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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Katsch, Hermann: Das regelmäßige Gesicht
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Bayrische Gewerbeschau 1912 in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0615

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Heft qq.

Die Werkstatt der Kunst.

607

gegnenden Gesichter ist eine vorzügliche Uebung für
das Auge und eine Unterhaltung und belehrende
Beschäftigung irr den menschencrfüllten Straßen
großer Städte.
öayrlscke Gexverbesckau 1912 m
Müncken
Protektor 5. K. Ls. Prinzregent Luitpold von
Bayern — Ehrenpräsident S.K.H. Prinz Lud-
wig von Bayern
Die „Bayrische Gewerbeschau t9t2" will zeigen, was
Bayerns Gewerbe, Lsandwerk und Industrie an guter, form-
schöner Arbeit, an (Qualitätsware hervorbringt. Mehr als
bei allen früheren Ausstellungen soll auf das Linzeistück
der Nachdruck gelegt werden. Die Gewerbeschau will den
berechtigten Wunsch jedes Ausstellers, sein Erzeugnis an
den Mann zu bringen, offen anerkennen und damit zu-
rückkehren zum Ausgangspunkt des Ausstellungswesens,
zum Markt.
Die Armut an Kohlen und Erzen sowie der Mangel
großer Wasserstraßen zwingen Bayern, in der Erzeugung
von gediegener und geschmackvoller Arbeit seine Erfolge
zu suchen. Bedeutungsvolle Ansätze für eine Veredlung
der bayrischen Produktion sind vorhanden, und geschickte
Techniker und erfindungsreiche Künstler stehen bereit, das
begonnene Werk auszubauen. Diese Bestrebungen zu för-
dern und durch den Markt den Qualitätserzeugnissen all-
gemein Eingang zu verschaffen, ist die Hauptaufgabe der
Bayrischen Gewerbeschau.
Die Schau wird sich nicht etwa auf das Kunstgewerbe
beschränken, willkommen ist vielmehr alles, was
in Material und Ausführung einwandfrei und
in der Formgebung von Interesse ist.
Auf Massenartikel und Kleinwaren soll ein besonderes
Gewicht gelegt werden, um zu zeigen, daß es auch bei
diesen waren möglich ist, die Rücksichten des Geschmackes
neben denen der Gediegenheit, Zweckmäßigkeit und Billig-
keit zur Geltung zu bringen, und um das Publikum wieder
daran zu erinnern, daß auch das Alltägliche, Kleine und
Unscheinbare künstlerischen wert enthalten kann, ver-
breitete Irrungen des Geschmackes werden am besten da-
durch bekämpft, daß das Land wieder reichlich mit guten
und geschmackvoll geformten Gegenständen des täglichen
Bedarfs versorgt wird, wie sie in jedes Gemeinwesen, in
jeden Haushalt eindringen. — Prunkstücke vorzuführen,
wird manches Gewerbe und mancher Gewerbetreibende sich
nicht versagen wollen, um das Aeußerste seiner Leistungs-
fähigkeit zu beweisen; im allgemeinen soll aber das ein-
fache Erzeugnis und die marktgängige, verkäufliche Ware
überwiegen.
Zur Durchführung des Programms sind folgende
Gruppen gebildet: Textilien, Bekleidung, Möbel, Holzsachen
und Schnitzereien, Stein, edle und unedle Metalle, Keramik,
Glas, Graphik, Leder, Papier, Buchbinderei, wachs, Spiel-
waren und kirchliche Kunst.
Die Schau soll so gestaltet werden, daß die Beteiligung
eine Auszeichnung bedeutet. Line Prämiierung findet nicht
statt. Dagegen ist beabsichtigt, das Allerbeste durch eine
von der Leitung herausgegebene Veröffentlichung zusammen-
zusassen, die eine Ehrung für die Ausgewählten und einen
Wegweiser für das Publikum und die Geschäftswelt be-
deuten würde. Alle waren, die den Mindestforderungen
aus gediegene Ausführung und gute Form nicht entsprech'^,
werden ausgeschieden durch eine Jury, die sich zu gleichen
Teilen aus Gewerbetreibenden und Künstlern zusammensetzt.
Im Einklang mit den durchaus praktischen Zielen,
die die Gewerbeschau verfolgt, wird sie ein besonders sach-

