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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Das Bismarck-Nationaldenkmal
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Der Prozeß Schleusing und kein Ende
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0337

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Heft 2H.

Die Merkstatt der Kunst.

329

machen", dürfte auch das Nichteinverstandensein des Kunst-
ansschusfes mit dein Spruch der Jury beweisen.
Abgesehen von einigen weniger: fürsprcchenden Kritiken,
insbesondere der des Schriftführers des Kunstausschusses,
Herrn Geheimrat Br. Schmid-Aachen, in der „Kölnischen
Volkszeitung" vom 28. Januar d. H., der als einer der
Verren Preisrichter versucht, den Spruch der Jury zu recht-
fertigen und mit Rücksicht auf die Vertlichkeit folgende
Definition von Monumentalität gibt: „Das Wesen der
Monumentalität suchen wir heute nicht mehr in unge-
heuren Größenverhältnissen, in wuchtiger Masse, sondern
in glücklicher Abstimmung der Verhältnisse. Es gibt Denk-
male, die gewaltig wirken. Denken wir an Verrochios
,Eollconi' und Schlüters .Großer Kurfürst'. Es gibt große
Denkmale, die kleinlich wirken, wie die meisten unserer
deutschen Höhendenkmale aus den letzten Jahrzehnten" usw.,
sonst nicht eine einzige nennenswerte Kritik, die das durch
diese Hnry geborene Resultat begreifen kann.
Auch mit der durch die Presse gegangenen Nachricht
einer „Einstimmigkeit des Preisgerichtes bei Spruch" scheint
es nach Aussage der „Hamburger Nachrichten" vom ((. Fe-
bruar d. I. nichts mehr zu sein, man höre: „Der Spruch
der Jury ist so überraschend, ich kenne doch sogar Prämiierte,
die ,nur haben mittun wollen' und ernstlich mit dem Aus-
gang nicht gerechnet haben. Leicht ist der Spruch der Jury
auch nicht geworden. Hin Gegenteil, erregte Debatten und
Meinungsverschiedenheiten müssen die angestrengten vier-
tägigen Verhandlungen vor fast HOO Entwürfen begleitet
haben. Denn soll inan glauben, daß ein Mann von monu-
mentaler Gestaltungsgabe wie Prof. Fritz Schumacher für
die im Grunde so wenig monumentalen, der Landschaft
wie der Idee fo wenig Rechnung tragenden Entwürfe
seine Stimme hätte geben können? Ein Monumental-
gestalter wie Schumacher hätte eigentlich mit zu den Wett-
bewerbern gehört. Heute freilich wird er sich freuen, doch
nicht zu ihnen gehört zu haben. Er würde sicherlich sich
noch weit wohler fühlen, hätte er auch nicht der Jury an-
gehört. Denn jetzt trägt vor der Menge er mit an der
Verantwortung des Spruches, wie fo viele andere noch, die
tapfer mit ihm in der Minderheit opponiert haben.
Und Schumacher ist in der Tat auch nicht allein ge-
blieben. Es war ein Kampf um ein Prinzip. Mau braucht
das eigentlich ja gar nicht auszusprechen. Ein Gang durch
die Ausstellung redet ja deutlich genug: die süddeutschen
Städtebauer uud Künstler bürgerlicher Bauweise siegten
meist immer mit großer Majorität über die norddeutschen
Monumentalgestalter! Der große süddeutsche Baumeister
Prof. Theodor Fischer war ihr Führer, der nut seinen:
starken Einfluß und als Süddeutscher sicherlich aus innerster
Ueberzeugung seine Anschauungen durchgesetzt hat. Treu,
Klinger, v. Stuck, v. Gebhardt waren an der Teilnahme
der Jury verhindert. Vielleicht, daß mit deren Stimmen
doch ein anderes Urteil durchgedrungen wäre?" usw.
Also! Wie so oft bei monumentalen Wettbewerben
der letzten Jahre, so auch dieses Mal wieder die Jury, die
durch ihre nicht glückliche Zusammensetzung und Viel-
köpfigkeit versagt hat. Also wieder einmal die alte Klage:
Einer der wenigen gewerbsmäßigen Preisrichter, der, wie
man in den letzten Jahren so oft beobachten konnte, mit
leinen: Anhang (dazu auch der Stadtbaurat Ludwig Hoff-
mann aus Berlin gerechnet) immer nur für sein Prinzip,
das Prinzip seiner Schule und seiner Freunde eintritt. An
der Hand vieler Wettbewerbsentscheidungen der letzten
Jahre, an denen die Herren Fischer und Hoffmann nnd
andere zur Münchner Schule Gehörigen in erster Linie
mit tätig waren, zeigt sich stets das Eintreten dieser
Herren für dieses Schulprinzip. Man hat sich in Künstler-
kreisen, besonders in den Kreisen, die ernst ihren Weg
neben dieser Schule gehen, schon lange zu der Ueberzeugung
durchgerungen, daß diesen Herren die Erkenntnis für das
Kunstwerk außerhalb ihres Prinzips vollständig abgeht,
und lassen die vernüftigen Menschen die Finger von
solchen Wettbewerben, die diese Herren jurieren. Daß

