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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 40
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0165

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Mittwoch, 7. April 1869.

>0. 40.

Dritter Jahrgang«

Preis: H.jührlieb ckölr.
per Post bezogen 56 kr.
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Die Boten erhalten
2 kr. monatlich..
für die DcMe Schwetzingen und PHilippsbnrg.
Verkündignngsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Hrgsrr der badischen Kopfenprodncenten
(unter Kontrole der landioirthschaftlichcn Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).

Erscheint Sonntag,
Mittwoch und
Freitag.
Alle Postanstalten und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.


H Eiserrbahnprojekte.
i.
Der Plan zum Bau einer Heidelberg-
Speiercr Bahn via. Schwetzingen, der
ohnehin kaum zur völligen Reife gediehen zu sein
scheint, schwebte jüngst in Gefahr durch ein an-
derweitiges Projekt völlig verdrängt oder doch lahm
gelegt zu werden und ist es nur der plötzlich er-
wachten Energie des Heidelberger Komitee's zuzu-
schreiben, daß die Angelegenheit wieder ins richtige
Fahrwasser gebracht wurde.
Die Pfalz und namentlich Speier suchen neben
der Verbindung die sie mit Baden über Mann-
heim unterhalten unbedingt noch einen weitern
Anschluß zu gewinnen, wobei es dem pfälzischen
Ausschüsse ziemlich gleichgültig zu sein scheint, welche
Richtung die zu erbauende Linie auf badischem
Gebiete nimmt.
In Folge dessen wußte Wicsloch im Einver-
ständnis; mit den dabei betheiligten Orten das
Speierer Komitee für den Plan einer Speier-
Wiesloch-Meckeshcimer Bahn zu interessiren und der
Sache durch eine weit größere Rührigkeit als solche
von .Heidelberg aus entwickelt wurde, einige Aus-
sicht auf Erfolg zu verschaffen. Eine zum Zwecke
gegenseitiger Verständigung abgehaltene Versamm-
lung in Reilingen, die von Wiesloch und Speier
beschickt war, schien das Unternehmen völlig außer
Zweifel zu stellen. Jetzt aber fand es das Heidel-
berger Komitee für gerathen, aus seiner beschau-
lichen Ruhe heraus zu treten, und sich für das
ältere Projekt einer Heidelberg-Spcierer Linie ins
Zeug zu legen.
Um dem Schwanken, ob Heidelberg? ob Wies-
loch ? ein Ende zu machen, und ein cinmüthiges
Handeln wieder herzustellen, verfügten sich die Hei-
delberger Ausschußmitglieder nach Speier, wo es
denn auch ihren Vorstellungen gelang, das Speierer


Komitee wieder vollständig für das halb und halb
aufgegebene Projekt zu gewinnen in Folge dessen
der Beschluß gefaßt wurde: in e r st e r R eihe
gemeinsam für die Verbind u n g mit
Heidelberg zu wirken und überhaupt von
jetzt ab einen regen Verkehr zwischen den beiden
Komite's zu unterhalten!
Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Heidelber-
ger Ausschuß zum Theil selbst die Schuld trägt,
wenn ein anderes Projekt inzwischen auftauchen,
und — wenn auch nur auf einen Moment —
immerhin den ültern Plan verdrängen konnte.
Freilich handelt es sich jetzt darum, den Beschlüssen
nunmehr auch die That folgen zu lassen!
In einem weitern Anssatze werden wir die
beiden Projekte Speier-Wiesloch und Speier-Hei-
delberg einander vergleichend gegenüber halten.
Tagesüberftcht.
Schwetzingen, 5. April.
Der Inhalt eines pariser Telegramms der N.
F. Presse, welches gerüchtweise mittheilt, Preußen
habe den süddeutschen Staaten die Schutz- und
Trntzbündnisse gekündigt, wird sowohl von München
als Karlsruhe aus als eine tendenziöse Erfindung
bezeichnet.
Wien ist seit einiger Zeit der Schauplatz un-
erhörter Börsenschwindeleien. Banken schießen wie
Pilze aus der Erde. Aktien von Unternehmungen,
die nur auf dem Papiere bestehen, werden in Kurs
gesetzt, kurzum eine wahre Sündfluth Werthlaser
Schwindelpapiere überschwemmt die Börse, so daß sich
selbst die Regierung genöthigt sieht, ein Gesetz ein-
zubringen, welches diesem Treiben Schranken setzen
soll. Am Besten illustrirt folgendes Witzwort ei-
nes Wiener Banqnier die Vorgänge im Börsenlokale:
„Ich gehe aus einen Augenblick hinaus; wenn in-
zwischen eine neue Bank gegründet werben sollte,
so rufen Sie mich."


Aeuöele 6 t.
Novelle von Hermann U h d e.
(Fortsetzung.)
— — Monate, Jahre rollten dahin, — in dem Zu-
stand des beklagenswcrthcn Ferdinand trat keine Veränderung
ein! — Wir hatten fast ganz Europa durchzogen, wir hatten
den Orient besucht — die Nacht seines Wahnsinns war
nicht gelichtet. Am Fuße des Sinai, am Oelbcrge, am
todten Meere — wie am Kattegat und in Stockholm —
überall hatte er geheime Agenten seiner Frau zu entdecken
geglaubt. Kaum hatten wir irgendwo ein gastlich Dach
gefunden, so drängte er auch schon wieder zum Aufbruch,
— rastloses Wandern, ruheloses, unstätcs Umherirren allein
vermochte ihn — einen zweiten Ahasver — bei einigem
Gleichmuth zu erhalten.
Bisweilen fragte ich ihn: Wie kannst Tu Dir aber
nur einredcn, Ferdinand, daß ein so sanftes, liebes Geschöpf
wie Deine Gattin, welche Dich so zärtlich und aufopfernd
liebt, Deinen Tod wollen kann — wie kannst Du wäbnen,
sie laste Dich erbittert und rachsüchtig verfolgen?
Das nennst Du einen Wahn? rief er dann erregt aus.
Ich glaube, Dein Verstand hat gelitten, Eduard. Kann

