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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Liebermann, Max: Ein Prozess deutscher Künstler
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Westheim, Paul: Der Vorstoß des Kunstgewerbes, II
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0475

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Die Werkstatt der Kunst.

§67

Heft 34.

immer für alles Prügelknaben gesucht werden, und ist Herr
Vinnen seiner selbst ganz sicher, daß er Herrn vr. Pauli,
wenn der vor t5—20 Jahren die erstklassigen, damals noch
billigen französischen Bilder unter der Hand hätte erwerben
wollen, nicht mit ans Kreuz geschlagen hätte, wie man es
mit anderen Museumsleitern, die so früh zielbewußt waren,
getan hat? Aber, wenn vr. Pauli erst warten mußte,
bis ihm der Ankauf von der öffentlichen Meinung bewilligt
wurde, natürlich, da kostete der Manet, für den der Künstler
selbst seinerzeit 700 Frcs. bekam, hundertmal soviel! wir
brauchen eben Galeriedirektoren, die noch klüger sind als wie
smarte Kunsthändler und die ein ästhetisches Bedürfnis,
eine kommende Wendung der Stilentwicklung noch früher er-
kennen als jene; haben wir aber solche Museumsleute, nun,
potztausend, dann müssen sie auch Vollmachten haben, um
schnell, in der Stille und billig dem kommenden Bedürfnis
vorbeugen zu können, (wir wissen es doch: wenn man
vorher erfährt, daß Bode kaufen will, so schnellen die
Preise in die Höhe.) Und gar, wenn irgendein Museumsleiter
so ungeschickt oder geknebelt war, daß er warten mußte,
bis schon die öffentliche Meinung, d. h. die Schriftsteller, den
Ankauf eines Werkes von dem oder jenem Künstler als
notwendig öffentlich forderten, dann mußte er für die
Versäumnis teuer bezahlen und sich gar noch mit Atelier-
resten zufrieden geben. Die Nachfrage regelt das Angebot
nicht umgekehrt.
Und nun noch einmal: das verderben der neuen
Künstlergeneration durch die ehemals so brauchbaren Schrift-
steller. Sind's denn wirklich diese, die schuld daran sind,
daß die Achtung vor der Technik und Komposition, die
Freude zum „von-der-pike-auf-dienen" verloren gegangen
sind und ein schneller Erfolg gesucht wird? Ist es dafür
denn nicht gleichgültig, ob in der presse Stuck oder Manet
gepriesen wird, denn ist nicht ein Manet ebenso schwer zu
imitieren, wie's doch unsere Jüngsten nach Vinnen tun,
als wie ein Stuck? Nahmen denn die Schriftsteller jemals
Einfluß auf die handwerkliche Technik und schöpferische
Ausdauer der Künstler?
Kurz, die Broschüre des Herrn Vinnen hat sicher ihr
Gutes, indem sie auf Zustände hinwies, die nicht gesund
sind, weniger gut war es, daß überall nach Schuldigen
gesucht wurde, statt auch nur einmal an die eigene Brust zu
greifen. Besser wäre es gewesen, wenn er gesagt hätte: die
Gründerjahre unserer Bewegung, in denen zuweilen wild spe-
kuliert wurde, müßen nun vorbei sein; laßt uns alle, ob schuldig
oder unschuldig, anfassen, damit der gefürchtete „große
Krach" vermieden werde. Und im übrigen —: wir waren
auch mal jung und man sprach von uns nicht besser,
wir säeien damals wind und sollten nicht verzagen, wenn's
jetzt ein wenig stürmt. Und, Herr Vinnen, mit Schwarz
und weiß allein kann man nicht malen. O. V/. O. K.
Inzwischen erschien noch die folgende Kundgebung:
Herr Karl Vinnen hat unter dem Titel „Auous^ue
tanclem?" eine Broschüre erscheinen lassen, die das gegen-
wärtige Verhältnis der deutschen Kunst zu der auslän-
dischen, insonderheit der französischen Kunst einer Betrach-
tung unterzieht. Die Wichtigkeit der berührten Fragen
gibt uns den Anlaß, uns auch unsererseits zur Sache zu
äußern.
Einem jeden versuch, das Ansehen unserer Kunst
im Vergleich zum Auslande zu schmälern, würden wir
selbstverständlich entgegenwirken. Doch vermögen wir eine
solche Schmälerung darin keineswegs zu erblicken, daß
hervorragende Werke ausländischer Meister in den Aus-
stellungen und öffentlichen Sammlungen Deutschlands Auf-
nahme finden. Gerade weil wir von der Selbständigkeit
und Lebenskraft der deutschen Künstlerschaft überzeugt sind,
sehen wir eine wertvolle «Duelle der Anregung.
Die wirtschaftlichen Uebelstände, die in der Broschüre
beklagt werden, lassen sich nicht von außen durch Kund-
gebungen und Maßregeln beseitigen, sondern nur von
innen heraus durch eine Hebung der künstlerischen Leistungen.

