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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Oktoberheft
DOI article:
Waldmann, Emil; Slevogt, Max [Honoree]: Max Slevogt: zum sechzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0062

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Kunstzentrum im zwanzigsten Jahrhundert! Man ver-
steht, daß in einer Zeit, wo um Richtungen und nicht um
Qualitäten gekämpft wurde, Slevogt abermals den An-
schluß verpaßte. Der Dreißigjährige war immer zu früh
und immer zu spät gekommen. In eine Epoclie hinein-
geboren mit seiner I.ehrzeit, in der es keine lebendige
Maltradition in Deutschland nrehr gab, war er mit den
Kräften seiner Seele der Yergangenheit doch so ver-
bunden, daß er ihr Fortsetzer sein wollte. Gleichzeitig
aber war das eigentlich Schöpferische seiner Kunst so
neu, daß es sich zu einer zukiirrftig kräftigen Tradition
noch nicht entwickeln ließ.

Wir alle haben miterlebt, wie Slevogts großes
genialisches Talent sich zur Einheitlichkeit gestaltete.
Aus dem Ueberschwang und der bedrängenden Fiille
seiner Gesichte fand er im Anfang des zwanzigsten

Werke ist, sondern daß dieses reichste und herrlichste
Dokument des deutschen Impressionismus von einem
Manne geschaffen ist, der, bewußt oder unbewußt, der
sich auflösenden impressionistischen Tendenz eine gauz
starke, an Rembrandt genährte zeichnerische Struktur
entgegensetzt.

Aeußerlich und kunstpolitisch genommen paßte das
wieder nicht in die Zeit, so wenig wie die damals, übri-
gens kaum bekannt gewordenen phantastischen Dinge,
die er der Auseinandersetzung mit Delacroix verdankt.
Denn als diese Aegyptenserie in der Dresdener Galerie
aufgehängt wurde, brach der Krieg aus und nach dem
Kriege wurde der Impressionismus als unehrlich ver-
dächtigt. Aber Slevogt hat doch wieder e-inmal recht
behalten. Wenn man, nachdem der Expressionismus
seine Prinzipien selbst ein wenig vergessen hat und

Slevogt, Löwin. 1901

Mit Qenehmigung des Verlages Bruno Cassirer, Berlin

Jahrhunderts den Ausweg. Als er eine zeitlung die
gedankliche Phantasie und das Illustrative in die
Graphik und die Zeichnung verbannte, mit den zum Teil
uoch in Miinchen entstandenen lllustrationen zum „Ali
Baba“, war der Illustrator Slevogt geboren. Der Maler
war freigeworden und nun entstand in seinen Bildern
eine Malerei von ganz re-iner Musik, ganz unbeschwert
von Erinnerungen an Altmeisterliches und an Atelier,
ganz unbehelligt von der Leidensclaft des Phantasie-
rens. Kein Jahrzehnt hat es ge-dauert, bis der Künstler
innerlich so reif und so s-icher war, daß er dann dies-e
beiden Ströme seiner Begabung wieder vereinigen
konnte. In dem Illustrationswerk des „Lcderstrumpf“
sieht man vor jedem Blatt, daß dies nur ein Maler, nur
ein Landschaftsma-ler, nur ein Impress-ionist -gezeichnet
liaben kann, ebenso wie m-an vor je-dem Biide seiner
Lan-dschaftsserie aus Aegypten fühlt, daß hier nicht ein
am Orient berauschter Impressionistenschiiler am

sich dadaruf besinnt, daß Bilder gemalt werden sollen,
sich heute- einmal mit den Leistungen der konsequen-
testen Expressionisten von damals befaßt, so wird man
m-it Ueberrasc-hung feststellen, daß die Besten unter
ihnen eine Weiterführung des -damals vou Slevogt Hin-
gestellten betreiben. Wer den heutigen Kokoschka
fragt, wird eine positive Antwort bekommen.

Fiir Slevogt selbst aber war dieses Problem längst
nicht mehr aktueil. Er war ein Wandmaler geworden.
Auch di-eses Kapitel ge-hört zu dem Unzeitgemäßen sci-
ues Charakters. Dachte man etwa in der Zeit -des
Weltkrieges an Wandmaler, so dachte man an Ferdi-
nand Ho-dler und Parallelen und Symmetrien, an Monu-
mentalitent un-d rechte Winkel. Slevogt aber h-atte
schon vor dem Kriege einen Pavillon mit Wandge-mäl-
den geschmiickt, ii-ber -die man alles sagen kann, nur das
eine nicht, -daß Wandmaler im zwanzigsten Jahrhundert

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