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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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In eigener Sache, III
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Loosli, Carl Albert: Der Wettbewerb um das Welttelegraphendenkmal in Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0025

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Heft 2.

Die Werkstatt der Kunst.


mangelt und die keineswegs als künstlerische Arbeiten
angesehen werden können.
Der Privatkläger hat sich nun daraus berufen, daß
ihm aus dem größtenteils gebildeten Publikum
der passiven Mitgliedschaft viele Anerkennungs-
schreiben zugegangen sind. Die Zufriedenheit einzelner
Mitglieder mit den Leistungen der „Deutschen Künstler-
vereinigung" steht aber der Richtigkeit der von dem An-
geklagten geübten Kritik nicht entgegen. Die betreffenden
Mitglieder mögen auch zum Teil bessere Bilder erhalten
haben, mögen ferner in künstlerischer Beziehung bescheidene
Ansprüche stellen oder trotz ihrer sonstigen Bildung
nicht viel Kunstverständnis besitzen.
Sodann sind die Rechtsverhältnisse der „Deutschen
Kunstvereinigung", der Kreis der Rechte und Pflichten der
Mitglieder, nach den Satzungen nicht klargestellt. Aus
den Satzungen selbst ergibt sich nur, daß die „Deutsche
Kunstvereinigung" ein kaufmännisches Unter-
nehmen des Privatklägers ist, und nicht eine juristische
Person darstellen kann. Dafür spricht auch ihr Geschäfts-
gebaren. In den von dein Angeklagten gewählten Aus-
drücken hat das Gericht eine Ueberschreitung des Rechts
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht erblickt,
zumal da mehrere Zeitungsartikel gegen den Privatkläger
der Veröffentlichung des Angeklagten vorausgegangen
waren, also dein Angeklagten der gute Glaube nicht ab-
gesprochen werden kann.
Schließlich enthält der Artikel in Heft Nr. der
„Werkstatt der Kunst" auch nicht eine Beleidigung des
Privatklägers. Der Ausdruck „die Unternehmungen
des Herrn Schien sing, Schwalbe und Genossen
haben kurze Beine" bewegt sich im Rahmen objek-
tiver Kritik.
Der Angeklagte war daher freizusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den ßtz 496, 4-99,
503 Str.P.O.
Gez.: Or. Müller.
Der Termin für die Berufungsverhandlung
ist noch nicht festgesetzt, weil der Privatkläger neues
Material sammeln will, dessen Dorbringung wir
mit aller Ruhe eutgcgensehen.
Die Bchriftleitung der „Werkstatt der Kunst".
Oer Msttbe^srb um clas Mslt-
telegrapkeuckenkmal in Vsrn
Der „Neuen Züricher Zeitung" vom tv September
entnehmen wir die nachstehende Kritik dieses verfehlten
Wettbewerbes:
Die Nachricht, daß von 89 eingelangten Entwürfen
von der Jury auch nicht einer der Prämiierung würdig be-
funden worden sei, wirkte sogar aus Leute, welche sich von
Wettbewerben keine allzu hohen Hoffnungen mehr machen,
direkt sensationell. Und so unglaublich, daß ich es trotz
den Übereinstiminenden Zeitungsmeidnngcn nicht zu glauben
vermochte und mich sofort persönlich auf die Direktion des
internationalen Telegraphenbureaus und zum eidgenössischen
Departemeutschef des Innern verfügte, um mir'dann aller-
dings bestätigen zu lassen, daß die Wettbewerbe für Denk-
mäler, wie sie unsere oberste Landesbehörde aus eigener
Initiative oder im Auftrage internationaler Vereinigungen
veranstaltet, ein für allemal Konkurs gemacht haben. Und
da sich kaum so leicht ein zweiter Anlaß bietet, der, als
Schulbeispiel klassischer Art, alle Mängel dieser Wettbewerbe
in so sinnfälliger weise in sich vereinigt wie dieser, so sei
mir gestattet, auf die Gefahr hin, ein wenig ausführlich
zu werden, gerade diese Veranstaltung einer mehr als nur
oberflächlichen Analyse zu unterziehen.
Ich möchte dabei von vornherein feststellen, daß das
klägliche Resultat dieser Konkurrenz einzig und ausschließ-
lich auf die Rechnung eines ganz widersinnigen Programms

