Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0111
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Redaktioneller Teil
DOI article:Henneberg, Heinz: Ein Wink zur Vermeidung späterer Streitigkeiten mit dem Besteller eines Kunstwerkes
DOI article:Geht durch Bezahlung und Uebergabe der Originale auch das Urheberrecht über?: Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. Juli 1910
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105
Dre Werkstatt der Run st.
Heft 8.
Redaktioneller Teil.
6m Mink zur Vermeidung späterer
Streitigkeiten mit ciem VelteUer
eines Kunstwerkes
von Or. für. Heinz Henneberg
Ls ist schon oft auch in der „Werkstatt der Kunst" von
berufener Seite (vgl. Oralsten, a. a. O. Iahrg. S. t83,
und in seiner trefflichen Schrift „Der Rechtsschutz des bil-
denden Künstlers", S. 6y und 7i) auf die Gefahren hin-
gewiesen, ohne Abschluß eines klaren Vertrages mit dem
Besteller ein Kunstwerk für diesen zu beginnen, und doch
hört man immer und immer wieder von den Aergernissen,
die der Künstler erlebt, wenn es an die Bezahlung seines
Bildes gehen soll. Der Werkvertrag, der juristisch durch
die Bestellung eines Bildes entsteht, kommt im Gegensatz
zum Kauf gültig zustande, auch wenn über das Honorar
nichts ausdrücklich vereinbart ist, es gilt dann die übliche
oder angemessene Vergütung, die im Streitfälle durch Sach-
verständige festzustellen ist.
Aber nicht allein, daß grade im Gebiet der freien
Kunst die Ansichten so darüber auseinandergehen, was ein
angemessener Preis für dies oder jenes Bild ist, sondern
schon die Frage macht oft Schwierigkeiten, ob überhaupt
ein Auftrag tatsächlich erteilt, juristisch also ein Vertrag
zustande gekommen ist. Wir denken gar nicht an den Fall,
daß dem Besteller nachträglich der Auftrag leid wird und
er nun in unredlicher Weise die Erteilung desselben be-
streitet, vielmehr herrscht oft zwischen Künstler und ver-
meintlichem Besteller eine innere geheime Meinungs-
verschiedenheit, die erst zutage tritt, wenn der Künstler
die Abnahme und Bezahlung des Bildes fordert! viele
Verhandlungen mit Künstlern sind von den Leuten nur
unverbindlich gemeint, und oft vergißt der Laie in naiver
Weise, im Künstler auch den Kaufmann vor sich zu haben,
während der Künstler bereits einen Auftrag erhalten zu
haben glaubt und mangels einer Einigung das Nachsehen
hat. Besonders ereignet sich der Fall beim Porträtisten,
der z. B. eine Dame bittet, sich malen zu lassen (zuweilen
bieten sich diese auch selbst an) und in der Einwilligung
die Erteilung des Auftrags erblickt, während die Dame
gar nicht daran dachte und im Gegenteil glaubt, dein
Künstler einen Gefallen zu erweisen, wenn sie ihm nur so
zu Studienzwecken sitzt. Die Fälle sind häufiger als man
glauben sollte.
Nun sind ja die Künstler in einer peinlichen Situation,
da sie vielfach in der Gesellschaft, wo sie freundschaftlich
verkehren, ihre Aufträge erhalten und — leider — ein
vorheriger, wenn möglich schriftlicher Vertrag über die
Bestellung als undelikat empfunden würde. Da gibt es
nun ein einfaches Mittel für den Künstler, um jedes Miß-
verständnis auszuschließen und doch nicht wegen zu großer
„Geschäftsmäßigkeit" sich die Gunst zu verscherzen:
Der Künstler selbst bestätige dem Besteller das ge-
troffene Abkommen in einem Brief und wiederhole darin
möglichst genau mit Angabe des vereinbarten oder als an-
gemessen beanspruchten Honorars, daß und unter welchen
Bedingungen er den Auftrag angenommen habe. Ist der
Betreffende nicht damit einverstanden, so wird er sofort
dagegen protestieren, und das Mißverständnis ist aufgeklärt,
bevor der Künstler Zeit und Arbeit vergeudet hat; schweigt
der andere, dann muß sein Schweigen als Zustimmung
gelten und der Künstler hat seinen Auftrag sicher. Denn
unter solchen Umständen ist jedermann nach Treu und
Glauben verpflichtet, einen entgegenstehenden willen zum
Ausdruck zu bringen, und kann sich später nicht darauf
berufen, die Bestellung nicht oder nicht unter diesen Be-
dingungen gewollt zu haben. Der Künstler kann diese
Bestätigung in der feinsten weise machen, indem er durch
den Brief z. B. Veranlassung nehmen wolle, sich für den
erteilten Auftrag zu bedanken und eine beste Ausführung
des Kunstwerks unter den so und so vereinbarten Be-
dingungen nur nochmals versichern wolle. So ist unauf-
fällig die schriftliche Fixierung des Vertrages erreicht und
mancher Aergcr wird damit für beide Teile vermieden.
