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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Märzheft
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Martin, Wilhelm: Die Holländische Ausstellung in London, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0309

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allseitig kontrolliert werden und findet allerseits Bei-
stimmurikr. Ein Genuß war es, den Strafford’schen Pieter
de Hooch (Nr. 311), einen Delfter Hof darstellend und
1658 datiert, hier ausgestellt zu sehen. Das Bild ist zwar
nicht, wic der Katalog meint, das Gegenstück des Hofcs
in der National Gallery in London, jedoch eine ganz ähn-
liche, offenbar zur selben Zeit gernalte Komposition. Auf
dem Crawford’schen Pieter de Hooch (Nr. 319) ist, wie
der Katalog richtig bemerkt, eine männliche Figur vom
Künstler übermalt. Dies geht nicht hervor aus der
Replik in der Slg. Mellon in Washington, sondern auch
daraus, daß der Künstler die dem verschwundenen
Herrn gehörige Tonpfeife auf dem Tisch hat liegen
lassen.

Eiu hübscher, noch niemals ausgestellter und bisher
nur von Mme. Briere-Misme erwähnter de Hooch, ein
holländisches Gärtchen darstellend, gleichfälls uim 1655
bis 1658 gemalt, überrascht uns im Raum IX. Das Bild
hängt neben Pieter de Hoöchs „Schildwache“ aus dem
Palazzo Corsini in Rom (Ausstellungskatalog Nr. 326),
welches Bild als „de Hooch zugeschrieben“ ausgestellt
ist, weil neuerdings von 0. Benesch (Belvedere XF,
1928) und anderen die Autorschaft de Hoochs ange-
zweifelt worden ist. Ich wüßte nicht, wo der Unter-
schied liegt zwischen diesem Pieter dc Hooch und an-
deren bcglaubigten Frühbildern des Meisters und
schließe mich ganz der Meinung des Dr. Bredius (Bel-
vedere XIII. 1928) an, welcher das Bild nach wie vor
fiir de Hooch in Anspruch nimmt.

Eüie harte Nuß ist das Brustbild, welches Rem-
brandt mit einem Baret auf dem Kopf vor weißem Hin-
tergrund darstellt (aus dem Lelpziger Museum, Ausstel-
lungskatalog-Nr. 345). In Leipzig lieißt es Rembrandt,
auf der Ausstellung ist cs „Rembrändt zugeschrieben“
mit der Bemerkung, daß verschiedene holländische
„authorities“ es dem Carel Fabritius zuschreiben. Ich
möchte mich dieser Mcinung nur insoferu anschließen,
als auch ich das Bild nicht für Rembrandt haltc. Aber
einen Autornamen wüßte icli bis jetzt nicht vorzuschla-
gen. Die belegten Werke des Carcl Fabritius (derselbe
Raum enthä't deren noch drei) sind jedenfalls nicht

ganz so gemalt. Für die ziemlich große Räuber-
szene, welche das Mittelstiick dieses Raumes bildet und
von Herrn M. de Gelder aus Ucele eingesandt wurde
(Kat.-Nr. 330), weiß niemand den Autor mit Bestimmt-
heit zu nennen. Es gehört jedoch — falls es hollän-
disch ist und nicht spanisch — jedenfalls in den
Fabritius-Kreis, koloi istisch am meisten zu Barent,
dessen Vorliebe für lachsrote 'l'öne gegen grau wir liier
(und niemals bei Carel) antreffen. Dem Barent schreibt
der Katalog (Nr. 340) versuchsweise das bekannte Bild
aus dem Ferdinandeum in Innsbruck zu, welches Tobias
Lind Frau mit dcr Ziegc unter einer Laube darsteilt und
bis jetzt allgemein als Carel Fabritius galt. Dies stimmt
m. E. nicht, aber für Carel ist das Bild etwas zu ruhig
und zu glatt. Die neue Zuschreibung hat den Vorteil,
daß diesclbe das Bild von Neuem der Stilkritik als
Problem übergibt.

Wir wolleu hier niclit viele weitere Bemerkungen
machen, da diese Zeilen mehr anregend als kritisch wir-
ken sollen. Zum Schluß sei noch auf das im anschließen-
den „Lecture Room“ ausgestellte große Bild von Frans
Hals (Nr. 369) hingewiesen, welches Hofstede de Groot
kürzlich entdeckte. Das mit dem Monogramm bezeich-
nete Bild, welches dem Viscount Boyne gehört, ist auf
Leinewand gemalt und mißt 153 X 164(4 Zentimeter.
Es stelit eine Familie im Freien dar, Vater und Mutter
mit sieben Kindcrn. Die Gruppierung ist etwas steif,
die Malweise als Ganzes ziemlich kompakt. Jedoch
sind so zahlreiche flott gemalte und geistreiche Details
aufzuweisen, daß rnan kaum an einen anderen Meister
denken köntite. Nach der Technik und den Trachten
ist das Bild um 1610 bis 1615 entstanden, und ist also
vermutlich älter als das früheste sichere Bild von Hals:
das Schützenmahl von 16161m Haarleiner Museum. Ein
entgültiges Urteil läßt sich crst nach einer Reinigung
des Bildes, welche demnächst stattfmden soll,
feststellen.

Die Ausstellung dauerte bis zum 9. März und wurde
von annähernd 200 000 Personen besucht. Es ist dics
die größte Besucherzahl, welche jemals eine Sonder-
ausstellung in Burlington House aufzcigen konnte.

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