Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/1911
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Vermischter Nachrichtenteil
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530
Oie Werkstatt der Runst.
Heft 38.
erleben konnte und was ihm doch immer so am Herzen
lag, sei zum Schluffe noch hingewiesen. Das, zu dem sich
jetzt deutsche Künstler vereinigt haben, ich meine zu
dem Protestschreiben gegen Aestheten, Snobismus junger
Kunstgelehrter und Preistreibereien der Gemälde
irgendeines französischen oder spanischen ,neuentdeckten'
Malers, das lehrte Riehl immer und immer wieder. Schon
vor Jahren hat er in seiner feiuen, ruhigen und gemüt-
voll humoristischen Art, der eine bissige Polemik fern lag,
auf große deutsche Meister aufmerksam gemacht, die den
im Preise heraufgeschraubten ausländischen Künstlern bei
weitem, was Kunst anbelangt, überlegen sind resp. waren.
Fassen wir alles kurz zusammen, so bedeutet Berthold Riehls
frühes Ende einen schmerzlichen Verlust nicht allein für die
Familie, für die Universität und die Akademie der bilden-
den Künste, deren Dozenten ihn zu ihrem beliebtesten Kol-
legen rechneten, sondern auch für das ganze kunstwissen-
schaftliche Leben Deutschlands und besonders Bayerns."
w. Zils. X
-Vermischtes
Line Wertzuwachssteuer auf Kunstwerke. Lin Ausfuhrzoll
auf berühmte Kunstwerke Englands wurde von verschie-
denen Rednern auf der diesjährigen Jahresversammlung
des Nationaler: Kunstsammlungsfonds befürwortet.
Schon bei dem Bankett, das der Versammlung vorherging,
hatte der englische Premierminister darauf hingewiesen,
daß es Pflicht des Landes sei, dafür zu sorgen, daß ihm
seine Kunstschätze erhalten bleiben. Anregung zu dieser
Bemerkung gab die Tatsache, daß gerade in letzter Zeit,
wie bekannt geworden, innerhalb von drei Monaten sechs
Gemälde von Reynolds nach Amerika verkauft wurden.
Ls wurde nun befürwortet, bei der Regierung zu bean-
tragen, den Fonds zur Anschaffung von Kunstwerken für
die Nationalmuseen, der bisher ;ooooo Mk. im Jahre
beträgt und für vollständig ungenügend erklärt wurde, zu
erhöhen, und zwar auf eine Meise, die gleichzeitig den
Verkauf von Kunstwerken ins Ausland erschwert: nämlich
durch die Erhebung eines Ausfuhrzolles vor: ;oO/g auf den
Verkaufspreis. Der Wert der Werke alter Meister ist in
manchen Füllen in den letzten Jahren um ;oo—sooo/g ge-
stiegen und eine Steuer von ;c)0/o auf diesen unverdienten
Wertzuwachs wurde als nicht zu hoch erachtet. Wenn
man bedenkt, daß der Wert der Gemälde, die jährlich von
England aus nach Amerika allein verkauft werden, ZO bis
HO Millionen Mark beträgt, fo würde allerdings ein Zoll
von loo/y auf diese Summe zugunsten des Nationalen
Kunstsammlungsfonds es den Engländern ermöglichen, ihre
Museen Jahr für Jahr zu ergänzen. X
Kristiania. Man schreibt der „Voss. Ztg.": Lin Buben-
stück wurde in der letztvergangenen Nacht im Festsaal
der Universität Kristiania verübt. Der bekannte nor-
wegische Maler und Bildhauer vigeland, der mit der
künstlerischen Ausschmückung der Festräume der Universität
betraut ist, war im Begriff, in dem größten der Säle, die
bei der ;oojährigen Jubelfeier der Universität, am 2. Sep-
tember d. I., benutzt werden sollen, Vorarbeiten für
die Fresken bemalung auszuführen. Er arbeitete jeden
Tag von früh bis spät abends und ließ seine wertvollen
Zeichnungen, die er als Skizzen für die Fresken benutzen
wollte, über Nacht dort liegen. Heute morgen nun, als
der Assistent des Künstlers den Festsaal betrat, sah er zu
seinem Schrecken, daß sämtliche Zeichnungen mit
einem scharfen Messer zerschnitten und völlig
unbrauchbar gemacht worden waren. Sie lagen in
kleinen Fetzen durcheinander auf dem Boden und waren
noch dazu mit Kalk und Schmutz vermischt und fast un-
kenntlich gemacht. Der Missetäter hat sich durch eine
Hintertüre Zutritt zum Saale zu verschaffen gewußt und
dort gerade die wertvollsten Arbeiten des Künstlers zerstört,
während er Skizzen, die für die große Freskenarbeit keine
Bedeutung hatten, unberührt ließ. Es scheint sich um
einen Racheakt zu handeln. Viele junge norwegische
Künstler haben sich dadurch verletzt gefühlt, daß bei der
Konkurrenz um die Ausschmückung des Festsaales Vigeland
vom Beurteilungsausschuß den Vorzug erhielt. Insbe-
sondere behaupteten die vielen Anhänger des Malers Ed-
ward Munch, der sich ebenfalls an der Konkurrenz beteiligt
hatte, daß der Ausschuß in parteiischer weise vigeland zu
ungunsten Munchs begünstigt habe. (? Red. d. W. D. K.) X!