Jur Vorsicht hebe sich allerdings der Künstler auf alle Fälle
eine Kopie seines Schreibens auf, denn bekanntlich nützen
die besterworbenen Rechte im Streitfall nur dann, wenn
sie bewiesen werden können.
Gebt cturcb Vezaklung unä Rebergabe
cler Originale auck clas ^Lrkeberrecbt
über?
(Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. Juli ;qfO)
Die Luxuspapi erw arenfa brik w., Buchdruckcrei
und Verlagsanstalt in Lahr, hatte im Jahre ;8st8 durch
mündliche Verhandlung mit dem Reisenden Gr. der Kunst-
druck- und Verlagsanstalt vorm. Kaufmann in Berlin
die Lieferung von f20000 Stück Ansichtspostkarten,
sog. Volkstrachtenkarten, bestellt. Die Idee der Ausführung
der Karten stammte von der Bestellerin, die Lieferung selbst
sollte in Serien erfolgen, der Preis 30 Mk. für das
Tausend betragen und die ; 2 Musteroriginale mit je 50 Mk.
berechnet werden. Diese Vertragsbedingungen werden durch
das schriftliche Bestellschreiben, durch das Bestätigungs-
schreiben der liefernden Firma und die Rechnung bewiesen.
Die Lieferung ist im darauffolgenden Jahre zur Zufrieden-
heit erfolgt. Die Platten sind bei der liefernden Firma
geblieben. Diese ist später ohne Liquidation in die Berlin-
Neuroder Kunstanstalten, Aktiengesellschaft, über-
gegangen. Letztere bot im Jahre ;qos der Bestellerin
einen weiteren Posten von soooo Stück derselben Karten
zu einem geringen Preise von 5 Mk. an, da dieser Mehr-
vorrat versehentlich mit gedruckt worden sei. Da die Be-
stellerin ablehnte, sollten die Karten an andere Firmen zum
Preise von 6 Mk. abgesetzt werden. Die Firma W. hielt
die Herstellung und die Feilbietung der Karten für einen
verstoß gegen das von ihr behauptete Urheberrecht an den
Postkarten und klagte deshalb vor dem Landgerichte I
in Berlin auf Schadenersatz in Höhe von 3280,50 Nk., auf
Einziehung der Platten zwecks Abschleifung und auf das
der Beklagten aufzuerlegende verbot, die noch vorhandenen
Karten verkaufen zu dürfen. Die Klägerin stützte ihre
Klage darauf, daß die ;2 Serien Postkarten Werke der
bildenden Künste darstellten, an denen ihr als der
geistigen Urheberin der Ausführungsidee das Urheber-
recht zustehe; die Beklagte sei lediglich nur ihre Gehilfin
zur Ausführung der mechanisch-technischen Arbeiten gewesen.
Abgesehen davon sei der Klägerin das Urheberrecht und
ausschließliche Vervielfältigungsrecht vertraglich über-
tragen worden, weil ihr die Originale ausgeliefert und
auch extra berechnet und von ihr bezahlt worden seien.
Es bestehe in der einschlagenden Industrie der Handels-
brauch, daß bei Uebergabe und besonderer Bezahlung der
Originale auch das Urheberrecht selbst oder mindestens das
ausschließliche Vervielfältigungsrecht übergehe. Auch würde
es gegen Treu und Glauben verstoßen, bei Lieferung
eines so großen anzufertigenden Postens von Ansichtskarten
dem Liefernden das Recht zu belasten, unbeschränkt dieselben
Karten an andere zu liefern. Das Landgericht I und
dasKammergerichtinBerlin hatten übereinstimmend
die Klage abgewiesen. Das Kammergericht führte
folgendes aus: Keiner der Gründe, worauf die Klägerin
ihre Ansprüche stütze, nämlich daß ihr das Urheberrecht
oder das ausschließliche Vervielfältigungsrecht gesetzlich,
vertragsmäßig oder nach Handelsbrauch zustehe, und
daß es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, diese
Rechte dem Lieferanten zu belassen, erscheine berechtigt.
