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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Juliheft
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Tietze, Hans: Das Museum in Grenoble
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0498

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Jacob Riohier, Biiste von Lesdiguieres, Bronze

unerreichbar und Amerika ist weit, es gribt in Europa
keine öffentliche Sammlung, die Werke dieses ftir die
neuere Malerei so wichtigen Anregers und Bahnbrechers
in ähnlich bedeutender Zahl und Qualität besäße. Uud
diese Lücke wird bei der Art und Weise, wie sich der
Kunstmarkt der Bilder Matisses bemächtigt hat — sein
Kontrakt mit Amerika ist bekanntlich das arabische
Märchen der heutigen Kiinstler — wohl auch in Zukunft
kaum mehr schließen lassen. Grenoble hat bei ihm —
und bei manchen seiner Weggenossen — einen kaum
einzuholenden Vorsprung gewonnen.

Damit ist aucli eine wirtschaftliche Frage berührt,
die mit dem ganzen Komplex des Sammelns moderner
Kunst eng zusammenhängt. De.r Museumsdirektor ist
nicht nur ein Anwalt ideellcr, sondern auch ein Verwal-
ter materieller Interessen; seine Sammeltätigkeit hat der
Oeffentlichkeit nicht nur geistige, sondern auch wirt-
schaftliche Werte zu sichern. Die sprunghafte Preis-
bildung moderner Werke schafft hier eine besondcre
Verantwortlichkeit; der Museumsdirektor soll die ihm
anvertrauten Mittel auch finanziell gut angelegt haben,
er muß in Werten, deren Ueberschätzung man ihm vor-
hält, deren weitere Preissteigerung er nicht absehen
kann, für die Allgemeinhcit spekulieren. Das Experi-
ment Herrn Andry-Farcys ist zufällig vor kurzem über-
prüft worden; er hat in den neun Jahren seiner Tätig-

keit in Grenoble 118 000 francs ausgegeben, der Wert
der von ihm erworbenen Werke ist von kaufmännischer
Seite bei größter Vorsicht auf 4 700 000 francs veran-
schlagt worden; d h. Grenoble hat außer dein Vorteil,
das einzige moderne Kunstmuseum in Frankreich zu be-
sitzen, auch noch die Genugtuung, daß das angelegte
Vermögen sich in kiirzester Zeit vervielfacht hat.

Für den deutschen Kunstforscher bietet das Museum
außer durch seine allgemeine Bedeutung auch nocli
durch einige bisher versprengte ältere deutsche Bilder
ein besonderes Interesse. Unter dem Namen Cranach's
geht eine eher mederländische Juditli, unter dem Namen
„vlämische Schule“ die von J. Mtiller gestochene
Allegorie der drei Kiinste von B. Spranger; ein dem
Pencz zugeschriebenes Frauenbildnis liarrt noch nähe-
rer Untersuchung. Namenlos ist vorläufig eine Holz-
tafel (55 mal 62) mit der Darstellung der drei Apostel
Simon, Judas und Matthaeus in Halbfiguren unter einer
goldfarbigen Blattrankenrahmung; unten stehen Teile
des apostolischen Glaubensbekenntnisses (d'ie in der
Photographie fortgelassen wurden). Schon daraus er-
gibt sich, daß diese Tafel nur ein Bruchstück einer einst

J. A. Houdoti, Büste von Barnave, Terrakotta

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