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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Hellwag, Fritz: Wie können wir den fliegenden Kunsthandel bekämpfen?, VI
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Vermischter Nachrichtenteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0588

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580

Die Werkstatt der Kunst.

Heft H2.

Preise" zu verkaufen. Jenes Publikum, das sich einbildet,
kunstverständig genug zu sein, um seltene Kunstwerke er-
kennen und besondere Gelegenheiten ausnützen zu können,
läßt sich leider durch solche Anpreisungen zu Ankäufen ab-
solut wertloser Gegenstände verleiten.
Fliegende Kunsthändler, die auf solche Weise von Stadt
zu Stadt wandern, also die Wanderhändler, sind ver-
pflichtet, einen Wandergewerbeschein zu lösen und dafür
eine ziemlich hohe Gebühr zu zahlen. Nur solche Wander-
ausstellungen, bei denen „ein höheres Kunstinteresse ob-
waltet", sind steuerfrei. Nun kommt es leider vor, daß die
Behörden, geblendet durch die wenigen guten Bilder be-
deutender Künstler, das Obwalten eines solchen „höheren
Kunstinteresses" annehmen und bescheinigen und damit
den fliegenden Kunsthändler von der Steuer befreien. Erst
vor kurzem fand in Münster i. W. die Ausstellung eines
solchen wanderkunsthändlers statt, die neben wenigen
guten Bildern nur Kitsch schlimmster Sorte enthielt, die aber
in ihren Ankündigungen mit einer Bestätigung vom
preußischen Ministerium des Innern, wonach bei
ihren Reiseausstellungen ein höheres Kunstinter-
esse obwalte, mächtig Reklame machte und dem Publikum
natürlich doppelt Sand in die Augen streute.
Noch schlimmer treibt es die zweite Kategorie der
Kunsthändler, die sich in den verschiedenen Orten feste
Lokalitäten mieten und dann als Gewerbetreibende
mit „stehendem Betriebe" auftreten. Den Wander-
händlern ist nach tz 56 der Gewerbeordnung „das Feilbieten
von Waren im Umherziehen in der Art, daß dieselbe ver-
steigert oder im Wege des Glückspiels oder der Aus-
spielung (Lotterie) abgesetzt werden, nicht gestattet. Aus-
nahmen von diesem Gebote dürfen von der zuständigen
Behörde zugelafsen werden hinsichtlich der Wanderversteige-
rungen, jedoch nur bei waren, die dem raschen Verderben
ausgesetzt sind". Diese Beschränkung gilt, wie behauptet
wird, leider nicht für solche Händler, die eine gewerbliche
Niederlassung besitzen, wenigstens dann nicht, wenn sie
die Versteigerung selbst resp. für eigene Rechnung ab-
halten. Die Gewerbeordnung behält sich nämlich nur eine
Kontrolle über die als Gewerbetreibende angemeldeten,
berufsmäßigen Versteigerer vor. Solche Versteigerer sind
gesetzlich vereidigt, und es ist bei ihnen eine relative Sicher-
heit gegeben, weil jederzeit nachgeprüft werden kann, daß
Schwindelmanöver bei ihren Versteigerungen nicht vor-
kommen. Diese Seltsamkeit des Gesetzes wird also von
fliegenden Kunsthändlern, die angeblich eine feste Nieder-
lassung besitzen, maßlos ausgenutzt, indem sie sich der Kon-
trolle dadurch entziehen, daß sie der beeidigten Auktionatoren
sich nicht bedienen, sondern die Versteigerung in eigener
Person vornehmen. Sie veranstalten nicht etwa nur am
Schluß ihrer Ausstellungen eine Auktion, sondern sie be-
ginnen sofort damit. Besonders in den Badeorten, wo
das Publikum beinahe täglich wechselt, folgen sich diese
Auktionen Schlag auf Schlag, oft mehrere hundert in einer
Saison. Hierbei werden die schlimmsten Mittel angewendet,
die ja vielen bekannt sind, aber gegen die man bisher
inachtlos war. Ium Beispiel befinden sich unter den Kauf-
lustigen Agenten der Versteigerer, der Geschäftsinhaber, die
durch fleißiges Mitbieten, durch „sachverständige" Urteile
und auf jede andere mögliche weise das Publikum ani-