Das Gericht lasse dahingestellt, ob die Ansichtspostkarten
Dre Werkstatt der Run st.
Heft 8.
Redaktioneller Teil.
6m Mink zur Vermeidung späterer
Streitigkeiten mit ciem VelteUer
eines Kunstwerkes
von Or. für. Heinz Henneberg
Ls ist schon oft auch in der „Werkstatt der Kunst" von
berufener Seite (vgl. Oralsten, a. a. O. Iahrg. S. t83,
und in seiner trefflichen Schrift „Der Rechtsschutz des bil-
denden Künstlers", S. 6y und 7i) auf die Gefahren hin-
gewiesen, ohne Abschluß eines klaren Vertrages mit dem
Besteller ein Kunstwerk für diesen zu beginnen, und doch
hört man immer und immer wieder von den Aergernissen,
die der Künstler erlebt, wenn es an die Bezahlung seines
Bildes gehen soll. Der Werkvertrag, der juristisch durch
die Bestellung eines Bildes entsteht, kommt im Gegensatz
zum Kauf gültig zustande, auch wenn über das Honorar
nichts ausdrücklich vereinbart ist, es gilt dann die übliche
oder angemessene Vergütung, die im Streitfälle durch Sach-
verständige festzustellen ist.
Aber nicht allein, daß grade im Gebiet der freien
Kunst die Ansichten so darüber auseinandergehen, was ein
angemessener Preis für dies oder jenes Bild ist, sondern
schon die Frage macht oft Schwierigkeiten, ob überhaupt
ein Auftrag tatsächlich erteilt, juristisch also ein Vertrag
zustande gekommen ist. Wir denken gar nicht an den Fall,
daß dem Besteller nachträglich der Auftrag leid wird und
er nun in unredlicher Weise die Erteilung desselben be-
streitet, vielmehr herrscht oft zwischen Künstler und ver-
meintlichem Besteller eine innere geheime Meinungs-
verschiedenheit, die erst zutage tritt, wenn der Künstler
die Abnahme und Bezahlung des Bildes fordert! viele
Verhandlungen mit Künstlern sind von den Leuten nur
unverbindlich gemeint, und oft vergißt der Laie in naiver
Weise, im Künstler auch den Kaufmann vor sich zu haben,
während der Künstler bereits einen Auftrag erhalten zu
haben glaubt und mangels einer Einigung das Nachsehen
hat. Besonders ereignet sich der Fall beim Porträtisten,
der z. B. eine Dame bittet, sich malen zu lassen (zuweilen
bieten sich diese auch selbst an) und in der Einwilligung
die Erteilung des Auftrags erblickt, während die Dame
gar nicht daran dachte und im Gegenteil glaubt, dein
Künstler einen Gefallen zu erweisen, wenn sie ihm nur so
zu Studienzwecken sitzt. Die Fälle sind häufiger als man
glauben sollte.
Nun sind ja die Künstler in einer peinlichen Situation,
da sie vielfach in der Gesellschaft, wo sie freundschaftlich
verkehren, ihre Aufträge erhalten und — leider — ein
vorheriger, wenn möglich schriftlicher Vertrag über die
Bestellung als undelikat empfunden würde. Da gibt es
nun ein einfaches Mittel für den Künstler, um jedes Miß-
verständnis auszuschließen und doch nicht wegen zu großer
„Geschäftsmäßigkeit" sich die Gunst zu verscherzen:
Der Künstler selbst bestätige dem Besteller das ge-
troffene Abkommen in einem Brief und wiederhole darin
möglichst genau mit Angabe des vereinbarten oder als an-
gemessen beanspruchten Honorars, daß und unter welchen
Bedingungen er den Auftrag angenommen habe. Ist der
Betreffende nicht damit einverstanden, so wird er sofort
dagegen protestieren, und das Mißverständnis ist aufgeklärt,
bevor der Künstler Zeit und Arbeit vergeudet hat; schweigt
der andere, dann muß sein Schweigen als Zustimmung
gelten und der Künstler hat seinen Auftrag sicher. Denn
unter solchen Umständen ist jedermann nach Treu und
Glauben verpflichtet, einen entgegenstehenden willen zum
Ausdruck zu bringen, und kann sich später nicht darauf
berufen, die Bestellung nicht oder nicht unter diesen Be-
dingungen gewollt zu haben. Der Künstler kann diese
Bestätigung in der feinsten weise machen, indem er durch
den Brief z. B. Veranlassung nehmen wolle, sich für den
erteilten Auftrag zu bedanken und eine beste Ausführung
des Kunstwerks unter den so und so vereinbarten Be-
dingungen nur nochmals versichern wolle. So ist unauf-
fällig die schriftliche Fixierung des Vertrages erreicht und
mancher Aergcr wird damit für beide Teile vermieden.
