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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Beumers, C. A.: Künstlerische Entwürfe für gewerbliche Erzeugnisse, II
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Die Werkstatt der Kunst. Heft 6.

ist wieder der Ausführende derjenige, der dem Künstler
sagt, dies muß reicher sein, jenes ist einfacher zu gestalten;
derartiges paßt aber vielen Künstlern, wie ich so oft er-
fahren, nicht. Schon daß der Praktiker irgendeine Meinung
bezüglich der Entwürfe hat, fagt den meisten Künstlern
nicht zu. Soll aber etwas Ersprießliches geschaffen werden,
ist dies unerläßlich, denn der Fabrikant kennt den Markt
und die Technik durch und durch, der Künstler nicht. Noch
schwieriger gestaltet sich der Verkehr mit den Künstlern,
wenn bestimmte Aufträge vorliegen und der Besteller schon
Vorschriften macht und sagt: „In dieser oder jener Art
verlange ich, daß die Sache ausgeführt wird". Kommt
man zum Künstler, sagt dieser: „Mas der Besteller da will,
ist Unsinn, das mache ich nicht". Versuchte der Ausführende
dies, selbst in der zartesten weise, dem Besteller klarzu-
machen, würde dieser solches als eine Anmaßung emp-
finden und weitergehen. Die Folge ist, daß der Auftrag
eben ohne Künstler, gut oder schlecht, wie es die Befähigung
der Ausführenden gibt, gemacht witd. Man wird ein-
wenden, ja wenn der Fabrikant oder Kunsthandwerker mit-
redet, kann der Künstler nicht mehr frei schaffen. Darauf
muß ich erwidern, ja was hilft uns das freie Schaffen der
Künstler, wenn wir keine Erfolge erzielen, wenn der Ab-
satz zu wünschen übrig läßt, wir arbeiten nicht zum
Vergnügen, sondern um entsprechend dabei zu verdienen,
was wir aber nie können, wenn die Entwürfe dem Käufer-
kreise nicht angepaßt sind. Damit soll keineswegs ge-
sagt sein, daß der Künstler im alten Fahrwasser
weiterziehen soll, er soll Neues erfinden, das sich unter
den bisherigen Bedingungen, was Preis und Absatzmöglich-
keit angeht, Herstellen läßt. Solche Künstler, die hierzu bereit,
die dies wollen, fehlen. Die Idee, Künstler zu sein, verbietet
ihnen, den Winken der Leute, die im Verkehr mit dem kaufen-
den Publikum ausgewachsen sind, zu folgen. Dazu kommt noch
etwas anderes, weit Unangenehmeres, der Preis für die
Entwürfe. Der Fabrikant, der ein Stück sehr, sehr oft
herstellt, kann schon einen guten Preis zahlen, viel weniger
aber der Kunsthandwerker. Gerade die Forderungen der
Künstler sind in erster Linie schuld daran, daß nicht mehr
Gewerbetreibende Künstler zu ihren Arbeiten heranziehen.
Künstler, die für die Handwerkskunst, für das Gewerbe
Entwürfe machen wollen, müssen gewisse Grenzer: bei ihren
Forderungen einhalten. Vor kurzem erlebte ich noch
folgenden Fall: Ein Künstler berechnete für den Entwurf
einer Uhr, deren Herstellung etwa qZoo— 5000 Mk. kostet
(die Arbeit mußte in Anbetracht der hier zur Verwendung
kommenden Technik teilweise in Gold hergestellt sein), so
viel wie die Uhr auszuführen kostete. Daß ein solch teures
Stück nur dann zu verkaufen ist, wen:: es nicht verviel-
fältigt wird, ist selbstverständlich. Für 5500 — 6000 Mk.
ist wohl ein Liebhaber zu finden, nicht aber für toooo bis
t2 000 Nk., so viel müßte aber die Uhr kosten, wenn ich
die Ansprüche des Künstlers befriedigen wollte. Unter
solchen Verhältnissen hilft auch der Name des Künstlers als
Aushängeschild beim verkauf nichts. Ein anderer Künstler,
mit dem ich, als er noch Meisterschüler der Akademie war,
arbeitete, als er noch froh war, etwas zu verdienen, fordert
jetzt Preise, die eben nicht zu zahlen sind; ich habe nie
gefragt, was verlangen Sie, jetzt bei der letzten Arbeit
forderte derselbe aber eine Summe, die das ganze Ver-
dienst an der Arbeit aufzehrt. Um künstlerische Ent-
würfe für gewerbliche Erzeugnisse zu schaffen, wäre ein
besonderer Stamm Künstler nötig, die nicht Künstlerpreise
verlangen, Künstler, die nicht verlangen, durch einige
Stunden Arbeit im Tage so viel zu verdienen, um leben zu
können wie andere, die täglich ihre ;o Stunden schaffen
müssen. U)er sich im Gewerbe betätigen will, muß sich
den hier üblichen Lebensbedingungen anxassen, sonst sind
hier keine Erfolge zu erhoffen.
Die Anfertigung neuer Entwürfe oder neuer Modelle
sollte überhaupt nicht zum Ausgangspunkte — der gemein-
samen Arbeit von Künstler und Fabrikanten genommen
werden, fagt der Autor des fraglichen Artikels. Dies
könnte nur dann der Fall sein, wenn der Künstler das

