Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Martin, Wilhelm: Die Holländische Ausstellung in London, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0308

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vor Rembrandts Bilderu stehend (Raum III und IV)
bedauert man es, daß die Mehrzahl aus Bildnissen und
Studienköpfen besteht, und daß der ursprüngliche Plan,
mehr großfigurige biblische D'arsteliungen zu bringen,
scheitern mußte an den Ablehnungen mehrerer Samrn-
lungen. Glücklicherweise ist die großartige Anbetung
der Könige aus dem Buckingham-Paiace anwesend
(Kat.-Nr. 91); ein Bild, was zu den erstaunlichsten
Schöpfungen dem Meisters gehört. Die große Zahl von
Bildnissen und anderen Köpfen hat den Vorteil, daß man
den Meister besser denn je auf diesen Punkt hin studie-
ren kann, und auch daß man seine Bildnis-Komposition,
namentlich hiusichtlich der Haltung und des Verhält-
nisscs zum Format, zur Umrahmung und zum Plasti-
schen, durch und durch kennen lernt. Wie genial er
hier italienische Eindrücke zu verarbeiten und zu trans-
ponieren verstand, wird auf diescr Ausstellung beson-
ders deutlich.

Einige Bilder, welche auf Rembrandts Namen
stehen, wurden von yerschiedenen Seiten als solche ab-
gesprochen, z. B. das große Bild dcs Königs von
Rumänien (Kat.-Nr. 97, Haman und Esther), die Rulie
auf der Flucht (Kat.-Nr. 141) und die Hl. Familie (Kat.-
Nr. 172), sowie auch der merkwürdige Christus der Slg.
Jules S. Bachc (Kat.-Nr. 127, Hofstede de Groot 114),
eiu Bild, vor dem der Eine schwärmt und welches der
Andere gleichviel als häßlich verwirft. Das letzt-
genannte Bild ist doch wohl ganz bestimmt vou Rem-
brandt? Von dem Lucas (Kat.-Nr. 85, Hofstede de
Groot 185) aus der Slg. Schwab, einem der meist be-
wundernswerten Kompositionen in Rot aus Rembrandts
letzter Zeit soll, wTic in Londoner Künstlerkreisen ver-
lautet, eine Kopie von Reynolds existieren, welche jener
angefertigt haben soll, als er diesen Rembrandt
(welcher aus seiner Nachlaß-Auktion stammt) erwor-
ben hattc. Einige Londoner Maler sagten mir, die Kopie
sei sehr lehrreich, da dieselbe in einigen Hinsichten vom
Original abweiche, namentlich in der Kopfbedeckung.
Hoffentlich findet sich diese Kopie einmal wieder.

Bezüglich der Datierungen sci bemerkt, daß die
Jahreszahl 1657 auf dem Edinburgher Bilde, „Hendrlckje
Stoffels im Bett“ (Kat.-Nr. 115) nicht ganz s'icher ist, da
die letzte Ziffer undeutlich und nicht mit Bestimmtheit
als eine „7“ zu lesen ist. Hingegen ist die letzte Ziffer
der Datierung 1625 des Bildes Nr. 136, „David bringt
Saul den Kopf des Goliath“ (Slg. Smidt van Gelder,
Hofstede de Groot 34) ganz bestimmt eine „5“, wie ich
sclion vor Jahren, als das Bild erst kurz entdeckt war,
bei gutem Licht feststellen konnte.

Bei den Bildern Jan Steens (Raurn V und VI) freut
man sich von neuem an der Vielseitigkeit des Meisters.
Interessant ist der Vergleich mit Mieris (Kat.-Nr. 196)
und auch lohnt es sich, die beiden Toilettenszenen (Kat.-
Nr. 178, Buckingham-Palace, und Kat.-Nr. 198, Slg. de
Bruyn) zu vergleichen. Daß Steen gelegentldch mit
einem Stcin bezeichnete, beweist von neuem das B'ild
mit dem Hahnengefecht (Kat.-Nr. 199, Slg. Bute), wo
der fehlende Namenszug durch einen Fälscher hinzu-
gemalt wurde. Ein kleiner charakteristischer Dou aus

der Cheltenham Municipal Art Gallery taucht da-
zwischen als Novum auf (Kat.-Nr. 189), nebeu einem
aucli erst vor kurzem bekannt gewordenen Ruisdael,
welcher zu des Meisters größtenteils stimmungsvollen
Schöpfungen gehört (Kat.-Nr. 190, Ansicht von Naarden,
Muiderberg und der Zuidersee, bez. und dat. 1647).

