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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Schmidkunz, Hans: Geber und Nehmer der Kunstbildung, V
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Henneberg, Heinz: Das Recht des Künstlers am Porträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0142

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Die Werkstatt der Kunst.

heft W.


ist, als ein schlecht gemaltes Heiligenbild. Oder noch
anders: berechtigt ist jegliches Kunstwerk als solches nach
dem Maße seiner künstlerischen Vollkommenheit. Oder
noch anders und vielleicht fruchtbarer: jegliche Hemmung
der Kunst um eines Inhaltes willen, also jegliche nega-
tive Beurteilung in dieser Beziehung ist durchaus un-
berechtigt (natürlich immer nur, wenn von der Kunst als
solcher, nicht etwa von deren Verbreitung usw. zu sprechen ist).
Aber neben dem Unrechte dieser negativen Be-
urteilung gibt es ein Recht der positiven Beurteilung.
Es ist eben mir und dir und ihm und ihr nicht gleich-
gültig, ob gewisse Themata künstlerisch behandelt werden,
oder ob sie von ihr vernachlässigt werden. Ich oder du
oder er oder sie wünscht oder will eben, daß religiöse oder
weltliche, hochländische oder stachländische Themata usw. usw.
behandelt werden. Noch mehr. Die Weltanschauungen
spielen eine weit größere Rolle, als man gewöhnlich glaubt;
und dies von Rechts wegen. Gerade so, wie dies für die
Politik (die ja doch nur angewandte Weltanschauung dem
Inhalte nach und angewandter gesunder Menschenverstand
der Form nach ist) sehr häufig ignoriert wird, ebenso wird
es für die Kunst nur allzusehr ignoriert. Ls darf und
soll jegliche Weltanschauung dahin wirken, daß sie sich
auch künstlerisch entfalte; womit allerdings nicht gesagt ist,
daß sie das Recht habe, andere Weltanschauungen an ihrer
künstlerischen Entfaltung zu hindern.
Und nun kommt die Hauptsache. Für die Kunst als
solche im allerengsten Sinne der formalen (Dualität und
sodann erst recht für die Arbeitsgelegenheiten der Künstler
ist dies gar nicht gleichgültig. Bis zum höchsten und
Tiefsten und Breitesten kann die Kunst doch nur dann
kommen, wenn alle weltanschauungs- und Gesinnungs-
gebiete sie selbst in Dienst nehmen und dabei zugleich auch
ihr huldigen. Nähere kunsthistorische Darlegungen dieser
Tatsache sind ja wahrlich nicht schwer.
Je mehr man dies einsieht, desto mehr trägt man be-
reits dazu bei, daß jene schauderhafte Isoliertheit, in welcher
jetzt alle an der Kunst Beteiligten neben- oder vielmehr
auseinanderstehen, überwunden werde. Allerdings tut sich
gleich wiederum ein Gegensatz auf. Ich wünsche und will,
daß gerade diese Weltanschauungen und Gesinnungen und
Stimmungen künstlerisch zur Geltung kommen, weil ich sie
für die richtigen und wichtigen halte. Du wünschest und
willst wiederum andere, weil du usw. usw.
Zum mindesten aber wird die Gefahr neuerlicher
Gegensätze dadurch gemildert, daß „schiedlich" „friedlich"
wird. Das Schlimmste ist auch hier wieder das vermischen
und verwaschen; und zum Fruchtbarsten gehört der
wetteifer.
Schwierig ist es allerdings, mit diesem Doppelten in
der Kunst zurechtzukommen: mit dem, was als künstlerische
(Dualität sozusagen völlig neutral ist und seine Berechtigung
lediglich in seiner bestmöglichen Dualität trägt, und hin-
wider dein, was keineswegs neutral und wenigstens in der
Zeit vor dem jüngsten Gericht auf „paritätischem" Grund
noch nicht aus den kämpfenden Gegensätzen zu einer für
alle Menschen gültigen Einheitlichkeit und Einzigkeit ge-
langt ist.
Es steht aber hier ganz ebenso, wie bei der Wissen-
schaft. Auch dort gibt es Neutrales, das in dem Maß
allgemein anerkannt werden muß, als es eben bestmögliche
wissenschaftliche Dualität vertritt; und darüber hinaus gibt
es das Nichtneutrale, Nichtobjektive, die Profession und
Konfession des Professors, der mit seiner Persönlichkeit
dort eintritt, wo ihn eben die Grenzen des Erkennens
von dem allgemein Anzuerkennenden zu dem führen, was
nur eben sehr zahlreiche Menschen dafür halten, ohne seine
allgemeine Anerkennung so durchsetzen zu können, wie es
mit wissenschaftlichen Beweisen möglich ist. Und es ist
wahrlich nicht das Uebelste, was hier, speziell auf den
Universitäten, begeisterte Vertreter von Weltanschauungen,
also patriotische und fromme und sonst noch gesinnungs-
warme Lehrer als eine überwissenschaftliche Saat in die
Uerzen ihrer Hörer gelegt haben. Im Grunde steht er