Gewerbe, wofür er seine Entwürfe und Modelle herstellt,
genau kennt, mit der Technik vollständig vertraut ist, denn
sonst wird es in den meisten Fällen nötig sein, die Sache
für die Ausführung wieder umzuarbeiten, und hierbei wird
in vielen Fällen die Idee des Künstlers Schiffbruch leiden,
weil der Ausführende, wenn er erst einmal anfängt, Ände-
rungen vorzunehmen, sehr leicht über das notwendige Maß
hinausgeht, um sich die Arbeit zu erleichtern, vor kurzen:
legte mir ein Fabrikant neue Muster nach Künstler-
entwürfen vor, die Ideen waren sehr gut, die Arbeiten
waren aber unbrauchbar, weil der Hersteller streng nach
dem Entwurf gearbeitet hatte, der aber ohne vertrautsein
mit Material und Arbeitsweise entstanden war. Die Stücke
waren so gezeichnet und modelliert, daß sie sich nur dann
zu annehmbarem Preise Herstellen ließen, wenn die ein-
zelnen Teile mit Zinn zusammengelötet wurden, was man
bei Basarwaren wohl machen kann, nicht aber bei silbernen
Iardinieren mit Email. Ich hätte sie gerne gekauft, aber
die mangelhafte Ausführung hielt mich ab. Ein anderer
weg, die einzelnen Teile sachgemäß miteinander zu ver-
binden, wäre nur auf Kosten der Verkaufsmöglichkeit er-
reichbar gewesen, weil dann die sehr komplizierte Her-
stellung eine viel größere technische Geschicklichkeit und Er-
fahrung vom Verfertiger erfordert und sich infolgedessen
nicht für die Fabrikation im großen geeignet hätte. Also
auch hier zeigte sich die Unmöglichkeit, daß der Künstler
ohne den Rat und das Zutun des Fabrikanten schaffe,
denn zweifellos ist unter solchen Umständen ein weniger
guter Entwurf in einwandfreier solider Arbeit einem besseren
Entwurf in mangelhafter Arbeit vorzuziehen. Genau so
denkt auch das kaufende Publikum, will man also Künstler
haben, die nutzbringend für die Industrie schaffen sollen,
dann müssen die Künstler zuerst zum Verfertiger in die
Lehre gehen, sie müssen das Gewerbe, wofür sie tätig sein
wollen, kennen lernen, sie müssen sich unterweisen lassen,
was ausführbar ist, was nicht. Ausführbar ist schließlich
alles, nicht aber ist alles ausführbar, wenn man auf nutz-
bringende Verwertung rechnet. Bei der Herstellung von
Handelsartikeln, gleichviel ob es sich um Stapelware oder
kunsthandwerkliche Erzeugnisse handelt, kommt stets in erster
Linie die Preisfrage in Betracht, wenn die Sache ersprieß-
lich für den Künstler und Verfertiger sein soll. Zu alledem
kommt dann noch, daß der Künstler genau zu beurteilen
in der Lage sein muß, was er dem Verfertiger Zutrauen
darf. Bei dem Fabrikanten kommt es auf die maschinelle
Einrichtung an, denn diese muß bei der Herstellung nutz-
bringend zu verwerten sein; bei dem Kunsthandwerker
ist die mehr oder weniger große Geschicklichkeit entscheidend;
dies kann der Künstler erst dann beurteilen, wenn er das
Gewerbe durch und durch kennt. Also ohne daß der
Künstler einen gewissen Lehrgang durchgemacht hätte, geht
es nicht, es sei denn, daß der Ausführende bei Anfertigung
der Entwürfe mitreden darf. Ein großer, sehr großer, und
zwar nicht der schlechteste Teil der Industrie und des Kunst-
handwerkes würde sich freuen, tüchtige Künstler zu haben,
mit denen zu arbeiten wäre; wo aber diese finden, die den vor-
stehend geschilderten Anforderungen genügen, Forderungen,
die unbedingt erfüllt werden müssen, wenn etwas bei dem Zu-
sammenarbeiten herauskommen soll. DieMitwirkung des
Ausführenden bei dem Entwurf brauchte übri-
gens nur darin zu bestehen, daß er sagte, wie dies,
wie jenes hergestellt werde, was leicht, was schwer zu
machen sei. Bei der Besprechung, dieser Punkte tritt die
Preisfrage von selbst hinzu, und dann sind wir wieder so weit,
daß der Ausführende darauf hinweist und sagt, dies ist ein-
facher, jenes ist reicher zu gestalten, wenn eine nutzbringende
Verwertung möglich gemacht werden soll. Diese Ausein-
andersetzungenhaben aberdochnurbeim Entstehen
der Zeichnungen irgendwelchen Mert. Mir würden
uns natürlich freuen, Künstler zu finden, die uns gute Ent-
würfe fertig für die Ausführung lieferten, bei denen
ein Umarbeiten für die Ausführung nicht mehr nötig ist,
denn dann würde der Entwerfende nicht so oft, wie es
heute der Fall, enttäuscht werden. Doch nur dann, wenn
 
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