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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Widmer, Johannes: Die moderne Malerei der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0020

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Cuno Amiet, Interieur, 1927

aber ü'ber die Säle- hinaus, in denen sich der jugendliche
Araiet auf den Bahnen Gauguins bewegt, nähert man
sich dem Anregerpaar Buchser-Hodler, so sieht man so-
fort, daß sie zur Ausgestältung der Künstlerfigur Amiet
ebenso dringlich und äußerst heilsam waren. In einem
gewissen Grade haben Hodler und Buchser gleichartig
auf Amiet gewirkt: erhaltend, der eine mehr m der Rich-
tung, daß er die geschlossene;, feste Malhaut als ewig
wünschbar erscheinen ließ, der andere dadurch, daß er
den jüngeren Mitstreiter nie um die Bedeutung der
Bedeutung, sozusagen, herumkommen ließ . . . Dabei
waren ja beide von Grund aus Neuerer. Als dann die
Flut des revolutionären Expressionismus sich ergoß,
stand Amiet gefestigt genug da, um sich an dem erreg-
ten Strand eine Kur des Ungestüms zu gestatten und
heil aus dem Chaos hervorzugehen.

A m i e t ist unter den Malern der Schweiz der
Unbedingten einer. Er ist Maler: Damit 'basta! Zum
Glück für ihn und uns ist er ein schöner, schönheitseliger
Mann, das ietztere mehr als er selber denkt. Wenn er
den Tod malt, blüht er. V'iele lieben Amiet mehr als
Staffeieimaler, und auch da meist in seinen kleineren
Bildern, welche der Devise zu fo'lgen scheinen: Ordnung
in der Ueppigkeit. Unter solchen Werken sind eine
stattliche Reihe von Gärten, dem eigenen und den
bäuerlichen seiner Nachbarn auf der Oschwand; Aus-
blicke auf Weide, Acker, Korn, Wald, Alpen; Garten-
szenen, von welchen mir die zuoberst steht, auf der

Amiet seine ailzeit tätige, freudige, kraftvolle Gattin, die
treue Hüterin seines Künstierlebens darstelit: in der
Sonnenglut unverdrossen, den Ankornmenden anstrah-
lend, und ihn aus gescheiten Augen im Lachen messend;
in der Linie so voller Schwung wie in der Farbe voll
Saft, und im Volumen, und im Seelischen des Volumens,
voll Kern. Bildnisse ohne Zahl, die einen im strengen
Sinn des Wortes, wie namentlich seine Selbstporträts
und die Porträts seiner Frau im Atelier; andere mehr
beschaulich, wie die des Kinderbüchermalers Kreidolf
oder des Museumsdirektors von Mandach; wieder an-
dere mehr anschaulich; letzte endlich ins Groß'bild mün-
dend, w'ie das elastisch-prächtige Mädchen in Weinrot
auf dem lichten Parkweg. Für meinen Teil bekenne ich,
daß mir die küeineren Bilder den größten maieri'schen
und intimsten seelischen Genuß bieten. Aber vor einer
Le'istung wie dem „Jungbrunnen“ im Kunsthaus Zürich
empfinde ich Achtung, vor gewissen freskenartigen
Gemälden wie dem „Entzücken“ Entzücken, vor der
Bilderfolge für die Aula des Neuen Gymnasiums in Bern
ruhige, besonnene, dankbare Sympathie. Irnmerhin,
das Sprühende im Starken, das Lebendige im Dekora-
tiven, das Reine im Tumult: das halte ich für Amiets
Marke und Bestimmung,; da liegt seine Schranke, da
aber auch sein übernationaler Wert. Es ist etwas,
wenn ein Maler den offenen Kunstfrohen zeitlebens
einen heitern, reichen, vegetationsstarken, im Grunde
immer weitherzig, aber mit Nachdruck geordneten Gar-
ten schafft, den er immer neu und selig macht. Es gibt
Maler, welche uns durch Einöden, Brandungen, Laster-
liöhlen, Narkosen, Labyrinthe leiten, lauter Dinge,
welche eine Wiederholung nicht vertragen . . . Amiet

Cuno Amiet, Frau Amiet und der Maler, 1923
Amiet-Ausstellung im Kunstmuseum Bern 1928

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