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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Deiters, Heinrich: Andreas Achenbach - Ausstellung in Düsseldorf
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Hellwag, Fritz: Wie können wir den fliegenden Kunsthandel bekämpfen?, VI
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0587

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Heft H2.

Die Werkstatt der Runst.

379

große, „dekorativ genannte" Landschaften des Meisters in
der Vorhalle (in Wasserfarbe) wirken fast wie Miniaturen,
wenn man sie mit der heutigen Malerei vergleicht, wie sie
uns zumeist aus den Werken der Jetztzeit in der Ausstellung
entgegentritt.
Die Andreas Achenbach-Ausstellung ist in drei Vorder-
sälen des Kunstxalastes untergebracht und geschmackvoll
arrangiert, wenn es uns auch erscheint, daß das Licht allzu
gedämpft ist. Jedenfalls wirken die Bilder teilweise ganz
anders als auf ihren gewöhnlichen Plätzen in den Samm-
lungen. Aber wer kann es da jedem recht machen, wo
heutzutage jedes Bild seine besondere Beleuchtung verlangt?
Bilder wie die „Lstakade" von t863 mit dem großartigen
Lichteffekte, nebenbei das einzige dieser Art in der Aus-
stellung, leiden darunter nicht, ebenso die hellgrau ge-
stimmten Werke, die in voller Klarheit strahlen. Aber so
viele tieffarbig gestimmte Bilder, wie z. B. die wunder-
schöne „Frühlingslandschaft" von t85H und der „Sommer"
und „Herbst" aus den „vier Iahrzeiten" von ^857 leiden
sehr unter dem Mangel an Licht, den ich an einem sonnen-
hellen Tage empfunden habe, von den Mondlandschaften
nicht zu reden.
Anerkennung und Dank aber gebührt den Sammlungen
und mehr noch den vielen Privatleuten, welche durch die
Herleihung der kostbaren Werke die Ausstellung möglich
gemacht haben.
Me können wir cten kliegenclen Runlt-
kanclel bekämpfen? VI*)
von Fritz Hellwag
(vgl. die Artikel in den pesten 32, 33, 37, 39 und HO)
Den Bilderkäufern eröffnen sich manche Irrwege, an
deren Pforten in erster Reihe die „fliegenden Kunsthändler"
stehen. So ist es vielleicht willkommen, wenn das Wesen
und Geschäftsgebaren dieser Händler hier geschildert und
den unerfahrenen Kunstfreunden eine Warnung vor deren
unlauteren Praktiken gegeben wird.
Die fliegenden Kunsthändler teilt man äußerlich
in zwei Kategorien, in die Wanderhändler und die Händler
mit gewerblichen Niederlaffungen, wenn sie auch innerlich
alle einander ähnlich, ja sogar vollkommen identisch sind.
Wohl gibt es gewisse Abstufungen ihres äußeren Auf-
tretens, so daß es geboten erscheint, diese einzeln zu be-
sprechen.
Line am seltensten austretende Art der fliegenden
Kunsthändler (Wanderhändler) ist die, die aus Idealismus
und reiner Kunstbegeisterung handelt. Ls sind mir bisher
nur wenige Vertreter dieser Art bekannt geworden, und
ich erwähne sie nur, um mit diesen Ausnahmen später die
verwerfliche Regel um so drastischer kennzeichnen zu können.
Die vereinzelten Idealisten wollen wirklich der Kunst und
den Künstlern dienen. Sie erbitten sich von den Künstlern
deren Werke zum kommissionsweisen Vertrieb und reisen
damit in wohlhabende Städte, wo sie Geschäfte zu machen
hoffen. Die aber lassen meist sehr lange aus sich warten,
da es nicht leicht ist, gute Kunst zu verkaufen, insbesondere
wenn die ständige und engere Fühlunq mit den ansässigen
Interessenten fehlt; da ferner solche Wanderbetriebe hoch
besteuert werden, aber jene idealistischen Unternehmer nur
selten ^im Besitze hinreichender Geldmittel sind, so entstehen
bald Zahlungsschwierigkeiten, der Verkäufer verliert den
Mut und läßt, da er keinen Ausweg sieht, alles im Stich.
Schon mehrfach ist es vorgekommen, daß die vertrauens-
seligen Künstler ihre Werke nach langem Suchen bei Spe-
diteuren und an anderen Stellen verpfändet vorsanden und

* Abdruck „Die fliegendenAunsthändler" aus der „Runll kür Alle"
2b. Jahrgang, heft iS vom jb. Juni lAff.