Jedenfalls ist eine gegenteilige Entwickelung unserer
Kunst nur dann zu erwarten, wenn der Freiheit der indi-
viduellen Betätigung keine Schranke gesetzt wird. Hierfür
werden wir jederzeit mit allem Nachdruck eintreten, indem
wir grundsätzlich darauf verzichten können, durch program-
matische Erklärungen zu der schöpferischen Tätigkeit der
deutschen Künstler Stellung zu nehmen.
Max Liebermann. Max Klinger
Graf Leopold v. Kalckreuth.
Die „Frankfurter Zeitung" hat bei maßgebenden
Museumsdirektoren eine Umfrage abgehalten, um
Aeußerungen über den „Kulturwert und den Markt-
wert der modernen französischen Malerei" zu er-
halten. Or. Swarzenski, Direktor des Städelschen In-
stitutes, betonte, daß es mit dem spezieller: wert der fran-
zösischen Meister für die schaffende deutsche Kunst sicher
nicht anders läge, als mit den Bildern anderer Zeiten
und Meister, die in den Museen ausgestellt seien, von
einer Sammeltätigkeit der deutschen Museen oder Sammler
in bezug auf die modernen französischen Bilder könne über-
haupt nicht die Rede sein, wie z. B. bei italienischen und
holländischen Primitiven oder bei Holländern des Jahr-
hunderts. — Alfred Lichtwark schreibt: „Kunstwerke
gehören zu den höchsten Gütern, die ein Volk erzeugt, denn
sie enthalten die in einem Brennpunkt gesammelte Lebens-
kraft mächtigster Vertreter der Volksart und strömen sie
wieder aus. wir haben Ursache zu trauern über jedes
bedeutende Kunstwerk, das ins Ausland geht. Ls ist ver-
lorene Kraft, wir haben Ursache uns zu beglückwünschen
bei jedem bedeutenden ausländischen Kunstwerk, das in
unser Museum gelangt. Ls ist gewonnene Kraft. Den
deutschen Museen erwächst die Pflicht, so viele bedeutende
Werke deutscher Meister den Fährlichkeiten des Privat-
besitzes zu entziehen, wie sie vermögen, und so viele be-
deutende Werke ausländischer Kunst zu erwerben, wie ihre
Mittel es gestatten. Mir ist kein deutsches Museum be-
kannt, dessen Leitung über dem Ankauf ausländischer Kunst
die deutsche zu vernachlässigen beabsichtigt. Der wert eines
Kunstwerkes hohen Ranges läßt sich in Talern und Groschen
nicht ausdrücken. Sein Wesen ist Gnade und Glück.
Hunderttausend Menschen können in hundert-
tausend Jahren fleißiger Arbeit keinen Rem-
brandt oder Mozart schaffen. Der Preis der Kunst-
werke richtet sich nach der Ausdehnung, der Kultur und
den Mitteln des Marktes, der sie begehrt. Solange sie
nicht begehrt werden, haben Kunstwerke auf dem Markt
weder wert noch Preis, wer den Kunsthandel ausschalten
will, muß vorher unsere Gesellschaftsordnung ändern. Der
Kunsthandel hat das Recht, alle Macht an sich zu nehmen,
die der Staat, die Künstlerschaft und die besitzende
Klasse aus Leichtfertigkeit, NnkenntnisoderKultur-
losigkeit aufgeben. Seine herrschende Stellung, die
unter Umständen zur Vormacht werden kann, dankt er der
kulturellen oder wirtschaftlichen Unzulänglichkeit der anderen
Faktoren. Der Einfluß der Kunstschriststellerei kann wohl-
tätig oder vom Uebel sein. Das hängt vom wert des
Schreibens und — ebensosehr — vom wert des Lesers ab."
Der VorlloK cles Kunltgewerbss. I!
(vgl. die Artikel in den Heften 30 und zp
wir empfingen folgende Zuschrift:
Ich lese in Ihrer Zeitschrift den Aussatz von Gffer-
mann und möchte mich doch des so sehr befehdeten Kunst-
gewerbes etwas annehmen. Nicht als ob ich den Fehler
begehen wollte, nun in dem Kunstgewerbe das einzig wahre
zu sehen. Der Verfasser hat ganz recht, wenn er das
größenwahnsinnige Getue jener Kunstgewerbe-Iünglinge
geißelt, die sich verwandt fühlen mit Michelangelo, wenn
sie einmal einen Aschenbecher oder einen Spucknaxf „ge-
 
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