die Förmlichkeiten nur zur „Verdeckung
ihres Wanderbetriebes" erfüllten. Die Zugehörigkeit zum
Wandergewerbe schließt dann aber das verbot, Ver-
steigerungen abzuhalten, in sich.
Leider konnte sich in der Praxis z. B. der Regierungs-
präsident von Schleswig-Holstein, obwohl bei ihm besonders
der Maler F. Korwan in Westerland, ein ehemaliger Bracht-
Schüler, und mehrere Handelskammern eifrig dahin wirkten,
noch nicht davon überzeugen, daß es sich um Wander-
lager handele, sondern er hielt die Voraussetzungen für
eine gewerbliche Niederlassung, wenigstens in einem ihm
vorgetragenen Fall, nach K H2 der Gewerbeordnung als
gegeben. „Da ferner die Versteigerungen durch die Händler
selbst erfolgten, fei ein Einschreiten in der beantragten
Richtung (des polizeilichen Verbotes) nicht möglich . . ." (?)
Im übrigen erhofft der Regierungspräsident diese Möglichkeit
auf Grund des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb".

Es kommt also künftig viel darauf an, die Regierung da-
von zu überzeugen, daß die fliegenden Kunsthändler zum
Wandergewerbe gehören, was sie nach Ansicht bedeutender
Juristen in der Tat tun. Als Wandergewerbetreibenden
könnte man ihnen ja das versteigern sofort verbieten und
sie durch die Grtspolizeibehörden bestrafen lassen; darauf
hat auch eine Verfügung in den „Verwaltungsvorschriften
vom März l9O" deutlich hingewiefen und die Drts-
xolizeibehörden zur strafferen Beobachtung der bezüglichen
Vorschriften ermahnt.
Aber selbst wenn die Ansicht von der Zugehörigkeit
der fliegenden Kunsthändler zum stehenden Gewerbebetrieb
vorläufig noch herrschend bliebe, so wären doch schon in
dem neuen „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb"
einige gute Handhaben gegen sie gegeben, z. B. in den
AK 7, 8 und 9. Der Regierungspräsident von Aurich hat
von ihnen auch bereits Gebrauch gemacht, indem er ver-
fügte, daß bei allen Arten von Ausverkäufen — aus-
genommen die Saison- und Inventur-Ausverkäufe, die in
der Ankündigung als solche bezeichnet werden und im
ordentlichen Geschäftsverkehr üblich sind — wenigstens
zwei Wochen vor der Ankündigung bei der Grtsbehörde
Anzeige über den Grund des Ausverkaufes und den Zeit-
punkt seines Beginnes zu erstatten, ferner, daß mindestens
eine Woche vorher ein Verzeichnis der auszuverkaufenden
Waren einzureichen sei. Der Ankündigung eines Aus-
verkaufes im bezeichneten Sinne solle jede Anzeige gleich-
stehen, die den verkauf von waren wegen „Beendigung
des Geschäftsbetriebes, Aufgabe einzelner Warengattungen
oder Räumung eines bestimmten Warenvorrates" betreffe
oder „den Verkauf im Wege der Auktion vorsehe".
So werden die fliegenden Kunsthändler wohl in Ver-
legenheit kommen, wie sie ihre früher gewerbsmäßig be-
triebenen Auktionen und Ausverkäufe stichhaltig motivieren
sollen! Ferner wird ihnen durch die frühzeitige Anzeige
und durch die Verpflichtung zur Abgabe eines Verkaufs-
verzeichnisses, dessen Einsicht nach K 8 des erwähnten Ge-
setzes übrigens jedermann freisteht, das sogenannte vor-
und Nachschieben von Ware unmöglich gemacht. Um die
fliegenden Händler mit ihren Auktionen und Ausverkäufen
vollends zu isolieren, hat der Regierungspräsident von
Aurich den Termin für die im „ordentlichen" Geschäfts-
verkehr üblichen Inventurausverkäufe auf die Zeit vom
t. Januar bis l5. Februar und vom t5. September bis
t5. Oktober festgesetzt, also ganz aus der Badefaison ge-
rückt, da diese Vorschriften insbesondere für die Nord-
seeinseln Geltung haben sollen. Man darf mit einiger
Schadenfreude abwarten, wie die fliegenden Kunsthändler
künftig unter so scharfen Griffen sich winden werden.
Alles aber wird vergebens fein, wenn das Publikum
sich nicht mit den wirklichen Künstlern und anständigen
Kunsthandlungen solidarisch erklärt und künftig die Ver-
käufer notorischen Schundes meidet. Mit der zunehmenden
Selbsterziehung des Publikums zur künstlerischen Kultur
werden die „fliegenden Kunsthändler" ganz von selbst und
sachte von der Bildfläche verschwinden müssen!
vritr Nellwuß-.
RimstlerkeU
von vr. Hans Schmidkunz-Berlin-Halensee.
Weitere Kreise ahnen kaum, wie schlecht es den meisten
Künstlern materiell geht. Nur ganz wenige erwerben
durch ihre Kunst direkt (abgesehen vom Unterricht, von
etwaiger amtlicher Tätigkeit u. dgl.) so viel irdische Mittel,
daß sie mit und für ihre Kunst und Familie leben können.
Mehrere können sich durch ein privatvermögen weiterhelfen.
Bei der Mehrzahl aber klappt es ganz einfach nicht.
Die Schwierigkeit ist um so größer, als nicht bald ein
Beruf so viele „Geschäftsunkosten" aufbürdet, wie eben
der des bildenden Künstlers, ganz besonders des Bildhauers.
Für das Atelier, einschließlich feiner Beleuchtung und Be-
heizung und Bedienung, sodann für Modelle und Materialien
 
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