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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Brurein, W.: Grundsätze über das Verfahren bei Wettbewerben, II
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0053

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Heft

Die Werkstatt der Kunst.

§5

Ortsgruppe des B. D. A. ansässig oder in nächster Nähe
erreichbar ist, auf die Mitglieder der Ortsgruppe beschränkt
werden.
Damit sich aber auch an dem ausgeschriebenen all-
gemeinen öffentlichen Wettbewerbe die besten, im Bereich
des Wettbewerbes ansässigen Baukünstler beteiligen, dürfte
nicht der jetzt immer mehr gebräuchliche „Ideenwettbewerb"
zur Ausschreibung gelangen. Ich meine damit diejenigen
Wettbewerbe, bei denen der Bauherr keine Verpflichtung
für die Auftragserteilung an einen der Sieger übernimmt;
sich vielmehr jedes Recht über die Verwendung der preis-
gekrönten und angekauften Entwürfe vorbehält. Es müßte
vielmehr der Auftrag an einen der Sieger in Aussicht
gestellt werden.
Ideenwettbewerbe sollten nur da ausgeschrieben werden,
wo Vorfragen, z. B. ob das in Aussicht genommene Grund-
stück geeignet, die beabsichtigte Benutzung eines Grund-
stückes rentabel, oder dgl. zu lösen sind. Kommt es dann
auf Grund des Ideenwettbewerbes zum Bau, so soll er
grundsätzlich durch einen der im Wettbewerb Ausgezeichneten
erfolgen. Die Auswahl kann durch einen neuen Wett-
bewerb unter den Siegern (oder Teilnehmern an dem
engeren Wettbewerb) erfolgen. Außerhalbstehende können
zu diesem neuen Wettbewerb nur mit Zustimmung der
Berechtigten, und wenn sie nicht am Preisgericht beteiligt
waren, teilnehmen.
Ueberhaupt sollte der Zweck aller Wettbewerbe nicht
sein, eine gute Idee sondern den für die Ausführung am
besten geeigneten Baukünstler zu finden.
In vielen Fällen ist heute leider ein Auftrag an einen
der Sieger von vornherein ausgeschlossen, da der Aus-
führende schon vor der Ausschreibung in Aussicht genommen
ist, sogar schon vorher für die Ausführung vertraglich ver-
pflichtet wurde. Ls widerspricht den guten Sitten, in den
Bedingungen zu einem Wettbewerb die etwa getroffene
Abrede oder übernommene Verpflichtung zu verschweigen,
daß man die Ausführung einer vorher bestimmten Person
oder einer Person aus einem bestimmten Kreise, soweit
dies nicht die Preisträger sind, übertragen wird.
Line billige Erwartung ist diese: „in den Aus-
schreibungsbedingungen klar zum Ausdruck zu bringen,
daß ein erster Preis, selbstverständlich eine Mindestzahl von
eingegangenen Arbeiten vorausgesetzt, verteilt wird und
damit der Auftrag verbunden ist." Diese Verpflichtung
erscheint auf den ersten Blick etwas hart für den Bauherrn,
trägt aber andererseits den Anreiz zur Beteiligung der
besten Kräfte in sich und dient somit zuguterletzt doch nur
den Intereffen des Bauherrn, der dadurch die Gewähr hat,
auch von hervorragenden, für die Ausführung geeigneten
Baukünstlern gute Lösungen zu erhalten.
peute wird manches Mal auf den Preis hingearbeitet
statt auf die Ausführung, weil für die die Aussichten zu
gering sind. Manche ausgezeichnete Arbeit läßt sich für
die Bausumme nicht ausführen. Kommt's dann doch zum
Auftrag, so hilft sich der Dekorateur durch Reduzieren oder
Ueberschreiten der Bausumme.
Da es in der Praxis aber auch vorkommen kann, daß
wichtige Gründe dafür sprechen, dem Sieger den Auftrag
nicht zu erteilen, sollte diese Möglichkeit in den Aus-
fchreibungsbedingungen schon vorgesehen werden, und für
diesen Fall eine Prämie für den Sieger ausgesetzt werden,
falls ihm die Ausführungsarbeiten nicht im voller: Maße
übertragen werden können. Dahingegen sollte dem Bau-
herrn das Recht zustehen, bei Uebertragung der Ausführungs-
arbeiten an einen der Ausgezeichneten, demselben die vorher
erwähnte Prämie auf das spätere Gesamthonorar in An-
rechnung zu bringen.
Diese Ideenwettbewerbe sind ganz besonders von Be-
hörden bevorzugt, da sie sehr oft der bequemste und ein-
fachste weg sind, für billiges Geld recht viele Bauideen
zu erlangen, die sich dann nach Belieben ausbeuten und
für die Bauausführung zurechtmachen lassen.
Sehr oft glaubt man, mit dem durch den Wettbewerb
gefundenen relativ guten Grundriß und der Faffadenskizze

