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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Widmer, Hermann: Kaufmännliche Gebräuche für Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0335

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Heft 2H.

Die Werkstatt der Kunst.

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das meist in keinem Verhältnis steht zu der Größe
des Nutzens, den er durch einer: Auftrag eventuell
haben kann. Ist es da unbillig, wenn der Künstler
verlangt, daß sich der Fabrikant ar: dem Risiko be-
teiligt, dadurch, daß er ihn: ein mäßiges Honorar
bewilligt, auch für solche Skizzen, die er nicht ge-
brauchen kann? Ich glaube das ist eine durchaus
berechtigte Forderung! Es wird natürlich Sache des
Taktes und der geschäftlichen Klugheit des Künstlers
sein, in diesen: Falle nur mäßige Ansprüche zu stellen.
Wan wird nur einwenden: Ja, aber der Fabrikant
muß doch häufig auch Skizzen umsonst vorlegen, so
müssen z. B. die Wöbelfabrikanten jahraus, jahrein
dem Privatpublikum Skizzen machen lassen, wenn
sie wollen, daß dasselbe Einrichtungen bei ihnen
bestellt! Darauf ist zu sagen, daß es sich hier um
andere Objekte handelt. Das Publikum, das sich
eine Einrichtung nach Zeichnung bestellt, wendet an
eine solche vielleicht fO—20000 Wk. oder noch mehr,
und wenn dabei der Fabrikant 50 wk. für Skizzen
riskiert, so ist das ein anderes Verhältnis, als wenn
ein Künstler dasselbe tut, um dadurch einen Auftrag
von vielleicht einigen hundert Wark oder noch weniger
zu bekommen.
Und häufig hat er es gar nicht mit den: Fa-
brikanten allein zu tun, sondern dieser legt die
Skizzen erst wieder seinem Besteller vor, und macht
die Erteilung eines Auftrages davon abhängig, ob
sein Kunde ihm einen fertigen Entwurf bestellt!
Besonders junge unerfahrene Künstler werden manch-
mal in dieser unfeinen weise ausgenützt, und ich
werde nie vergessen, wie ich selbst in: Anfang meiner
praktischen Laufbahn auf einen solchen „Auftrag"
hereingefallen bin.
Ich wollte Entwürfe für Plakat-Fabriken machen,
und fragte zunächst bei einem kleineren Fabrikanten, ob
er etwas gebrauchen könne. Erfreut sagte nur der
Wann: „gerade jetzt käme ich im rechten Woment,
denn er gebrauche drei Entwürfe für Bier- und
Zigarettenplakate, ich solle sie schnellstens anfertigen."
„Da haft du aber mal Glück gehabt", sagte ich mir,
und setzte mich schleunigst hin, um ihm die Skizzen
so gut wie möglich zu machen. Als ich sie brachte,
meinte er, er wolle sie nur einmal seinen Kunden
zeigen, gefallen sie diesen, dann werde er mir sofort
die auszuführenden Entwürfe bestellen. Inzwischen
solle ich ihn: noch drei weitere Skizzen für andere
Branchen anfertigen. — Ich brauche wohl nicht
zu sagen, daß ich von dem Wanne nie einen
Pfennig Geld bekommen habe, er hat die Skizzen
ganz einfach seinen Reisenden mitgegeben, und ich
will zu seiner Ehre annehmen, daß er wirklich die Ab-
sicht hatte, mir einen ausgeführten Entwurf zu be-
stellen, wenn er zufällig selber etwas davon los-
geworden wäre. — Ich brauche aber auch nicht zu
sagen, daß ich auf eine solche „Bestellung" nur ein-
mal hereingefallen bin. Heute verlauge ich, daß
der Fabrikant in einem für ihn selber unsicheren
Falle mindestens die Hälfte des Nesikos trägt, indem

er mir die Skizze:: mit der Hälfte des sonst üblichen
Preises bezahlt. Ich persönlich komme bei diesen:
Verfahren meistens auf meine Kosten — und er-
halte mir meine Kundschaft!
Die Ausbeutung der Künstler in diesen und
ähnlichen Formen ist zweifellos eine weit verbreitete,
und es ist Zeit, auf Wittel und Wege zu sinnen, wie
derselben begegnet werden kann. — Ueberall, wo in
einem Gewerbe ein Wißbrauch so tief eingerissen ist,
daß jeder einzelne darunter leidet, ohne ihn jedoch
allein abstcllen zu können, wurden die Beteiligten
zun: Zusammenschluß gezwungen. Das können wir
besonders in einer Unzahl von kaufmännischen
Branchen beobachten. Die Fabrikanten aller Ge-
biete leiden besonders unter dem tief eingewurzelten
Borgsystem. Waren, die ein Fabrikant oder Grossist
heute liefert, erhält er häufig erst in sechs, ja teil-
weise erst in neun oder zwölf Wonaten bezahlt. Sein
Geld liegt also nicht nur fest in der neuen Ware,
die er anfertigt, sondern auch in der alten, die er
schon vor einem Jahr geliefert hat. Daß das nur
ganz kapitalkräftige Leute aushalten können, und daß
das ein ungesunder Zustand ist, liegt auf der Hand.
Und deshalb haben sich auch in allen möglichen
Branchen Verbände gebildet, die ihren Witgliedern
genau vorschreiben, zu welchen Bedingungen sie
liefern dürfen, wir haben den Verband der Seiden-
händler, der Hutgrossisten, der Postkarten-Fabrikanten
usw. usw., und eine große Industrie, nämlich die
Tapetenfabrikation, hat sich nicht anders zu helfen
gewußt, als daß sie versuchte, alle Fabriken zu einer-
großen Aktiengesellschaft, den: sogenannten Tapeten-
trust, zu vereinigen. Der Kaufmann aller Schattie-
rungen ist also gewähnt, mit Verbänden aller Art
und deren Verbandsbedingungen zu arbeiten, und
er wird daher wohl kann: erstaunt sein, wenn die-
jenigen Künstler, die illustrativ tätig sind oder für
die Industrie arbeiten, gleichfalls gewisse Mindest-
forderungen als Verbandsbedingungen stellen. Aus
dieser Tatsache sollten die Künstler Nutzen ziehen,
um so mehr als sie ja keine neuen Verbände zu
gründen brauchen, wir haben den Verband Deutscher
Illustratoren, und wir haben in der Hauptsache die
allumfassende Deutsche Kunstgenossenschaft (vielleicht
würde sich auch der Werkbund und der Verband
Deutscher Kunstgewerbevereine*) anschließen), die
solche Verbandsbedingungen sehr gut formulieren
können. Und die erste Bedingung müßte lauten:
Skizzen werden nicht umsonst geliefert! Jeder einzelne
Kollege wäre seinen Kunden gegenüber bis zu einen:
gewissen Grade gedeckt, wenn solche Forderungen
von den vorhandenen Künstlerverbänden aus er-

ch Der verband Deutscher Kunstgewerbevereine hat in
seinem Eisenacher Entwurf vorgcschlagen, daß „in den
Fällen, wo die Ausführungskosten 50 Mk. nicht erreichen,
oder nur ein Entwurf ohne Anschlag und lverkzeichnung
nötig ist, nach dem Zeitaufwand P Stunde mindestens 5 Alk.,
jede weitere angefangene Stunde mindestens z INk.) be-
rechnet wird.
 
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