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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Oktoberheft
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Waldmann, Emil; Slevogt, Max [Honoree]: Max Slevogt: zum sechzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0063

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mit Hodler sieh auseinandersetzen miissen. Vielmehr
war der Stil der Randzeiehnuhgen, wie er sie dann zu
Mozarts „Zauberflöte“ erfand, monumcntal gewordcn,
in geheimnisvoller Weise, vermischt mit Erinnerungen
an Pompeji, wenu auch an ein Pompeji, das es nicht
gibt, sondern das man nur träumt.

Während der Zeit der Selbstbesinnung nach dem
Kriege hatte cs sicli herumgesprochen, daß Slevogt, der
in Wtirzburg, Tiepolos Stadt, zur Sclmle gegangen war,
sehr scliöne Wandgemälde in Privathäusern geschaffen
hatte, sowie in jenem Paviilon in Neu-('lado\v„ den der
einstma’lige Bcsitzer, Johannes Gutmann, dem Kron-
prinzen-Palais geschenkt hatte, nur nocli reicher, noch
phantasievoller, noch leuchtender und noch bunter. Man

mit ciner hinreißenden Gewalt seine innere Verwandt-
schaft mit Daumier und Goya enthüllt, eine Verwandt-
schaft, die ihm ganz von selbst in der heimlichen Seelen-
zwiesprache mit dem Dichter, dem er dienen wollte,
ahnungsvoll bewußt ward.

Dies ist das echte Zeichen des großen Künstlers:
Die Gabe des Verwandelnkönnens. Er verwandelt die
Natur und er verwandelt sicli selber. So wie er die
Wirklichkeit, die Außenseite der Welt in diesen seineu
Bildern vcrzauberte, schöner als sie bisher bekannt
war, so ist die Seele des Künstlers immer anders als
man sie sich bisher vorstellte. Aber immer ihr selber
treu. Der große Künstler ist der große Unzeitgemäße
und die 'l'reue an ihm selbcr empfindet der Beschauer

Slevost, Badehaus an der Havel. 1912
Atit Genehmigung dcs Verlages Bruno Cassirer, Berlin

liatte Hodler, den allein selig machenden, etwas ver-
gessen und war entschlossen, sich das dekorative Genie
dieses l'iepoloschiilers auch fiir die Oeffentlichkeit
dienstbar zu machen. Die Stadt Bremen bat den Ktinst-
ler, einen Saal im Bremer Ratskeiler mit Wandmale-
reien zu schmiicken, mit Bildern zu der unsterblichen
Novelle des Dichters Hauff, von den „Phantasien im
Bremer Ratskeller“. Man glaubte, dies wäre nun die
Steile und der Augenblick, wo Slevogt alles bisher auf
Wänden geleistete in einer unnachahmlichen Grazie
zusammenfassen und zu noch höherer Pracht steigern
würde. Aber Slevogt war innerlich schon wieder sei-
rier Zeit voraus und er schuf in diesen Bildern des
Bremer Ratskellers ein Werk, das mit Wiirzburg und
Pompeji nicht den leisesten Zusammenhang mehr hat,
Bilder von einer ganz neuen malerischen, wirklich maie-
rischen Monumentalität, Gemälde, in denen er plötzlich

niemals im ersten Augenblick, sondern erst nachher,
erst wenn er von seiner Begeisterung über die Schön-
heit sich berubigt und soviei Abstand gewonnen hat,
daß er das Ganze überschauen kann.

Sievogts Schaffen, an seinem sechzigsten Geburts-
tage betrachtet, ist ein Ganzes und eine große Harmo-
uie, ein Ganzes, dessen einzelne Tcile untereinander in
einem undurchdringiichen und undurchscliaubaren
Zusammenhang stehen.

Was Slevogt künftig schaffen wird, weiß man nicht.
Man weiß nur, daß es anders aussehen wird, als man
meinen möchte. Was er aber geschaffen hat, ist so
groß und so reich, daß man den Anlaß dieses Geburts-
tages benutzt, um ihm Dank zu sagen. Dank für die
Reichtümer, die er verschenkt lrat. Denn ohne Slevogts
Werk wüßten wir am Ende heute nicht, wie schön das
Leben und wie scliön die Welt ist.

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