dieser Einfluß auf die Dauer für die gesunde Fort-
entwicklung unserer Kunst zum Schaden ausschlagen muß,
dringt nun allmählich auch in immer weitere Kreise, und
läßt diese Erkenntnis hoffen, daß nunmehr diese Herren und
die auf dies Prinzip Lingeschworenen recht bald möglichst
wenig mehr als Preisrichter in Tätigkeit treten.
Hn Künstlerkreisen war man ja auf ein derartiges
Ergebnis vorbereitet. Allerdings so kraß hatte inan es
nicht vermutet; inan hoffte eben auf einei: gereckte,: Aus-
gleich durch andere gewichtige Persönlichkeitei:, die ja
leider ausgefallen sind.
Bedauerlich ist nun aber die Ausbeutung dieses Re-
sultates durch die zur Münchener Schule gehörige Presse.
Die Lobespreisungei: auf die glänzenden Vorzüge der Mün-
chener Schule, das Schwören aus das alleinseligmachende
Dogma der Schule und ihrer Großen, der Herren Fischer,
Hoffmann, Hildebrand nnd Genossen. Glauben denn diese
Schulkünstler wirklich immer noch, daß alle von dieser
Schule und diesen: Schulprinzip abseits stehenden Künstler,
darum, da die Schule kein System aus ihrem Können
machen kann, nun auch minderwertig sein müssen?
Ich verstehe wirklich nicht, wie es möglich ist, daß die
dieser Schule abseits stehende, sonst aber auch ernst strebende
und doch auch etwas leistende Künftlerschaft diesen fort-
währenden Wettbewcrbsentgleisungen immer noch ruhig
zusehen kann, daß die Künstlerorganisationen nicht end-
lich einmal zu der an dieser Stelle schon wiederholt ange-
regte,: Beratungsstelle (wenn ich mich recht erinnere, von
Brurein) greifen, auf die Abstellung all der bisher zutage
getretenen Wettbewerbsschäden dränge,:.
Sehr lobenswert ist es ja, zu hören, daß der Kunst-
ausschuß das, was die Jury mit bestem Gewissen verdorben
hat, nun wieder gutmachen will. Gb aber der angekündigte
Weg zu dem beabsichtigten Ziele führen kann, bezweifle
ich nach den bisherigen Entgleisungen noch sehr stark.
Man kann doch wirklich nicht den nichtprämiierten
Bewerbern zumuten, die ja ebenfalls die Mitteilung er-
hielten, zu ihren bereits gebrachten großen materiellen
(Opfern weitere, durch notwendige kostspielige Abänderungs-
vorschläge bedingte zu bringen. Das verstößt doch ganz
gegen die guten Sitten.
Anerkennen werden wir ja alle, daß wir durch diesen
Wettbewerb eilten großen Schritt vorwärts auf dem Wege
zu dem hohen Ziele gekommen sind, daß wenigstens die
Denkmalidee geklärt wurde, die uus nun auch, wenn die
Sache richtig angefaßt wird, das so heiß ersehnte Bismarck-
Nationaldenkmal, das Denkmal, „das uns Bismarck als
den Sieger über innere Zwietracht und Stammeseifersucht
zeigen muß", bringen kann.
Dazn ist aber nötig:
V Der Beschluß des Denkmalkomitees zur Aus-
schreibung eines neuen, bezahlten engeren Wett-
bewerbes unter den Verfassern der künstlerisch
hervorragendsten Arbeiten ohne Rücksicht auf den
Schiedsspruch der Jury;
2. die Wahl einer neuen Hury durch Komitee,
Kunstausschuß und Bewerber;
3. die gemeinsame Aufstellung der Leitsätze und des
Programms durch die an dem neuen Wettbewerb
in erster Linie interessierten Parteien unter Hin-
zuziehung der Bewerber.

Oer Prozeß Sckleusmg unck Kem Encie
Zn der Privatklagesache des Direktors Schleusing
in Schöneberg, gegen den Redakteur der „Merkstatt
der Kunst", Fritz Hellwag in Zehlendorf, wegen Be-
leidigung, ist die HnuPtverhauHjung über die von
 
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