Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

DOI Artikel:
Redaktioneller Teil
DOI Artikel:
Wie können wir den fliegenden Kunsthandel unschädlich machen?, II
DOI Artikel:
Tagwächter, Gottlob Balican: Ein juryfreier "Bildermarkt" in Berlin
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0464

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Kunst.

Heft 33.

H56

Branchen an irgendeiner Stelle abgesetzt werden
müsse, da man sie doch nicht wieder zertrümmern
könne", (was in dieser Hinsicht die bildende Kunst
betrifft, so werden leider oft gerade die besten Bilder
wieder „zertrümmert",d.h. übermalt, während der „Be-
darf an Schund" mit den ehrlich mißlungenen Werken
zweiten Ranges längst nicht mehr gedeckt werden kann,
so daß zahlreiche Kitschfabriken jahraus, jahrein einen
Niesenumsatz erzielen, werden doch von „wiener"
Bildern angeblich für 3 Millionen jährlich
nach Deutschland eingeführt, ganz abgesehen von der
Produktion solcher Fabrikanten und Pseudo-Kunst-
vereine im Inlands!) Der sozialdemokratische Ab-
geordnete betonte demgegenüber, daß man folge-
richtig wohl auch den stehenden Betrieben den
systematischen Absatz von Schund aus Großfabriken
unterbinden müsse; der beste Selbstschutz werde aller-
dings durch nachhaltige Aufklärung des
kaufenden Publikums erreicht.
Das Wort wurde nicht weiter verlangt, und so
gelangte der nachstehende abgeänderte Antrag
Hammer mit großer Mehrheit zur Annahme:
DasHaus derAbgeordneten wolle beschließen,
die Königliche Staats regierung zu ersuchen.
I. bei den verbündeten Regierungen dahin
wirken zu wollen, daß dieselben dem
Reichstage möglich st noch in der laufenden
Session einen Gesetzentwurf vorlegen,
durch den der K 56c der Reichsgewerbe-
ordnung (Wanderlager) durch eine Be-
stimmung ergänzt wird:
wonach für den Betrieb eines Wander-
lagers eine besondere Erlaubnis er-
forderlich ist, die von dem Nachweise
eines vorhandenen Bedürfnisses ab-
hängig zu machen ist, und die Landes-
regierungen verpflichtet sind, den Be-
trieb eines Wanderlagers über die Dauer
von Tagen nicht zuzulassen;
II. zum K 56o der Reichsgewerbeordnung
(w anderlager)Aussührungsan Weisungen
anordnen zu wollen, wonach
die Genehmigung zum Beginn eines
Wanderlagers mindestens 8 Tage vor-
her bei der Grtspolizeibehörde nachzu-
suchen ist mit Angabe der Zeit und des
Ortes, wo sich die Verkaufsgegenstände
bis zum Verkaufstermin befinden.
Ein juryfreier „kiictermarkl" m kerlm
Für den 6. Mai hatte die „Vereinigung bildender
Künstler Berlins" in die viktoriasäle eine öffentliche
Versammlung einberufen, um über den plan einer
jurysreien Ausstellung in Berlin zu beraten. Die
Versammlung war außerordentlich gut besucht von Künstlern
beiderlei Geschlechts; auch namhaftere Künstler aus allen
Lagern und Richtungen waren erschienen. Man betonte
mit einer für Künstler seltenen Einmütigkeit, daß der plan
keinerlei Spitzen gegen irgendeinen bestehenden Verein
oder gegen irgendeine Ausstellung haben solle und dürfe,
ja, es fiel nicht ein einziges gehässiges Wort gegen die
Jurys und deren Mitglieder. Man war sich wohl, wie es
schien, vollkommen darüber einig, daß es Ausstellungen
mit Jury im Interesse der Kunst geben müsse; anderer-
seits erkannte man den traurigen Notstand unserer Zeit
darin, daß jene Ausstellungen im vergleich zu dem großen

Angebot von Kunstwerken eben viel zu wenig Raum
hätten und gezwungen wären, aus dem Gleichwertigen
nur einen kleinen Teil auszuwählen. — Nun wird also
geplant, im Oktober einen großen Vilderniarkt zu er-
öffnen, in dem jeder gegen Bezahlung der Platzmiete das
Recht erhalten soll, seine Werke auszustellen, ohne sich
einer Jury unterwerfen zu müssen. Die Ausstellungsbe-
dingungen werden von einer vorbereitenden Kommission,
der auch die Beschaffung eines Lokals obliegen soll, durch-
beraten werden; in ihr sind namhafte Künstler und Künstle-
rinnen, auch Schriftsteller und Kaufleute vertreten. Den
Vorsitz führt der Maler Sandkuhl; Anmeldungen sind
zu richten: an den Schriftführer der „Vereinigung bildender
Künstler Berlins", Maler Gentz, Friedenau, Schloß-
straße 6. Schon am Versammlungsabend zeichneten sich
ungefähr 200 Interessenten ein. — Nochmals und nach-
drücklich sei hervorgehoben, daß es sich hier nicht um eine
Gründung etwa einer neuen Secession oder dgl., nicht um
einen ästhetischen Protest handeln soll, sondern daß hier
einzig und allein die Befriedigung einer sozialen
Forderung erstrebt wird, deren Dringlichkeit man sich
nicht verschließen kann. — Die bestehenden jurierten Aus-
stellungen würden durch die Verwirklichung dieses planes
eine große und sehr erwünschte Entlastung von einem
enormen Angebote, dessen sie sich beim besten willen nicht
bedienen können, erfahren. So wäre allen Teilen geholfen.
O. v. K.

Im Anschluß hieran bittet uns Herr Gottlob Bali-
can Tagwächter um die Aufnahme des nachstehenden
Scherzgedichtes:
Siehste?! Endlich von der Jury
Traut der Künstler sich herfüri,
Denn er kennt jetzt ihr Prinzips:
was er malt, das ist ihr piepe.
In der Moabiter Enge
Gibt sie jedem dritten Senge . . .
Denkste an Kurfürstendamm?
Dort wird jeder zweite klamm.
Und die Bilder? Schleunigst fahrt's
Dir ins Haus zurück Herr Bartz
(Oder war es eine plastich,
Macht er's etwas wen'ger hastich.)
Aber, Künstler, hier daheeme
Kriegst du niemals dafür Beeme,
Denn du weißt, vor'm fünften Stock
Haben die Mäcene Schock.
Geizt die Jury mit den wänden,
Mußt du selbst den Jammer enden;
wenn sie mit dem Raume karcht,
Gründest du den Bilder marcht.
In des großen Marchtes Halle
Kriegt ein jeder seine Falle,
(wenn er seine Miete zahlt,
Sonsten wird ihm was gemalt.)
Ohne Jury! Jetzt verkünd' ich:
Unser Publikum sei mündich,
Auf dem Marcht vor jedem Stand
Denk' es an die leere wand
 
Annotationen