London. Die millionenreichen Kunsthändler Duv een, die
vor ein paar Monaten noch mit ungeheurer Entrüstung
die Beschuldigung zurückwiesen, in großem Stil Schmuggel
getrieben zu haben, inzwischen aber 5 Millionen Mark
zahlten, um die Zivilklage glücklich aus der Welt zu schaffen,
erklärten, wie die „B. Z. am Mittag" berichtet, dem Straf-
richter gegenüber sich als schuldig, systematisch den wert
von importierten Kun st gegen ständen zu gering
angegeben zu haben. Xi
Literatur
Deutsche Alxenzeitung. München, Schackstr. 6. Seit ;go;.
Letzte Nummer XI/z. Maiheft
Referent hatte in diesem Blatte („Geber und Nehmer
der Kunstbildung", X. Jahrg., Heft ;o vom 5. Dezember
2. t33) bereits auf die künstlerische Fruchtbarkeit
von Landesinteressen und auf die vorliegende Zeitschrift
als auf ein wertvolles Beispiel dafür aufmerksam gemacht.
Zunächst erfreut das Blatt durch feine sorgfältig aus-
geführten farbigen Originallithographien; Textbilder und
größere Landschaftsphotographien schließen sich an. Im
Laufe der Zeit kommen zahlreiche „alpine" Künstler zum
Wort; wir nennen Ad. Achleitner, R. Anheißer, E. T.
Lompton, A. Egger-Lienz, I. Engelhardt, A. Fricke, K.
Haider, M. Schmid, T. Stadler. Der Kenntnis solcher
Künstler dienen auch Aufsätze, wie „Das Neunerjahr in
der Kunst" (IX), „Die Alpen in der Kunst" sowie „Die
Alpen und ihre Maler" (X), endlich — von Ausstellungs-
berichten abgesehen — „Erzherzog Johann und die ober-
steierischen Trachtenbilder" usw. (XI). Besonders wertvoll
aber scheint dem Referenten das Bemühen, die vorhandenen
architektonischen Schönheiten darzulegen und zu ihrem Schutz
aufzurufen (auch durch ein Gegenbeispiel in dem Artikel
„Zum Untergang der Alpenstädte" (IXj). Ls handelt sich
dabei um Themata, wie „Der Zaun als Kulturzeuge",
„Schöne Brunnen" (IX), „Lrkerstudien in Tirol", „Das
Zillertaler Bauernhaus", „Die deutsche Bauernstube in
Tirol", „Die Glockenlaubentürme im Bernerland" (X). Der
lokalen Provenienz künstlerischer Leistungen und Ein-
wirkungen dienen Aufsätze, wie die ausführliche (und natür-
lich reichillustrierte) Abhandlung „Die Kulturarbeit des
Stiftes Linsiedeln" oder wie „Berühmte Tiroler Kunst-
stätten" (IX), „Gerber Hans, der Bildschnitzer von Medratz,
Stubai" und auch die eingehenden „Wanderungen im Ehiem-
seegebiet" (X). Dazu kommen noch spezielle Themata be-
sonders von psychologisch-ästhetischer Art, wie „Die Figur
im alpinen Bild" (X) und „Die Berge in der Phantasie"
(XI). Eine Entgleisung wie die Stelle in jenen „Wande-
rungen" (X/;;, S. 2?z), welche die mittelalterliche Plastik
nicht kennt und auch noch dem alten „Steinmetzenwahn"
huldigt, scheint in der vorliegenden Zeitschrift zu den Aus-
nahmen zu gehören. — Sowenig das Sujet ein Kunstwerk
gut oder schlecht macht, so fruchtbar ist doch für die Kunst
das intime Wurzeln in einem Kulturintereffe, das eben
nach anschaulichem Ausdruck strebt; und in diesem Sinne
mag für sie vom herrlichen großen Alpenland und von
seinen Förderern gerade in einer Zeit noch manches zu
holen sein, in der mit soviel Recht für eine heimatlich-
nationale Besinnung der Künstlerwelt eingetreten wird.
Or. Hans Schmidkunz-Berlin-Halensee. X!