mieren müssen, verlangt nun jemand aus dem Publikum,
daß auch die wenigen guten Gemälde versteigert werden
sollen, so gehen die Versteigerer scheinbar auf diesen Wunsch
ein, setzen aber entweder gleich einen so hohen Mindest-
preis an, daß ein höheres Gebot nicht erfolgt, oder aber
ihre Agenten müssen die Preise so hoch treiben, daß ihnen
schließlich der Zuschlag erteilt wird. Selbstverständlich werden
diese Summen niemals oder nur zum Schein bezahlt, denn
die Bilder bleiben ja in Wirklichkeit, um auch fernerhin
als Lockspeise zu dienen, im Besitze der Händler, was
bei den von berufsmäßigen und vereidigten Auktionatoren
abgehaltenen Versteigerungen streng verboten ist, wird in
diesen eigenen Auktionen der fliegenden Händler in scham-
losester weise betrieben, nämlich das Anpreisen der Ware
mit oft ungeheuer dreist erlogenen Eigenschaften. Auch
widerliche Geschmacklosigkeiten kommen vor, wenn z. B.
ein Teppichhändler sich während der Versteigerung plötzlich
auf den als „echt persisch angepriesenen Gebetsteppich"
niederwirft und als „Muselmann" betet. Ein anderes
Manöver ist, den Zuschlag eines Kunstwerkes von der „Zu-
stimmung der Künstler" abhängig zu machen. Scheinbar
telegraphiert der Händler an den Künstler um seine Ge-
nehmigung des gebotenen Preises und teilt am nächsten
Tage dem doppelt aufgeregten Käufer freudestrahlend mit,
daß der Künstler mit dem Verkauf zu diesem ganz aus-
nahmsweise billigen Preise einverstanden sei, aber bitten
müßte, daß über die ihn sonst schädigenden Limite nicht
gesprochen werde. Nun glaubt der Käufer ganz fest, einen
außerordentlich günstigen Gelegenheitskauf gemacht zu
haben, während doch das Bild gar nicht im Besitze eines
Künstlers, sondern von Anfang an in dem des Händlers
gewesen war, eine ganz erbärmliche Fabrikware darstellt
und vielleicht zwanzigfach überzahlt wurde usw.
Unter der vorstehend angedeuteten Handlungsweise
leiden die gute Kunst, der wirkliche Künstler, die anstän-
digen Kunsthändler und das Publikum. Die gute Kunst kann
nicht oder nur mühsam zur Blüte gelangen, wenn ihr von
der Schundproduktion der Boden abgegraben wird. Die
Werke der wirklichen Künstler werden nicht beachtet und
gekauft; da die echten Künstler malen, wie sie müssen und
wie es ihnen das Feuer in der eigenen Brust zur Pflicht ge-
macht, werden sie von dem irregeführten Publikum nicht
verstanden, dessen unentwickelten Instinkten jene Schund-
ware bedeutend besser entgegenkommt. Sie sind ebensowenig
wie die anständigen Kunsthändler in der Lage, für ihre
Werke Reklame zu machen, ja, sie dürfen sie den Käufern
nicht einmal direkt anbieten. Auch ein Kunsthändler, der
am Orte fest ansässig ist und auf seinen guten Ruf hält,
würde sich so in kürzester Zeit unmöglich machen, was
das Publikum bei den fliegenden Kunsthändlern als selbst-
verständlich hinnimmt, würde es dein ansässigen Kunst-
händler nicht gestatten, es würde sagen: „Ja, Kunsthändler,
das ist etwas ganz anderesI" Ain meisten geschädigt
werden aber die Käufer selbst. Da sie den erbärm-
lichen Kitsch freudig als Kunst nach Hause tragen, vergiften
sie ihr eigenes Milieu dauernd und kommen vielleicht erst
nach Jahren oder auch nie zu der Erkenntnis, daß sie
durch ihre unüberlegten und unverständigen Käufe sich
selbst wie mit Blei auf der niedrigsten Stufe des Kunst-
verständnisses festgehalten haben.

vermischter Nachrichtenteil.

Geplante Ausstellungen

Berlin. Im Februar t 9 l 2 wird für die deutschen Frauen,
veranstaltet durch den Lyzeumklub, Berlin, eine Aus-
stellung „Die Frau in Haus und Beruf" stattfinden
in den Aus st ellungshallenamZoologischen Garten,
Berlin. — Die Ausstellungspapiere und Bedin-
gungen für künstlerische und kunstgewerbliche Abteilung

sind im Bureau des Lyzeumklubs, Berlin XV, Karlsbad
Nr. zu haben, Anfragen und Vormeldungen an
die einzelnen Komitees zu richten.
Berlin. (Iuryfreie Kunstschau Berlin t 9 l v) Die
Frist für die Voranmeldung ist verlängert worden bis
zum 15- August. — Allen aktiven und fördernden Mit-
gliedern der „Vereinigung bildender Künstler" ist gegen
Vorzeigung der Mitgliedskarte freier Eintritt auch an
 
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