liches äußeres Gepräge tragen. Der Ausstellungsgegenstand
soll durch sich selbst wirken, die Aufmachung grundsätzlich
zurücktreten. Jede Gruppe wird mit einfachen architekto-
nischen Mitteln zusammengehalten werden. — Den Aus-
stellern die Beteiligung möglichst zu verbilligen, wird sorg-
fältig angestrebt.
wo es sich zeigt, daß Ansätze zu einer Industrie vor-
handen sind, deren Neueinsührung oder Entwicklung für
Bayern wirtschaftlich wünschenswert und aussichtsvoll ist,
wird die Gewerbeschau nach Möglichkeit fördernd eingreifen.
In besonderen, durch die Ausstellungsbestimmungen näher
geregelten Fällen können auch außerbayrische Erzeugnisse
zugelassen werden.
Die Zeiten, da der Handwerker ein Künstler, der
Künstler ein Handwerker war, sind vorüber. Damit nicht
Gewerbe und Kunst in gegenseitiger Entfremdung ver-
armen,, muß planmäßig dafür gesorgt werden, daß sie zu
gemeinsamem Wirken sich wiederfinden. Der „Ausstellung
München tyO8" ist es bereits gelungen, Münchens Hand-
werk und Industrie in die engste Fühlung mit der Künstler-
schaft zu bringen. Eine allgemeine Hebung des Münchener
Gewerbes war das Ergebnis dieses innigen Zusammen-
arbeitens. Dieses Bündnis zum Nutzen des Gewerbes und
der Künstlerschaft für ganz Bayern zu vermitteln und
den hergestellten Verbindungen Dauer zu geben, wird eine
weitere wichtige Aufgabe der Bayrischen Gewerbeschau sein.
Der Marktcharakter der Schau soll dieses Streben be-
sonders unterstützen. Er soll es weiter ermöglichen, dem
Kleinmeister, der weitab vom Markte liegt, und allen, die
nicht die Mittel besitzen, um sich der modernsten Verkaufs-
gelegenheiten zu bedienen, durch Schaffung einer ausreichen-
den Verkaufsmöglichkeit zu Hilfe zu kommen.
Mit der Betonung des Verkaufes soll keine Belastung
der Aussteller verbunden sein. Verkaufsprovisionen werden
nicht erhoben, die Stellung des Verkäufers ist dem Aus-
steller überlassen. Ein Zwang zum verkaufe besteht nicht.
Denen, die nicht in der Lage sind, einen eigenen Verkäufer
zu stellen, können Verkäufer vermittelt werden.
Außerdem werden Vorkehrungen getroffen, um den
Teilnehmern an der Gewerbeschau größere Abschlüsse mit
der Geschäftswelt zu ermöglichen. — Der Handel wünscht
immer wieder auf bequeme weise zu sehen, was das Ge-
werbe Neues schafft. München ist besonders geeignet, ge-
rade in Hinsicht auf (Qualitätsware dieses Bedürfnis aufs
beste zu erfüllen. In der Richtung könnte die Gewerbe-
schau als Vorarbeit dienen und die Teilnahme daran würde
eine Gewähr für die Heranziehung zu späteren Unter-
nehmungen dieser Art bieten.
Linen besonderen Reiz wird auf die Besucher eine
Arbeitsschau ausüben. In Werkstätten, die sich an die
zugehörige Gruppe anschließen, wird die Entstehung einer
Reihe von gewerblichen Erzeugnissen vorgesührt werden:
voraussichtlich Stickerei, Klöppelarbeit, Weberei, Schuh-
sabrikation, Herstellung von Strohhüten, von Handschuhen,
Drechslerei, Korbflechterei und Schnitzerei; Gold- und Kupfer-
schmiedearbeiten, Herstellung von Medaillen; Zinngießerei;
Porzellanmanufaktur, Töpferei, Glasbläserei, -schleiferei und
-ätzerei; Steindruck, Buchdruck, Buchbinderei, Vorsatzpapiers;
Lebzelterei und Blumenfabrikation.
Ausgedehnte Kreise der Bevölkerung sind der Werk-
statt fremd geworden; zum Teil daher stammt der verbreitete
Mangel an Verständnis für den wahren wert eines ge-
werblichen Erzeugnisses. Indem jede Gewerbegruppe einiges
Charakteristische aus ihrer Arbeit unmittelbar vorführt, soll
das Publikum wieder mehr für den Herstellungsvorgang
interessiert und in ein innerliches Verhältnis zum fertigen
Erzeugnis gebracht werden.
Urteil und Geschmack sollen ferner gefördert werden
durch historische Abteilungen, die den Ausstellungs-
gruppen beigegeben und in denen erlesene Proben älterer
 
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