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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Deiters, Heinrich: Andreas Achenbach - Ausstellung in Düsseldorf
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Die Werkstatt der Kunst.

578

Heft H2.

Redaktioneller Teil.

Anckreas Ackenback-AusstLilung
in OüsleLclork
von Heinrich Deiters
Die Große Kunstausstellung Düsseldorf tdN, die den
Vorzug bietet, daß darin allen künstlerischer! Richtungen
Rechnung getragen wird, hat auch einigen Lehrern der
Akademie Sonderausstellungen gestattet, die eine Uebersicht
über ihre Gesamttätigkeit bieten. Ls ist charakteristisch für
unsere heutigen Ausstellungen, daß sie, um Interesse zu
gewinnen, solcher Sammlungen von Kunstwerken der älteren
Lpoche nicht entraten können. Daher ist dies keine neue
Erscheinung mehr.
Wohl aber ist ein Akt der Pietät gegen einen der
größten Düsseldorfer Meister, Andreas Achenbach, freudig
zu begrüßen, dem man eine Erinnerungs-Ausstellung be-
reitet hat und leicht bereiten konnte, dessen Schaffen von
t8Z2 bis zu seinem Tode t9lO reicht.
Bei dem 70. Geburtstage des Meisters x885 war be-
reits einmal eine großartige Sammlung seiner Werke in
der Kunsthalle zusammengebracht, welche die unglaubliche
Vielseitigkeit und die große Dauer des Könnens dokumen-
tierte. wer hätte damals denken können, daß die effektive
Tätigkeit des Meisters noch fünfundzwanzig Jahre anhalten
würde?
Zwar läßt es sich nicht leugnen, daß das bei Gelegen-
heit dieser Jubelfeier für die Städtische Galerie erworbene
Bild das letzte große Werk war, das den Meister auf der
ganzen Höhe und Leichtigkeit des Schaffens zeigt. Die
Sicherheit des Striches aber nahm erst mit den Jahren ab,
wo des Alters körperliche Ermüdung seine Tätigkeit be-
schränkte.
Mit 80 Jahren nahm er noch teil an den ihm zu
Ehren bereiteten Festlichkeiten, bei denen die Bürgerschaft
ihrer Verehrung spontanen Ausdruck gab, indem sie die
Straßen mit einem nie dagewesenen Glanze schmückte.
Und am 90. Geburtstage, an welchem sich die Ova-
tionen noch steigerten, traf ihn der Schreiber dieser Zeilen
noch an der Staffelei sitzend, von der er sich elastisch erhob,
um stehend die Glückwünsche entgegenzunehmen, die ihm
der Vertreter der Allgemeinen Deutschen Kunstgenoffenschaft
zu überbringen hatte.
Als der Meister im 95. Lebensjahre abberufen wurde,
war es nicht bloß die Künstlerschaft, die ihren Heimgegan-
genen Altmeister zu ehreu bestrebt war, sondern die ganze
Stadt war auf den Beinen, um ihrem Ehrenbürger das
letzte Geleite zu geben. Ls war also allgemeines Bedürfnis
und Wunsch, nochmals einen Ueberblick über das groß-
artige Schaffen eines Künstlers zu geben, der fest wurzelnd
im deutschen Boden und im deutschen Volke seiner Kunst
in der ganzen Welt Ruhm und Anerkennung erworben
hatte. Es war Bedürfnis, das Schaffen eines Künstlers
zu zeigen, der fern von fremden Einflüssen der Natur mit
voller Hingabe folgte, in ihr die wahre Lehrerin erblickte,
der alles Können sich anpassen müsse.
So stellt denn die Ausstellung seiner Werke, die Er-
innerungs-Ausstellung an Andreas Achenbach, alles andere
in den Schatten. Und doch sehen wir hier nur einen kleinen
Bruchteil seines Schaffens, in dessen kleinstem Werke eine
Belehrung für den jungen Künstler liegt. Es ist erfreulich
zu sehen, wie sich auch das Interesse des Publikums darauf
konzentriert, indem es hier ein Dokument wahrer Kunst
erblickt; wo alles fern bleibt von Künsteleien der Palette
und Athletik des Pinsels und nur Wahrheit predigt.
Dabei soll nicht vergessen werden: wie sehen diese
Bilder heute aus? Line vorsichtige, gewissenhafte Behand-
lung hat sie vor jeder ungünstigen Veränderung bewahrt
und bei dem Alter der Bilder ist auch jede Besorgnis ge-
schwunden, daß sich ihr Aussehen je verändern wird.
Didaktisch zeigt die Ausstellung das wirken des Künstlers
von t8Z7 an, aus welchem Jahre ein Bild noch die Ein-