alles Erreichbare vollbracht zu haben, läßt dabei aber außer
acht, daß zu einem guten Bauwerk noch mehr gehört als
der relativ gute Grundriß und die Fassadenskizze, daß zum
künstlerischen Gelingen des Werkes auch ein ganzer Bau-
künstler gehört und mit der Ausführung betraut werden
muß. Es darf daher von einer Förderung der Baukunst
durch diese Ideenwettbewerbe nicht die Rede sein. Daher,
daß oft ungeeignete Kräfte mit der Weiterentwicklung der
in dem Wettbewerb zutage geförderten Ideen betraut
werden, kommt es, daß viele aus Wettbewerben hervor-
gegangene Werke nicht befriedigen.
So haben denn diese Ideenwettbewerbe, mit Ausnahme
für die Bauideelieferung, den Stand der freien Baukünstler,
das Können der durch diese Wettbewerbe bekannt ge-
wordenen Talente von der Ausführung vieler hervorragender
öffentlicher und leider in den letzten Jahren auch privater
Bauwerke ausgeschaltet. Sie haben zu einer Ausbeutung
des geistigen Eigentums geführt, so daß es an der Zeit
ist, Einhalt zu gebieten. Ich empfehle daher, den bei
österreichischen Wettbewerben bereits eingeführten Ghmann-
schen Grundsatz zur Aufnahme in unsere Grundsätze, der
lautet: „Für denFall, als bei der Ausführung charakteristische
Ideen eines der preisgekrönten oder angekauften Projekte
zur Verwendung gelangen sollten, wird der Verfasser hierfür
nach dem ponorartarife des österreichischen Architekten- und
Ingenieur-Vereins entschädigt, und es entscheidet im Falle
als keine Vereinbarung zustande kommt, über die pöhe der
Entschädigung endgültig das Schiedsgericht des österreichischen
Architekten- und Ingenieur-Vereins, welchen: Schiedsspruch
auch alle sonstigen aus diesem Preisausschreiben etwa ent-
stehenden Streitfälle mit Ausschluß jedes weiteren Rechts-
zuges unterworfen sind."
Wie allgemein bekannt, stehen nicht in allen größeren
Stadt- und Gemeindeverwaltungen die richtigen Künstler
am Platze. Und selbst da, wo wirkliche selbständige Bau-
künstler an der Spitze der Bauämter stehen, werden diese
fast überall durch die Verwaltungstätigkeit derart in An-
spruch genommen, daß, sofern sie eine starke künstlerische
Tätigkeit entfalten wollen, sie es mit dem übermäßig
raschen Verbrauch ihrer Kräfte bezahlen müssen. Kleinere
Gemeinwesen aber haben bisher kaum vollwertige künstle-
rische Kräfte gewinnen können; doch mit dem raschen
Zunehmen des künstlerischen Nachwuchses wird dieser Uebel-
stand ja bald behoben werden, und es ist zu erwarten, daß
die Verwaltungen nun auch in Zukunft geeignete Leute
heranziehen werden. Gegenwärtig aber besitzen wir doch
noch eine große Anzahl von älteren, nicht auf der pöhe
stehenden Kräften an den verantwortlichen Stellen, ja
selbst in größeren Gemeinwesen spricht oft noch der Geo-
meter oder der Tiefbaurat das entscheidende Wort über
baukünstlerische Fragen. Es sollte daher, wo die Mitwirkung
des Bauamtes an der Ausführung eines hervorragenden
baukünstlerischen Werkes nicht ausgeschaltet werden kann,
zumindest eine Zweiteilung eingeführt werden, d. h.: „die
Lntwurfsbearbeitung und künstlerische Oberleitung wäre
in die pände des durch den Wettbewerb gefundenen, relativ
hervorragenden Baukünstlers zu legen, und mit der tech-
nischen Entwurfsbearbeitung, Vergebung der Arbeiten und
Ueberwachung der Bauausführung betraut man das Bau-
amt". Diese Zweiteilung würde bei kollegialem Zusammen-
arbeiten in den meisten Fällen zu einem weit besseren
Resultat führen, als wenn ein unkünstlerisches Bauamt
mit der Gesamtausführung des Werkes betraut wird. Auch
würde keinesfalls das für den Bau zu leistende Gesamt-
honorar ein höheres werden.
Diese Ideenwettbewerbe sind es, die unser gesamtes
Wettbewerbswesen so sehr in Verruf gebracht haben und
mit wenigen Ausnahmen dazu führten, keinem Bewerber
mehr ein Anrecht auf die Ausführung einzuräumen, so
daß man allgemein der Ansicht ist, sie werden zu einer
Korruption unseres Berufes führen. Bei diesen Wett-
bewerben wird oft, nicht immer zu Recht, ganz besonders
zum Ausdruck gebracht, daß keine hervorragende Arbeit
eingegangen war und ein erster Preis nicht erteilt werden
 
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