nun mit der Kunst und mit dem Kunftunterricht ebenso.
Den Grenzen des Erkennens dort entsprechen auch hier Gren-
zen, die man vielleicht „Grenzen des Kunstformens"
nennen könnte. Ueber diesen steht, was wir oben an-
gedeutet haben.
Der richtige Ort, an welchem darüber Klarheit geschafft
werden kann und soll, ist in erster Linie jegliche Stätte
der künstlerischen Bildung, vor allem also die Akademie.
In zweiter Linie sind es auch alle Stätten einer Fort-
bildung der Künstler in ihrem Fach und in ihrem Beruf.
Hiermit aber kommen wir auf einen ganz besonders
wichtigen weiteren Punkt. All die Uebel, für deren Ueber-
windung wir hier einige Gedankenversuche gemacht haben,
sind schließlich Berufsfragen, weniger Fachfragen, obwohl
jedermann weiß, daß Berufstüchtigkeit auf Fachtüchtigkeit
ruhen muß. Je mehr also das Berufsgefühl im Künstler
wach wird, desto mehr wird er auch geneigt sein, an jenen
Ueberwindungen mitzuarbeiten. Der Hauptwitz dabei ist
nur, daß vom Individuum zur Genossenschaft vorwärts-
geschritten wird, wir haben es ja in dieser Beziehung
schon einigermaßen vorwärtsgebracht; und die neuesten
Bemühungen nach Verkaufsvereinen, und was das alles
ist, gehen unseres Erachtens prinzipiell ganz den richtigen
weg.
Nur erwächst daraus gleich wieder eine zweite Aufgabe
für die Künstlerbildung. Sie muß nicht nur den Fachmann,
sondern auch den Berufsmann heranbilden. Sie muß
schon früh in ihrem Jünger das Berufsbewußtsein und
besonders das berufsgenossenschaftliche Bewußtsein in
wahrhaft erziehlicher weise heranbilden, von da aus
kommen wohl auch die anderen; d. h.: die Kunstfreunde
und Kunstbesteller usw. müssen angelernt und geradezu ge-
zwungen werden — am besten durch die Macht des Bei-
spieles und der Tatsachen —, daß sie Fach und Beruf nn
Künstler richtig würdigen.
Schreiber dieses bedauert endlich seine Leser, daß er
Dinge, die er und andere schon so überaus oft gesagt
haben, immer und immer wieder sagen muß. Aber leider
müssen sie immer wieder gesagt werden; und es müssen
immer wieder neue Leute aufgerufen werden, damit sie
anfangen, das Alte immer wieder neu zu sagen.
Die Sache steht insofern noch besonders günstig, als
es sich hier um Gemeinsames für Wissenschaft und für
Kunst handelt. Hier wie dort die prinzipiell gleichen
Sorgen und Klagen und auch Rettungsmöglichkeiten.
Schreiber dieses hat sich darüber wenigstens mit kurzen
Andeutungen ausgesprochen in seinem Aufsätzchen „Künstler-
bildung in der Hochschulpädagogik" (den die „Mitteilungen
für Hochschulpädagogik" t9lO, Nr. 2, veröffentlicht haben).
Auf diesem Wege kann und wird um so fruchtbarer weiter-
geschritten werden, als ja die Zurückhaltung, mit welcher
die hier angedeuteten Gedankengänge noch vor kurzem
ausgenommen waren, mehr und mehr einer lebhaften und
weitgreifenden Zustimmung weichen. Allerdings hört man
immer noch die einen klagen, es sei ganz entsetzlich mit
dieser fortgesetzten Spezialisierung, die uns nun auch noch
eine eigene Hochschulpädagogik aufhalse; und die anderen
sind ebenso entrüstet darüber, daß an Stelle der Spezia-
lisierung nun anscheinend Unvereinbares, nämlich Kunst
und Wissenschaft, zusammengebracht werde. Aber durch
diese gegensätzlichen und widerspruchsvollen vorwürfe hin-
durch schreitet die Bewegung, welche sowohl die wissen-
schaftliche wie auch die künstlerische Bildung an der päda-
gogischen Seite anfaßt, ruhig ihren weg weiter.
Vas Reckt cles Künstlers am Porträt
von Vr. jur. Heinz Henneberg-Grunewald
Alle Augenblicke hört man im Verkehr mit Künstlern
den einen oder anderen sich über das Publikum, insbesondere
über die „Gesellschaft" beschweren, die ihnen ihre Rechte
verkürzen wolle und oft empfindsame Unannehmlichkeiten
bereitet, wenn der Künstler, der doch nun einmal auf sie
 
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