Jur Vorsicht hebe sich allerdings der Künstler auf alle Fälle
eine Kopie seines Schreibens auf, denn bekanntlich nützen
die besterworbenen Rechte im Streitfall nur dann, wenn
sie bewiesen werden können.
Gebt cturcb Vezaklung unä Rebergabe
cler Originale auck clas ^Lrkeberrecbt
über?
(Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. Juli ;qfO)
Die Luxuspapi erw arenfa brik w., Buchdruckcrei
und Verlagsanstalt in Lahr, hatte im Jahre ;8st8 durch
mündliche Verhandlung mit dem Reisenden Gr. der Kunst-
druck- und Verlagsanstalt vorm. Kaufmann in Berlin
die Lieferung von f20000 Stück Ansichtspostkarten,
sog. Volkstrachtenkarten, bestellt. Die Idee der Ausführung
der Karten stammte von der Bestellerin, die Lieferung selbst
sollte in Serien erfolgen, der Preis 30 Mk. für das
Tausend betragen und die ; 2 Musteroriginale mit je 50 Mk.
berechnet werden. Diese Vertragsbedingungen werden durch
das schriftliche Bestellschreiben, durch das Bestätigungs-
schreiben der liefernden Firma und die Rechnung bewiesen.
Die Lieferung ist im darauffolgenden Jahre zur Zufrieden-
heit erfolgt. Die Platten sind bei der liefernden Firma
geblieben. Diese ist später ohne Liquidation in die Berlin-
Neuroder Kunstanstalten, Aktiengesellschaft, über-
gegangen. Letztere bot im Jahre ;qos der Bestellerin
einen weiteren Posten von soooo Stück derselben Karten
zu einem geringen Preise von 5 Mk. an, da dieser Mehr-
vorrat versehentlich mit gedruckt worden sei. Da die Be-
stellerin ablehnte, sollten die Karten an andere Firmen zum
Preise von 6 Mk. abgesetzt werden. Die Firma W. hielt
die Herstellung und die Feilbietung der Karten für einen
verstoß gegen das von ihr behauptete Urheberrecht an den
Postkarten und klagte deshalb vor dem Landgerichte I
in Berlin auf Schadenersatz in Höhe von 3280,50 Nk., auf
Einziehung der Platten zwecks Abschleifung und auf das
der Beklagten aufzuerlegende verbot, die noch vorhandenen
Karten verkaufen zu dürfen. Die Klägerin stützte ihre
Klage darauf, daß die ;2 Serien Postkarten Werke der
bildenden Künste darstellten, an denen ihr als der
geistigen Urheberin der Ausführungsidee das Urheber-
recht zustehe; die Beklagte sei lediglich nur ihre Gehilfin
zur Ausführung der mechanisch-technischen Arbeiten gewesen.
Abgesehen davon sei der Klägerin das Urheberrecht und
ausschließliche Vervielfältigungsrecht vertraglich über-
tragen worden, weil ihr die Originale ausgeliefert und
auch extra berechnet und von ihr bezahlt worden seien.
Es bestehe in der einschlagenden Industrie der Handels-
brauch, daß bei Uebergabe und besonderer Bezahlung der
Originale auch das Urheberrecht selbst oder mindestens das
ausschließliche Vervielfältigungsrecht übergehe. Auch würde
es gegen Treu und Glauben verstoßen, bei Lieferung
eines so großen anzufertigenden Postens von Ansichtskarten
dem Liefernden das Recht zu belasten, unbeschränkt dieselben
Karten an andere zu liefern. Das Landgericht I und
dasKammergerichtinBerlin hatten übereinstimmend
die Klage abgewiesen. Das Kammergericht führte
folgendes aus: Keiner der Gründe, worauf die Klägerin
ihre Ansprüche stütze, nämlich daß ihr das Urheberrecht
oder das ausschließliche Vervielfältigungsrecht gesetzlich,
vertragsmäßig oder nach Handelsbrauch zustehe, und
daß es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, diese
Rechte dem Lieferanten zu belassen, erscheine berechtigt.
Das Gericht lasse dahingestellt, ob die Ansichtspostkarten