Oie Werkstatt der Runst.
Heft 38.
erleben konnte und was ihm doch immer so am Herzen
lag, sei zum Schluffe noch hingewiesen. Das, zu dem sich
jetzt deutsche Künstler vereinigt haben, ich meine zu
dem Protestschreiben gegen Aestheten, Snobismus junger
Kunstgelehrter und Preistreibereien der Gemälde
irgendeines französischen oder spanischen ,neuentdeckten'
Malers, das lehrte Riehl immer und immer wieder. Schon
vor Jahren hat er in seiner feiuen, ruhigen und gemüt-
voll humoristischen Art, der eine bissige Polemik fern lag,
auf große deutsche Meister aufmerksam gemacht, die den
im Preise heraufgeschraubten ausländischen Künstlern bei
weitem, was Kunst anbelangt, überlegen sind resp. waren.
Fassen wir alles kurz zusammen, so bedeutet Berthold Riehls
frühes Ende einen schmerzlichen Verlust nicht allein für die
Familie, für die Universität und die Akademie der bilden-
den Künste, deren Dozenten ihn zu ihrem beliebtesten Kol-
legen rechneten, sondern auch für das ganze kunstwissen-
schaftliche Leben Deutschlands und besonders Bayerns."
w. Zils. X
-Vermischtes
Line Wertzuwachssteuer auf Kunstwerke. Lin Ausfuhrzoll
auf berühmte Kunstwerke Englands wurde von verschie-
denen Rednern auf der diesjährigen Jahresversammlung
des Nationaler: Kunstsammlungsfonds befürwortet.
Schon bei dem Bankett, das der Versammlung vorherging,
hatte der englische Premierminister darauf hingewiesen,
daß es Pflicht des Landes sei, dafür zu sorgen, daß ihm
seine Kunstschätze erhalten bleiben. Anregung zu dieser
Bemerkung gab die Tatsache, daß gerade in letzter Zeit,
wie bekannt geworden, innerhalb von drei Monaten sechs
Gemälde von Reynolds nach Amerika verkauft wurden.
Ls wurde nun befürwortet, bei der Regierung zu bean-
tragen, den Fonds zur Anschaffung von Kunstwerken für
die Nationalmuseen, der bisher ;ooooo Mk. im Jahre
beträgt und für vollständig ungenügend erklärt wurde, zu
erhöhen, und zwar auf eine Meise, die gleichzeitig den
Verkauf von Kunstwerken ins Ausland erschwert: nämlich
durch die Erhebung eines Ausfuhrzolles vor: ;oO/g auf den
Verkaufspreis. Der Wert der Werke alter Meister ist in
manchen Füllen in den letzten Jahren um ;oo—sooo/g ge-
stiegen und eine Steuer von ;c)0/o auf diesen unverdienten
Wertzuwachs wurde als nicht zu hoch erachtet. Wenn
man bedenkt, daß der Wert der Gemälde, die jährlich von
England aus nach Amerika allein verkauft werden, ZO bis
HO Millionen Mark beträgt, fo würde allerdings ein Zoll
von loo/y auf diese Summe zugunsten des Nationalen
Kunstsammlungsfonds es den Engländern ermöglichen, ihre
Museen Jahr für Jahr zu ergänzen. X
Kristiania. Man schreibt der „Voss. Ztg.": Lin Buben-
stück wurde in der letztvergangenen Nacht im Festsaal
der Universität Kristiania verübt. Der bekannte nor-
wegische Maler und Bildhauer vigeland, der mit der
künstlerischen Ausschmückung der Festräume der Universität
betraut ist, war im Begriff, in dem größten der Säle, die
bei der ;oojährigen Jubelfeier der Universität, am 2. Sep-
tember d. I., benutzt werden sollen, Vorarbeiten für
die Fresken bemalung auszuführen. Er arbeitete jeden
Tag von früh bis spät abends und ließ seine wertvollen
Zeichnungen, die er als Skizzen für die Fresken benutzen
wollte, über Nacht dort liegen. Heute morgen nun, als
der Assistent des Künstlers den Festsaal betrat, sah er zu
seinem Schrecken, daß sämtliche Zeichnungen mit
einem scharfen Messer zerschnitten und völlig
unbrauchbar gemacht worden waren. Sie lagen in
kleinen Fetzen durcheinander auf dem Boden und waren
noch dazu mit Kalk und Schmutz vermischt und fast un-
kenntlich gemacht. Der Missetäter hat sich durch eine
Hintertüre Zutritt zum Saale zu verschaffen gewußt und
dort gerade die wertvollsten Arbeiten des Künstlers zerstört,
während er Skizzen, die für die große Freskenarbeit keine
Bedeutung hatten, unberührt ließ. Es scheint sich um
einen Racheakt zu handeln. Viele junge norwegische
Künstler haben sich dadurch verletzt gefühlt, daß bei der
Konkurrenz um die Ausschmückung des Festsaales Vigeland
vom Beurteilungsausschuß den Vorzug erhielt. Insbe-
sondere behaupteten die vielen Anhänger des Malers Ed-
ward Munch, der sich ebenfalls an der Konkurrenz beteiligt
hatte, daß der Ausschuß in parteiischer weise vigeland zu
ungunsten Munchs begünstigt habe. (? Red. d. W. D. K.) X!
