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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Septemberheft
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Widmer, Johannes: Die moderne Malerei der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0019

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steht Buri, was Zeichnung und Malerei anlangt, unge-
fähr auf dern Boden, auf dem Hodler in den 1880er
Jahren Bauern und Bauerngruppen schilderte; aber da
er d'ie Weit aus einem heiteren Gesichtswinkel ansah,
lichtete er die Stimmung, die Farbe, den Luftton, eins
nach dem andern auf und vergrößerte, als Nichtsymbo-
liker, als Frohrealist Buchserschen Gepräges, die Figu-
ren, den Sonnenraum um sie her, den Dekor.

B u r i ist ein glücklichcs Gegenstück zu dem Deut-
schen Lei bl. Was Leibl an eindringendem Stil vor-
aus hat, hat Buri, an Leibl gemessen, an Fruchtbarkeit

Holbeinisch-Altmeisterliche und Modern-Staffeleimäßige,
dem der geniale Le'ibl erlag. Das macht: die Schweiz
hat in solchen Dingen nicht nur durch Böckl'in, Buchser
und Hodler eine zuverlässige Tradition, die man frei-
lich im Ausland erst wenig kennt; sie hat die A n k e r ,
die D i e 11 e r , ja sogar, in den he'imatlichen Bildern,
die Leopold R o b e r t. Auch die K o 11 e r . die R i 11 -
m e y e r , ja die Konrad G r o b. Und sie hat das Un-
nachahmliche: die vererbte Nähe der Stände und
Bräuche, durch die endloses Mißverständnis zwischen
Modell, Maler, Kunstfreund ausgeschaltet ist.

Max Buri, Die beiden Freundinnen, 1911

zuvor, die dabei von einem beinah Leiblschen Gewissen
tiberprüft wurde. Kraft dieser Anlagen und Gesinnung
war es ihm vergönnt, im Zeitraum eines Jahrdutzends
mit wachsenden Gebilden, von welchen jedes leichte
Gunstbuhlen ausgeschlossen blieb, das Volkstum sciner
Umgebung und seines Herzens auszuschöpfen. Unver-
dorbenen Gemiites malte er, was das Volk bewegt, doch
malte er nur d'ie erlesenen Stunden, und so nehmen denn
auch seine Bilder samt und sonders eine zwar immer
neue, aber im Ganzen wiederkehrend ruhige, würdige
Haltung ein. Keines ist wie die Egger-Lienzischen,
kraftprotzend, keines sentimental wie die Defreggers.
Und da zeigt sich sein klarer Verstand: er nutzte das
Freskale Hodlers, aber fand sich nie bewogen, die ihm,
Buri, gezogenen Schranken zu durclrbrechen und ins
Universell-Monumentale abzuschwenken. Umgekehrt
betrachtet, rnied er die unselige Verstrickung ins

III.

Cuno A m i e t weilt unter den Lebenden, und wie
lebt er, wie rüstig ist seine Kraft, als ob sie der nunmehr
erreichten 60 Jahre spotten wollte! Ihm zu Ehren hat
das Berner Kunstmuseum alle seine Räume ihres
Sammlungsinhältes entklieidet. Mehr als 400 Gemälde
A m i e t s hängen da, wo man sonst Schweizerische
Spätgotiker, Schweizer Renaissancemaler, Schweizer
Barock und Rokoko, Schweizer Romantik und Realis-
mus des 19. Jahrhunderts und H o d 1 e r sieht.

In den Tagen, wo man in B a s e 1 (Kunsthalle)
einen großen Teil von Paul Gauguins maleriscliem
Lebenswerk ausgebreitet hat, ist die Beziehung Amiets
zu diesem Neutöner koloristisch-dekorativen Einschlags
besonders eintetichtend, und man legt sich auch darüber
Rechenschaft ab, daß sie noch nachwirkt, weil sie zeit-
lich und individuell notwendig war und ist. Geht man

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