Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

DOI Artikel:
Redaktioneller Teil
DOI Artikel:
E. Graul in Friedenau, II
DOI Artikel:
Bülow, Joachim von: Organisation
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0407

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
heft 29.

Die Werkstatt der Runst.

399

6. Graul m ^rlsckenau. II
Von den Detmolder Kunstwerkstätten für Stuck und
Bildhauerarbeiten Alb. Lauermann G.m.b.p., Detmold,
empfingen wir folgende Zuschrift:
„Detmold, den 5. April
In Ihrem heft 26 vom 27. März veröffentlichen Sie
eine Zuschrift des Herrn Bildhauers Karl himmelst oß. —
Da in derselben auch unserer Firma Erwähnung getan ist,
möchten wir Sie bitten, die folgende Mitteilung aufzu-
nehmen: Unser jetziger Vertreter, Herr Graul, der sich früher
mit der Anfertigung plastischer Plakate befaßte, stand mit
dem Berliner Vertreter einer Parfümeriefabrik zwecks An-
fertigung einer Reklamebüste in Unterhandlung. Er ließ
in Berlin ein Modell anfertigen, welches er uns zum
Zwecke der Reproduktion nach Detmold einfenden ließ.
Das Modell war leider in jeder Beziehung verunglückt und
deshalb weigerten wir uns, es bei der erwähnten Fabrik
znr Vorlage zu bringen und taten dies erst auf bestimmtes
Verlangen unseres Vertreters. — wie vorauszusehen war,
verwarf die Firma das Modell, und deshalb lehnten wir
auch unserem Vertreter gegenüber eine Zahlung ab und
gaben ihm das Modell zurück. Später ist dann in unserem
eigenen Atelier eine Büste modelliert und ausgeführt worden.
Einige andere Modelle, die uns Herr Graul lieferte und
die, soviel uns bekannt, von Herrn Himmelstoß stammen,
sind unserem Vertreter bezahlt morden, der, wie
er uns mitteilt, Herrn Himmelstoß auch die Zahlung für
diese Modelle angeboten hat, doch habe h. die Annahme
der Beträge verweigert, weil er auch das Modell für
die Reklamebüste bezahlt Haber: wollte. — Jedenfalls möchten
wir feststcllen, daß von uns keine Modelle ausgenützt worden
sind, die wir nicht bezahlt haben. — In betreff des übrigen
Inhaltes der Zuschrift müssen wir es Herrn Graul über-
lassen, das weitere zu unternehmen."
Organisation
Von Or. Joachim v. Bülow-Berlin
Ls liegt in der Luft. Von allen Seiten kommen die
Zeichen. wir müssen sie haben und wir werden sie haben: die
große wirtschaftliche Organisation der Künstler. In einem
sehr lesenswerten Buche fordert ein Münchener National-
ökonom Dr. Paul Drey sie. Ohne dessen Schrift zu kennen,
hat auch der Verfasser dieser Zeilen sie verlangt*).
Ein Berliner Rechtsanwalt betreibt die Gründung
eines Kulturbundes. Er wünscht das einheitliche Zu-
sammengehen aller durch eine große Gemeinsamkeit der
Interessen Verbundenen, der gelehrten wie der schöngeistigen
Berufe, der beamteten wie der freien Kulturträger zu einem
Schutz- und Trutzbündnis. Einen Verband der Verbände,
aber auch der einzelnen, zur Förderung der gemeinsamen
und zur Unterstützung der Sonderinteressen. Einzelheiten
interessieren hier noch nicht, sie sind noch im Stadium des
Vorschlages, aber der plan ist weit genug gesteckt: Er um-
faßt die allgemeinen Erziehungsgedanken, Vor- wie Aus-
bildung, Kontrolle des Stipendienwesens durch die inter-
essierten Kreise, der gesamten wohn- und Lebensverhältnisse
der Lernenden, die geistige und materielle Unterstützung
der Fertigen, hier insbesondere finde ich einen guten Satz:
„In sozialer Beziehung muß dahin gewirkt werden, daß
der Kulturträger, dem gegenwärtig die Wertschätzung seitens
des gewerblich tätigen Volkes vollständig abgesprochen
wird, dasjenige Maß der Achtung und Würdigung findet,
welches ihm als Hüter wichtiger kultureller Güter der
Nation gebührt. Ls muß auch angestrebt werden, würde-
lose und gefährliche Zustände zu beseitigen, so z. B. die
Ausbeutung durch Preisdrücker und Aussauger, die unbe-
sonnene und standeswidrige Konkurrenzmacherei. Jeder
*) vgl.: Aünstlerelend und Aünstlerproletariat. Lin Beitrag zu
Erkenntnis und Abhilfe von l)r. Joachim r>. Bülow. Berlin Ver-
lag der Verlagsgesellschaft Maritima. Preis P25 Mk.