London. Die millionenreichen Kunsthändler Duv een, die
vor ein paar Monaten noch mit ungeheurer Entrüstung
die Beschuldigung zurückwiesen, in großem Stil Schmuggel
getrieben zu haben, inzwischen aber 5 Millionen Mark
zahlten, um die Zivilklage glücklich aus der Welt zu schaffen,
erklärten, wie die „B. Z. am Mittag" berichtet, dem Straf-
richter gegenüber sich als schuldig, systematisch den wert
von importierten Kun st gegen ständen zu gering
angegeben zu haben. Xi
Literatur
Deutsche Alxenzeitung. München, Schackstr. 6. Seit ;go;.
Letzte Nummer XI/z. Maiheft
Referent hatte in diesem Blatte („Geber und Nehmer
der Kunstbildung", X. Jahrg., Heft ;o vom 5. Dezember
2. t33) bereits auf die künstlerische Fruchtbarkeit
von Landesinteressen und auf die vorliegende Zeitschrift
als auf ein wertvolles Beispiel dafür aufmerksam gemacht.
Zunächst erfreut das Blatt durch feine sorgfältig aus-
geführten farbigen Originallithographien; Textbilder und
größere Landschaftsphotographien schließen sich an. Im
Laufe der Zeit kommen zahlreiche „alpine" Künstler zum
Wort; wir nennen Ad. Achleitner, R. Anheißer, E. T.
Lompton, A. Egger-Lienz, I. Engelhardt, A. Fricke, K.
Haider, M. Schmid, T. Stadler. Der Kenntnis solcher
Künstler dienen auch Aufsätze, wie „Das Neunerjahr in
der Kunst" (IX), „Die Alpen in der Kunst" sowie „Die
Alpen und ihre Maler" (X), endlich — von Ausstellungs-
berichten abgesehen — „Erzherzog Johann und die ober-
steierischen Trachtenbilder" usw. (XI). Besonders wertvoll
aber scheint dem Referenten das Bemühen, die vorhandenen
architektonischen Schönheiten darzulegen und zu ihrem Schutz
aufzurufen (auch durch ein Gegenbeispiel in dem Artikel
„Zum Untergang der Alpenstädte" (IXj). Ls handelt sich
dabei um Themata, wie „Der Zaun als Kulturzeuge",
„Schöne Brunnen" (IX), „Lrkerstudien in Tirol", „Das
Zillertaler Bauernhaus", „Die deutsche Bauernstube in
Tirol", „Die Glockenlaubentürme im Bernerland" (X). Der
lokalen Provenienz künstlerischer Leistungen und Ein-
wirkungen dienen Aufsätze, wie die ausführliche (und natür-
lich reichillustrierte) Abhandlung „Die Kulturarbeit des
Stiftes Linsiedeln" oder wie „Berühmte Tiroler Kunst-
stätten" (IX), „Gerber Hans, der Bildschnitzer von Medratz,
Stubai" und auch die eingehenden „Wanderungen im Ehiem-
seegebiet" (X). Dazu kommen noch spezielle Themata be-
sonders von psychologisch-ästhetischer Art, wie „Die Figur
im alpinen Bild" (X) und „Die Berge in der Phantasie"
(XI). Eine Entgleisung wie die Stelle in jenen „Wande-
rungen" (X/;;, S. 2?z), welche die mittelalterliche Plastik
nicht kennt und auch noch dem alten „Steinmetzenwahn"
huldigt, scheint in der vorliegenden Zeitschrift zu den Aus-
nahmen zu gehören. — Sowenig das Sujet ein Kunstwerk
gut oder schlecht macht, so fruchtbar ist doch für die Kunst
das intime Wurzeln in einem Kulturintereffe, das eben
nach anschaulichem Ausdruck strebt; und in diesem Sinne
mag für sie vom herrlichen großen Alpenland und von
seinen Förderern gerade in einer Zeit noch manches zu
holen sein, in der mit soviel Recht für eine heimatlich-
nationale Besinnung der Künstlerwelt eingetreten wird.
Or. Hans Schmidkunz-Berlin-Halensee. X!