Di'e drei großen Bilder des Cuyp (Raum VII, Kat.-
Nr. 264, 265, 267) aus den Sammlungen Robarts, Roth-
schild (friiher Holford) und Duveen rufen die größte
Wirkung hervor, welche jemals eine Gruppe Cuyp-
scher Bilder erzielte. Das Holford’sche Bild würde bei
besserer Wiederherstellung und geschickter Umrah-
mung bestimmt noch gewinnen. Die Flecken in der
Mitte muß ein guter Restaurator beseitigen können. Das
Robarts’sche und das Duveen’sche Bild zeigen beide
dasselbe Schiff, nach dersel'ben Studie gemalt. Das erst-
genannte hat noch den schmutzigen Ton der Bilder,
so wie man sie in alten englischen Sammlungen an-
trifft; das Duveen’sche hingegen sieht nach vortreff-
licher Reinigung so frisch aus, als sei es gestern gemalt.
Es ist interessant, sich vor diesen Bildern zu orientieren
über die verschiedenen Ansichten von Sammlern,
Händlern und Galeriedirektoren mit Hinsicht auf die
Frage: „Reinigen oder nicht?“ Ehrwürdiger sieht das
Robarts’sche Bild allerdings aus. Wie alter Weiu aus
bestaubter Flasche.

Im selben Saale (Raum VII) stellt das Brüsseler
Museum das viel umstrittene Männerbildnis aus (Kat.-
Nr. 281), welches auf Wunsch der Museumsleitung als
„Vermeer oder Maes“ katalogisiert wurde. Soweit mir
bekannt, lrält niemand das Bild für Vermeer, viele (unter
denen auch ich) jedoch für Maes, namentlich nach Ver-
gleich mit dem herrlichen sogenannten Bildnls des Hein-
sius im sel'ben Raum (Kat.-Nr. 259, Slg. Innes).

Im Vermeer-Raum (Raum VIII), wo sich zu diesem
Meister so überherrliche de Hooch, de Witte und Metsu
gesellen, wird stilkritisch am meisten geredet über das
lachende Mädchen von Vermeer aus der Slg. Mellon
(Kat.-Nr. 317). Ich kann denjenigen, die die Augen und
das Lachen unschön finden, nicht ganz Unrecht geben.
Auch das Aremberg’sche Mädchenbildnis hat nicht das
berückende des Haager Exemplars. Aber an die Echt-
heit des Bildes, das heißt daran, daß Vermeer es gemalt
hat, zweifle ich keinen Moment, nachdem ich die Mal-
weise auf das sorgfältigste und wiederholt mit dem
Haager Bildnis verglichen habe. Auch wird das dem
Vermeer zugeschriebene Damenbildnis in Raum TX
(Kat.-Nr. 347, Slg. Edwards) bezweifelt. Jedoch halten,
wie der Katalog betont, bedeuteude Kenner wie Bode,
Hofstede de Groot und Friedländer dasselbc für echt.

Im Vermeer-Raum bot sich zum ersten Male die
Gelegenheit, das Glasgower Bild von Vermeer (Kat -
Nr. 310), darstellend „Christus mit Maria und Martha“,
zu vergleichen mit der „Diana und ihre Nymphen“ aus
dem Mauritshuis (Ausstellungskatalog Nr. 313). Der
schon vor etwa 25 Jahren von der Haager Galerie-
Direktion eingenommene Standpunkt, daß beide Bilder
von derselben Hand sind und daher die Diana dem
Delfter Vermeer zugeschrieben werden muß, kann jetzt

302
 
Annotationen