auslösen mußten; statt eines Erfolges ernteten sie von
dieser immer noch besten Form des fliegenden Kunsthandels
nur Aerger und empfindlichen materiellen Schaden.
Alle anderen fliegenden Kunsthändler sind, da sie
meistens wenig Bildung haben, von keinerlei Idealismus
belastet und denken nur daran, mit unlauteren Geschäfts-
mitteln große Umsätze zu erzielen. Sie entstammen meistens
ungebildeten Kreisen und standen früher einmal als unter-
geordnete Helfer in ganz äußerlicher Beziehung zum reellen
Kunsthandel. Wir haben es bei den Skandalprozessen der
letzten Zeit, die wegen Bildersälschung und Betrug ver-
handelt wurden, ja erlebt, daß es ehemalige Packer, Dienst-
männer, Buchbindergehilsen usw. waren, die als selbständige
Kunsthändler, Agenten oder „Experten" auftraten und ein-
ander in die Hände arbeiteten. Die einzige Erkenntnis,
die ihnen aus ihrer früheren Tätigkeit ausdämmerte, war
die, daß ein gewisses Publikum nicht allzuviel von Kunst
versteht, sich aber dennoch einbildet, eine besondere Befähi-
gung zur Aufspürung seltener Kausgelegenheiten und eine
Sammlerbegabung zu besitzen. Aus diese Psychologie der
Käufer bauen sie ihr unreelles Gebäude aus. Auch sie
erbitten oder kaufen sich von guten Künstlern gute Ge-
mälde oder erhalten sie, wie die Straßenmusikanten von
den großen Instrumentensabriken eine Drehorgel, als „Be-
triebsmittel" von Großhändlern anvertraut. Jene guten
Gemälde sollen aber nur die Lockspeise für das Schau-
fenster sein und werden mit so hohen Preisen versehen,
daß sie vom verkauf in der Regel ausgeschlossen bleiben.
Ihre eigentliche verkaussware beschaffen sich die fliegenden
Händler aber von den richtigen „Bildersabriken", die wieder
mit den Großhändlern unter einer Decke stecken. Es exi-
stieren nämlich, besonders in Wien, große Unternehmungen,
in denen sür Hungerlöhne zahlreiche heruntergekommene
Maler oder solche, die es zu sein vorgeben, beschäftigt
werden, und täglich ihr großes (Puantum „Kunst" herunter-
malen müssen; es ist, wie bei industriellen Unternehmungen,
diese Bilderfabrikation bis in die kleinsten Einzelheiten
spezialisiert. Der eine malt die Bäume, der andere die
Wolken, der dritte die Menschen, der vierte das Wasser,
der sünfte die Staffage usw. Die „sertigen" Gemälde
werden dann in Rahmen gesteckt, die aus allerschlechtestem
Gips oder aus gepreßter Pappe und dergleichen hergestellt
sind, aber ein prunkhastes Aussehen besitzen. Sie werden
dann als Stapelartikel an die Gemäldehandlungen geringster
Sorte und besonders an die fliegenden Kunsthändler ab-
gesetzt.
Diese mischen unter solche Ware ihre wenigen guten
Gemälde und stellen alles in buntem Durcheinander aus.
Sie mieten in Häusern, die zum Abbruch bestimmt sind,
oder an ähnlichen Gelegenheitsstellen Läden oder Woh-
nungen, bedecken deren Außenwand mit riesigen, markt-
schreierischen Plakaten und bringen einige der guten Ge-
mälde in den Fenstern zur Schau. Die Stapelbilder, die
in prunkhaften Rahmen stecken, werden mit Preisen ver-
sehen, die als „Ausstellungspreise" bezeichnet sind. Hier-
mit soll der Glaube erweckt werden, daß diese Bilder früher
aus regulären Kunstausstellungen ausgestellt gewesen seien.
Dder aber, es wird mit dem Gegenteil operiert und ge-
sagt, daß die „Driginalgemälde" nicht zu Ausstellungs-
preisen, sondern zu „Gebotpreisen" verkauft werden sollen;
dann aber wird der Käufer, wenn er erst einmal sein
Gebot abgegeben hat, durch mündliche Ueberredung und
schwindelhafte Anpreisung zu Zahlungen verleitet, die das
Zehn- und Zwanzigsache des wirklichen wertes der „Kunst-
werke" ausmachen. Zieht an einem Grte die Ausstellung
von „noch nie dagewesenen Gelegenheitskäufen" nicht mehr,
so schickt sich der Händler an, weiter zu wandern, vorher
veranstaltet er aber noch einen Ausverkauf „wegen Auf-
gabe des Geschäfts, der Filiale, oder wegen Abbruch des
Hauses" usw. Lin anderer sieht sich gezwungen, „um
nicht die großen Spesen für den Rücktransport der Bilder
nach Wien zahlen zu müssen, die ausgestellten Griginal-
Gelgemälde von berühmten wiener Malern tief unter dem
Selbstkostenpreis, zu Spottpreisen, zu jedem annehmbaren
 
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