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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Septemberheft
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Widmer, Johannes: Die moderne Malerei der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0017

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aller Art charakterisierte. Dem ihm zugemuteten
geistlichen uud dann dem Handwerkerstand entronnen,
aber genötigt, in Rom sein Leben zu verdienen, trat er
ziemlich zugleich in die päpstliche Schweizergarde und
in die Lukasakademie. Nun gärte es stark, und die
Regierung des Pontifex wankte. Aber der Gardist-
Künstler zeichnet mit Behagen die Wachtstube seines
Korps in helier Erregung, und zwischen die Krieger
mischen sich schöne, beredte Römerinnen! Eine
sprühende Zeichnung; ihr Autor entzog sich dem Wider-
spruch beizeiten durch die Flucht . . .

Und dann, auf Fahrten durch Frankreich, Belgien,
Englandj, Spanien, Marokko, die Vereinigten Staaten,
wieder Italien, Dalmatien, nochinals Nordafrika, ent-
wickelte sich mit Macht das ursprüngliche Ma'ltalent, das
in dem sichersten, geistreichen Zeichnen verankert
war. Das ist das Merkwürdige an Buchser: so rastlos
er war, so solid ist seine Kunst im Geist und im Hand-
werk; die raschen Studien, deren mehr als vierhundert
im Kupferstichkabinett des Basler Museums liegen. die
ausgereiften Gemälde, sie sind samt und sonders ebenso
sprühend im Ausdruck wie technisch wohlerhalten. Das
irdische Temperament Buchsers erstreckte sich auch auf
die Grundbedingungen dauerhafter Arbeit. Seine Wahl-
verwandtschaften waren, wesentlich vonseiten de.s
Kolorits und der Be'wegung aufgefaßt, Tizian, Rubens,
Velasquez, Murillo unter den Alten, unter den Zeit-
genossen Constable und Turner, dazu noch deren
unm'ittelbare Vorgänger und Antagonisten, die Gains-
borough, Reynolds, Lawrence, wegen ihrer berücken-
den Eleganz und Grandezza ohne Schwere; denn
Buchser, der sich ausgezeichnet auf den Verkehr mit
Schwarzen, Braunen und Roten verstand, war, sobald
er wieder ins europä'ische Leben eintauchte, der aus-
gesprochene Grandseigneur, und, was etwas bedeutet.
in den 1850er bis 1870er Jahren ein Liebling der briti-
schen aliten und der neuen nordamerikanischen Aristo-
kratie. Um den Begriff von seiner künstlerischen Art
noch zu vollenden: er läßt sich zwar mit keinem ein-
zigen Zeitgenossen unmittelbar vergleichen; seine
feurige Farbe ist aus der Verschmelzung jener freudig-
sten Renaissancemaler m'it Turner als modernem An-
reger entstanden, mit dem ihn sonst in der Bilderschei-
nung nichts verbindet; soll indessen verglichen werden,
so kommen nur Courbet und Manet in Frage, und zwar
als Parallelen, keineswegs als Beeinflusser; die einzel-
nen Licht- und Sfimmungsprobleme, namentlich die im
spanischen Beispiel verdichteten, hat Buchser schon
Jahre vor Manet verspürt und für sich gelöst. Einige
Entgleisungen ins Allegorische abgerechnet, war er der
unmittelbarste Maler Europas, „Realist“ im glücklich-
sten Sinne und dabei keineswegs Objektsklave oder
Nurkolorist. Fast alle Bilder durchiweht eln Hauch rei-
ner, heißer Beseelung, und wenn seinem Stil das Genre
se'iner Zeit nahelag, wie den genannten Franzosen auch,
so strahlen sie Direktheit aus, und sind des Entlehnten
der Vautier und Knaus bar.

Die Verschmel'zungskraft, die Buchser auszeichnet,
und in der Gegenstand, Stimmung, Farbe, Ton, Zeich-
nung, Charakterisfik so fest und froh ineinandergreifen,

Frank Buchser, Albanese auf der Lauer

bewährte sich vor allen noch so verschiedenen
Menischen und in allen Lagen. Ob er „Mutterglück in
Afrika“ malt oder das tragische Geschick des Generals
Suter, auf dessen Riesenfarm das erste kalifornische
Gold gefunden wurde, was den Besitzer zugrunde rich-
tete, in Form eines Bildnisses gestaltet, ob er den
Schweizers'enn in sein Unterwaldnerland hlnunter jode'ln
läßt, oder „Diamantina“, den letzten Liebesrausch sei-
nes Erdenwallens, an der Kiiste Korfus nachbildet und
vergöttert — doch ohne jede Feuerbachsche Forinel —:
immer ist das Gemälde ein geschlo'ssenes Ganzes aus
neuem Guss. Und noch habe ich, außer dem Porträt
des Generals Suter, noch keine Hauptwerke genannt,
die in die höchste Sphäre ragen: weder die Bildnisse
des bernischen Bürgerpaares W e 11 i - W a 1 k e r , noch
die der Generale des amerikanischen Sezessionskrieges,
L e e und Sherman ; weder die funkelnde „Studie
zu dem Bil'dnis der Miß S.“, noch den nordenglischen
Farmer zu Ross, der durch die Heide reitet. Aber daß
man nicht meine, Buchsers Bezirk sei vor'Wiegend auf
dasBildnis beschränkt: w'er in Europa malt in den 1860er
Jahren eine herrlichere Landschaft als die „Hazienda
in Virginien“ oder den „Waldrand“ in der Schweiz, und
wer übertrifft das andalusische „Hirtenidyll“ oder selbst
die nicht in allen Tellen gleichwertige, aber markige,
echtgoldene „Leonor'e im Bade“? Das sind alles Land-
schaften mit Staffage, wie sie auch den Franzosen von
damals am besten lagen. Aber die Studienmappen ber-
gen der reinen Landschaften genug: Das Land um den
Utahsee als Ur-Erlebnis der Welt im Morgengrauen;

li
 
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