wirkungen fremden Einflusses der Motive erkennen läßt.
Dann aber zeigt sich die innere Entwicklung fortschreitend
in der intimsten Anlehnung an die Natur, die vor dem
genauesten Eindringen in die zeichnerischen Details nicht
stille stand. Diese gewissenhafte Beobachtung, der man in allen
seinen Studien und Bildern begegnet, war verbunden mit
einem ungeheuren Gedächtnis für momentane Stimmungen
der Luft und für jede Bewegung ausdrückende Linie und
führte ihn zu der Freiheit, mit der er jeden Stoff be-
herrschte. Die französische Kritik hat, als er als blutjunger
Maler in Paris ausstellte, seine Details kleinlich genannt,
aber die Preisrichter wußten seine gründliche deutsche
Kunstanschauung trotz aller Gegnerschaft zu ehren, indem
sie seinem Werke die Medaille zuerkannten. Aus seiner
weiteren Entwicklung sieht man, wie wenig ihn der Vor-
wurf eines zu spitzen Pinsels berührte, wenn auch zu kon-
statieren ist, daß von seinem 50. Lebensjahre ab ihm eine
breitere Pinselführung geläufiger wurde, die seinen Marinen
soweit zustatten kam, als sie die Lebendigkeit der Bewegung
steigerte, wahrhafter und intimer hat wohl kein Meister
die Bewegung der Meereswogen geschildert.
Aber das Meer hat ihn nicht allein angezogeu, sein
Schaffen war universell. Wir vermissen auf der Ausstellung
diese Vielseitigkeit einigermaßen, wie sie beispielsweise
bloß in dem unübertroffenen großen Norwegischen Fjord
der Düsseldorfer Galerie sich als Gegensatz bemerkbar ge-
macht haben würde.
Düsseldorf hat für die Ausstellung einen Löwenanteil
geliefert, vor allem die Städtische Galerie. Der große
„Fischmarkt in Ostende" (ff876) und die „Lrftmühle" (ff866)
sind auch bedeutende Marksteine in der Entwicklung des
Meisters. Letzteres bezeichnet den Höhepunkt einer Reihe
von Werken, welche die nordische Natur mit der heimischen
poesievoll vereinigten. Ls ist auch eine Reihe von kleineren
Werken dieser Lpoche hier zusammengetragen. Ihre Aus-
wahl wirkt aber nicht so markant, wie es z. B. die große
„Wassermühle" in Hainburg (ff866) oder die von ^863 in
der Kunsthalle zu Bremen getan haben würden. Die dem
Großherzog von Oldenburg gehörende „Wassermühle" von
t86Z ist allerdings sehr charakteristisch für diese Lpoche
äußerster Vollendung. Von da bis t872, dem Entstehungs-
jahre der Mühle aus der Dresdener Galerie, die hier vor-
trefflich aussieht, macht sich eine erhebliche Veränderung
in der Malerei geltend. Wie schon erwähnt, wird diese
jetzt breiter und wuchtiger. Das springt besonders hervor
in dem wogengebrausc des „Hafens von Ostende" (t87s)
und den „Fischern in Ostende" (t875). Letzteres, hervor-
ragend durch seine schönen Tonwerte, zwingt immer aufs
neue Bewunderung ab; in anderer weise tun dies wiederum
die Fischmärkte von Ostende und Amsterdam. Die Aus-
stellung, die nicht weniger als 7l Nummern umfaßt, bietet
im übrigen auch noch Werke aus der italienischen Lpoche
in kleineren Exemplaren und einen ganzen Reichtum von
Interieurs und kirchlichen Szenen, die erst nach dem Tode
des Künstlers zur allgemeinen Kenntnis gelangten.
Lin ganz besonderes Interesse bieten die zahlreichen
kleinen und intimen Werke der Jahre von t85O—l860,
die meist nach Studien aus Lapxenberg in Westfalen ent-
standen sind. Hier steht man geradezu unmittelbar der
Natur gegenüber. Als Maler des deutschen Waldes zeigt
sich der Meister hier unübertroffen; der Reiz und die Lha-
rakteristik des Baumwuchses, die Lebendigkeit der Model-
lierung des Holzes, die Schönheit der Silhouetten und alles
das spricht zum Beschauer so eindringlich, daß man es be-
greift, warum die Landschaftsmaler aus der ganzen Welt
sich in Düsseldorf einfanden, um von Andreas Achenbach
zu lernen, wie man die Natur anschauen soll. Jahrzehnte-
lang hat dieser echt deutsche Einfluß vorgehalten, und erst
allmählich hat Mangel an Studium der Natur die Ober-
flächlichkeit einreißen lassen, die sich an den dekorativen
Leistungen der Jetztzeit vielfach bemerkbar macht. Zwei
 
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