eine Mutter dem Mörder ihres Kindes verzeihen? Kann
sic mich anschaucn, ohne daß unseres Bruno blutiger Schat-
ten vor ihren entsetzten Blicken auftaucht?
In solchen Augenblicken verfluchte er sich und sein Ge-
schick, verwünschte die Stunde seiner Geburt und lästerte
Gott, während dessen Vatergüte sichtbar für ihn thütig war.
Ich müßte lügen, wenn ich es in Abrede stellen wollte,
daß die Last der schweren Verpflichtung, welche ich auf mich
genommen, nicht manchmal gedroht Hütte, mich zu Boden
zu drücken. Glaube mir. mein Freund — cs war eine
furchtbare, eine entsetzliche Last, — oft bangte mir, zer-
schmettert von ihrer Wucht, unter ihr zusammen zu brechen.
Es gibt Nichts, waS der Folter vergleichbar wäre, sich Jahre
lang Tag und Nacht an einen Irrsinnigen gekettet zu wissen,
und ich hatte in der That Momente, wo ich mich, wie Fer-
dinand, schaudernd selbst hätte fragen mögen, ob mein Ver-
stand nicht gelitten habe; ja noch heut zu Tage bin ich der
festen Ansicht, daß der Wahnwitz eine Krankheit ist, welche
auf die Dauer entschieden ansteckend wirkt.
In diesem Drangsal waren mir die aus der Hcimath
einlaufenden Briefe der einzige Trost. Sie richteten mich
auf, sic erfüllten meine Brust mit neuem Muthc, wenn
niein Herz zu brechen drohte. Diejenigen von der Gräfin
waren allerdings noch oft mit bangen Ahnungen ungefüllt,

Einer jüngst in, franz. gesetzgebenden Körpcw
gepflogenen Verhandlung zufolge/ welche die Wahl-
korrnplion zur Sprache brachte, scheint die Regierung
mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß ihre Wahl-
kandidaten durchgcdrückt werden und läßt zu die-
sem Zwecke den Gemeinden durch ihre Präfekten
Versprechungen aller An machen, Eisenbahnen,
Wege- und Kanalbauten in Aussicht stellen!
Die zusammengesetzte Commission, welche die
französisch-belgische Eisenbahnaugelegenheit zu schlich-
ten hat, wird ihre Verhandlungen nunmehr begin-
nen und zweifelt man nicht, daß Alles auf gütli-
chem Wege geordnet werden wird.
Genf, der nusgesetzteste Punkt für die Experi-
mente der internationalen Socialdemokraten befin-
det sich hinsichtlich der Arbeiterfrage in der Klemme.
Eine Adresse an die Genfer Negierung, von 4000
Bürgern unterzeichnet, verlangt, daß dem terrori-
stischen Treiben der „Internationalen" gegenüber
eine festere Haltung eingenommen werde.
Unsere Verkehrsverhültnisse zum Anslande er-
weitern sich inehr und mehr. Einem Postvertrage
mit Italien, an welchem auch die übrigen südd.
Staaten im Vereine mit dem nordd. Bunde par-
ticipiren, folgte in den jüngsten Tagen auch ein
Postvertragsabschluß mit Schweden.
Baden.
Schwetzingen, 4. April. Unsere regie-
rungsfeindlichen Blätter machten jüngst die eigen-
thümliche Beobachtung, daß die Zahl der Straf-
gefangenen unseres Landes dieselbe Höhe wie in
den Jahren 1847 und 1849 erreicht habe.
Einmal ist diese Behauptung eine völlig unbe-
gründete , unwahre und dann — was soll mit
diesem Hinweis auf jene Zeitperiode gesagt sein?
Will man damit vielleicht den Gedanken nahe le-
gen, als wäre dieser Umstand ein Vorzeichen der
Wiederkehr einer „Sturm- und Drangperiode", oder

allein durch die Nacht des Kummers brachen doch jetzt bis-
weiten schon die Strahlen der glücklichsten Hoffnung, Erqui-
ckung und neues Leben spendend.
Drei Jahre waren jetzt vergangen, seitdem wir unsere
Hcimath verlassen, — ein Jahr noch und wir wollten das
Letzte, Aeußerste versuchen, ein Jahr noch, und Ferdinand
war vielleicht gerettet.
Wir hatten jetzt endlich in einem kleinen Dörfchen des
mittäglichen Frankreichs ein friedliches Asyl gefunden, so
daß diese letzte Zeit zwar etwas weniger unstät verfloß, als
die vergangenen Tage, aber darum nicht minder qualvoll.
Ferdinand war nämlich rn eine Art von dumpfer
Schwermuth gefallen; die Angst vor vermeintlicher Verfol-
gung hatte ihn allerdings verlassen, allein sein Wahnsinn
war darum vielleicht noch grauenhafter als vordem.
Tage, Wochen lang saß er starr und stier vor sich
hinblickend, ohne ein Wort zu sprechen, und nur ganz me-
chanisch die gewöhnlichsten dringendsten Bedürfnisse des Lebens
stillend.
Wenn ich es versuchte, ihn aus diesem Zustande der
Lethargie cmporzurütteln, wenn ich ihn anredcte, so sah er
mich mit glanzlosen, erloschenen Augen ganz zerstreut an,
und gab wehmüthig lächelnd auf alle Fragen immer wieder
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