zu setzen ist, und werde versuchen, dies im folgenden zu
beweisen.
Art. 2 des Programms statuiert: „Das Denkmal wird
auf dem Helvetiaplatz errichtet werden. Zwei Situations-
pläne, zwei Schnitte und eine photographische Ansicht des
Platzes sind dem Programm beigefügt." Schon die Wahl
dieses unglücklichsten aller Plätze der Stadt Bern war von
vornherein mitbedingend für das künstlerische Mißlingen
der ganzen Anlage, während weiland beim Weltpost-
denkmal der Platz für einen Künstler einfach ideal gewählt
war, auf der kleinen Schanze, mit einer schon zum voraus
gegebenen mächtigen Baumarchitektur, befindet sich der
Helvetiaplatz am Ausgang der Kirchenfeldbrücke, direkt
vor dem Historischen Museum. Dieses Museum, dessen
skurrile Architektur keine lapidaren Linien, sondern ein
wahres Gewimmel von unterbrochenen Liniensträngen auf-
weist, sollte also dem geplanten Monumente als Hinter-
grund dienen. Man mag nun die Sache betrachten wie
man will, so ergibt sich eins: nämlich, daß der beste Bild-
hauer der Welt hier nichts aufzustellen vermöchte, das
nicht durch den zerfahrenen Hintergrund beeinträchtigt
würde. Die Möglichkeit, daß das Denkmal sich selbst einen
Hintergrund, sei es durch Mauerwerk oder durch lebende
Pflanzen, gegeben hätte, war ebenfalls durch die für diesen
Zweck allzu beschränkten Raumverhältnisse ausgeschlossen.
Die erste Aufgabe, die das Programm stellte, war also die,
auf einen ungeeigneten Platz ein gutes Denkmal zu setzen,
mit anderen Worten: man mutete dem Bildhauer zu, von
vornherein auf den guten Effekt seines Werkes zu ver-
zichten. wie sehr sich viele der Preisbewerber mit diesem
Probleme abgemüht haben, geht aus der Projekteausstellung,
die gegenwärtig in der städtischen Reitschule in Bern statt-
findet, hervor. Es sind verschiedene, durchaus nicht schlechte
Projekte vorhanden, welche beweisen, daß sich ihre Autoren
bemühten, diesem ersten Uebelstande zu steuern. Dazu
rechne ich alle diejenigen, welche Tempel- und Mauer-
lösungen fanden. Allein — offen gestanden — keiner be-
friedigt vollständig, weil es unmöglich ist, die Ungunst des
Platzes ganz zu besiegen.
Der erste Fehler Programms besteht also in der
schlechten Wahl des Platzes.
wer dafür verantwortlich zu machen ist, entzieht sich
meiner Kenntnis, wie alles sich der Kenntnis des profanen
Bürgers entzieht, was der Bureausaurus unserer Ver-
waltungen über die Kunst und ihre Pflege auszubrüten
geruht. Und dabei haben wir, wenn ich nicht irre, eine
eidgenössische Kunstkommission, bei welcher man sich hätte Rat
holen können. Dort sitzt auch nicht ein einziger Mensch,
der diesen Platz empfohlen hätte, dessen bin ich gewiß!
Und keiner auch, der es übers Gewissen gebracht hätte,
den Artikel 3 des Programms zu verantworten. Dieser
lautet nämlich: „Den Künstlern ist jede Freiheit der Durch-
führung zugesichert, vorausgesetzt, daß das Denkmal die
Gründung der Telegraphen-Union deutlich versinnbildliche
und dem Platze angepaßt sei. Es ist den: Künstler frei-
gestellt, das Denkmal mit einem Brunnen zu verbinden."
Also: das Denkmal soll die Gründung der Telegraphen-
Union deutlich versinnbildlichen! Man wird mir zugeben,
daß dies eine Ausgabe für Graphiker, für Illustratoren
ist, aber nicht für Bildhauer. Denn eine Handlung ver-
sinnbildlichen, heißt entweder sic allegorisch darstellen oder
ihren Hergang pathetisch schildern. Man verlangt in diesem
Artikel vom Bildhauer von vornherein, daß er den Marmor
und das Erz behandle, wie er Papier oder Leinwand be-
handeln würde. Fordert ihn auf, eo ipso auf die Mate-
rialtreue zu verzichten! Man hätte ihn ebensogut vor die
Aufgabe stellen können, in Erz oder Stein eine algebraische
Gleichung mit zwei Unbekannten „deutlich zu versinnbild-
lichen", denn wenn ich richtig lese, so will der Art. 3 etwa
sagen: „wir wünschen ein Denkmal, das nicht im Monu-
mentalstil gehalten ist; wir wünschen in Stein oder Metall
die Ausführung eines Vorwurfes, welcher sich nur auf
graphischem Wege lösen läßt; wir wünschen in dreidimen-
sionaler Ausführung etwas, das in zwei Dimensionen Ge-
 
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