Kulturträger soll ein gewisses Existenzminimum als sicher
erwarten dürfen und der Hilfe seiner Standesgenossen ge-
wiß sein, wenn eine geeignete Stellung fehlt."
Fände sich nur dieser Satz in dem Programm, das
mir als Manuskript vorliegt, so genügte das schon, um
ihm vollen Beifall zu spenden, wir sehen aber weiter,
daß die finanzielle Sicherung aller kulturtragenden Berufe
angestrebt werden soll. Altersversorgung,witwen-undwaisen-
versorgung stehen auf der Liste. „Gerade in wirtschaftlicher
Beziehung fehlt es dem Kulturträger an kaufmännischem
Geiste. Er muß an die Kontrolle seiner Einnahmen und
Ausgaben gewöhnt und zu einer gesunden Verwaltung seiner
irdischen Güter erzogen werden!" Ferner: Rechtsauskunfts-
stelle, Entschuldung und Sanierung wirtschaftlich Schwacher,
Aufrechterhaltung oder Neugründung der Existenz, wenn
erforderlich durch genossenschaftliche Unterstützung. Dann:
„Jede Ansicht, auch die eines ganz unbekannten, ganz
jungen Menschen soll gehört werden, nicht Stellung und
Alter, Ansehen und persönliche Schätzung sollen maßgebend
sein, sondern nur die Leistung allein!"
würden diese Forderungen von einem unserer Herren
Kollegen aufgestellt, so würde ich sie als Utopien bezeichnen.
Aber hier bringt sie uns ein Praktiker, kein durch künstle-
rischen Idealismus und Optimismus verblendeter Theo-
retiker, er stellt sie nicht auf für die Künstler allein, sondern
für alle Kulturträger und es wird sich nur darum handeln,
ob wir Künstler einmal wieder bei der Teilung zu spät
kommen werden oder nicht. Ich glaube, diesmal werden
wir den Anschluß nicht wieder verpassen. Der Boden ist
genügend vorbereitet zur Aufnahme dieses Samenkorns.
Es wird Ernte tragen. Jetzt ist es an uns, solange sich
der Gedanke noch in Fluß befindet, Bausteine dazu herbei-
zutragen, Fragen zu erörtern, die uns näher liegen, die
wir besser übersehen können wie der an der Spitze stehende
Nichtkünstler.
Ich denke, was da in vorstehendem Auszuge mitgeteilt
ist, kann unterschrieben werden, es werden aber noch zahl-
reiche Sonderfragen dazukommen, die schon heute der Er-
örterung und Klärung wert sind. Es darf aber dabei nie ver«
gessen werden, daß es sich um rein wirtschaftliche Fragen
handeln muß. Die künstlerische Richtung muß ganz aus-
scheiden. Daß da keine Einigung zu erzielen ist, ist ebenso
klar wie gut. Der Richtungskampf soll bleiben, denn er
bedeutet Leben und Fortschritt. Aber es gibt zahllose
Fragen, die unabhängig von der Richtung gelöst werden
können. An wirtschaftlichen Fragen: die der Regelung
des Kunsthandels, des Verlagsrechtes, der Wertzuwachs-
steuer, des Schutzzolles, der genossenschaftlichen Material-
beschaffung und -Prüfung, der Verbilligung der wohn-,
Arbeits- und Vertriebsstätten, an technischen Fragen: die
Regelung des Ausstellungs-, des Wettbewerbs- und Stipendien,
wesens. Insbesondere Fragen der Iurierung und Prä-
miierung, die Bekämpfung des Dilettantismus, soweit er
materiell schädlich, wird, und tausend andere Fragen mehr.
Wenn wir Künstler uns erst einmal darüber klar
werden, daß wir genau so gut wie jeder andere Berufs-
stand eine Organisation brauchen, daß nur ein ge-
schlossenes Zusammengehen aller uns helfen kann, dann
wird der allgemeine Notschrei schon aufhören.
Besonders wenn sich zu unserer Organisation Persön-
lichkeiten finden, die nicht Künstler sind. Das halte ich für
die Tonclitio sine pna non. Wir brauchen hierzu draußen-
stehende, farblose (hier im doppelten Sinne!), künstlerisch
ganz indifferente Leute. Am liebsten wäre mir, so paradox
es klingt, ein Blinder, aber es gibt ja auch Sehende, die
das nicht sehen, was uns erregt, die gar nicht begreifen
können, daß der eine auf Gauguin, der andere auf piloti
fchwört, für den beide nur mit Gelfarben beschmierte
Leinwand in die Welt gesetzt haben.
Poffen wir, daß wir hier anknüpfen können. Lassen
wir einmal Pinsel und Meißel ein Stündchen ruhen, denken
wir an die Zukunft. Ich glaube, die Redaktion wird sich
gern zur Vermittlerin der interessantesten Vorschläge aus
dem Kollegenkreise machen.
 
Annotationen