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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 45
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0185

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Sonntag, 18. April 1869. >0. 45. Dritter Jahrgang.

für -ie Pein Ke Fchwclniifl en und Philippsknrg.
Berkündiguttgsbsatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Grgan der kindischen Aopfenproducenten
(unter Kontrolle der lundwi rt b schuf t l iche n Bczi r k sdi rekt i o u Schivetzi ugen stehend).
> Tagesttberficht.
Schwetzingen, 16. April.
Im nordd. Reichstag beabsichtigen die Nutio-
nalliberalen samint einem namhaften Theil der
Frcikonservutiven am Anträge TwesteuS, die Ein-
führung verantwortlicher BnndeSministerien betr.
festznhalten.
Während man in Deutschland neuen Steuer-
objekten nachspürt, ist daS englische Finanzministe-
rium in der Lage eine Verminderung und selbst
die Abschaffung verschiedener Steuern Vorschlägen
zu können.
Kaiser Napoleon hat ein Schreiben an den
Staatsminister Rouber gerichtet, worin er vor-
schtügt, alltäglich des 100jährigen Geburtstags
seines großen Onkels die Pensionen der Invaliden
au-S den Zeiten der ersten Repnbik und des Kai-
serreichs zu erhöben. Die Zahl der noch lebenden
Bezugsberechtigten beträgt etwa 40,000.
Die Kaiserin Eugenie ergibt sich, wie eS scheint,
mehr und mehr einer frommen Schwärmerei, sie
äußert die Absicht eine Pilgerfahrt nach Jerusalem
anzutretcn, doch der Kaiser, welcher realistischeren
kaum Obdach in der Siebenhügelstadt finden
konnte.
Auch in Florenz wurde das Priesterjnbiläum
Pins IX. festlich begangen.
Die klerikale Partei Spaniens hat in der ge-
setzgebenden Versammlung den Antrag gestellt, die
katholische Religion mit Ausschluß jeder andern
als Staatsreligion anznerkcnnen.
Unterstützt wird der Antrag durch eine Monsire-
petilion, welche auf mehreren Wagen nach dem
Kortespalaste verbracht wurde. Die Schriftstücke
wogen nicht weniger als 10 Ctr. Ob diese „ins
Geivicht fallenden Argumente" den Ansschlag geben
werden, ist noch ziemlich unsicher.
Hecker und Brentano sollen die Absicht haben
demnächst der alten Heimath einen Besuch abzu-
statten. — Die beiden VolkSmünner werden sich
nicht wenig wundern, wenn sie sehen, was „sich"
heut zu Tage in Deutschland „Volkspartei" nennt.
In Lahr tagte jüngst der Ausschuß badischer
Feuerwehren Gegenstand der Besprechung war die
Gründung einer Unterstntznngskasse für verun-
glückte Feuerwehrmänner.
.„denn dort wußte man im Anfang der
„fünfziger Jahre, wo eine allgemeine Lauheit
„für das Unterriehtswesen eiugetreten war, nichts
„Besseres zn thnn, als ans finanziellen Rück-
sichten die höhere Bürgerschule aufzuheben und
„in eine erweiterte Volksschule umzuwaudeln.
„Tie Zeit und die Erfahrungen haben nun die-
sen wunden Fleck geheilt und die Leute belehrt,
„daß hier am Unrechten Ort gespart ist, und
„wer den Zweck erreichen will, vor den Mitteln
„nicht znrücksehreekeil darf."
Wir unterlassen nicht unsere Leser von dieser
erfreulichen Anerlennniig, die sowohl der hier be-
sprochenen Anstalt als unserer Stadt zur Ehre
gereicht, in Kenntnis; zu setzen.
? Philippsburg, 16. April. Ans Ihrem
Blatte erfahren wir, das; dieser Tage ein Komitee
wegen Erbauung einer Eisenbahn von Speier
über Schwitzingen nach Heidelberg in Speier tagte.
Die Nheinthalbahn Mannheim-Karlsruhe ist zudem
bereits in der Ausführung begriffen, eS ist also
sehr wahrscheinlich, das; Schwetzingen sogar einen.
Krenzungspnnkt erhalten wird.
Mißgunst ist zwar eine Untugend; allein wer
da weiß, in welcher Weise die hiesige Gemeinde-
behörde seiner Zeit für die Erbauung der fraglichen
Rheinthatbahii nach besten Kräften rührig war, ohne
mehr zu erreichen, als das Bewußtsein in sich zn
tragen, der Mohr habe seine Schuldigkeit gethan;
wer ferner die vielen, höheren Orts unseren Ab-
ordnungen gemachten Zusagen der Zugsrichtung
über Philippsbnrg kennt; wer all' dieses berück-
sichtigt, wird es begreiflich finden, daß wir nur
mit den Gefühlen eines sicher zu entschuldigende:»
Neides auf unsere Nachbarstadt Schwetzingen blicken
können. Gehen doch Schwetzingen die kühnsten
Wünsche in Erfüllung und — wie stiefmütterlich
wird dagegen Philippsburg behandelt!
Die höheren Rücksichten, welche von der, etwa
Anschauungen huldigt, legt sein Veto gegen einen
solchen abenteuerlichen Zug ein. Guter Gott, wie
mag die arme Frau sich langweilen, um auf
solche Ideen Versalien zu können!
Frankreich scheint Rom als eine ausschließlich
französische Domäne zu betrachten. Einem Ge-
rücht zufolge hat es Italien und Oesterreich den
Vorschlag gemacht, während der Dauer des Kon-
zils eine gemischte Besatzung in Rom zu unter-
halten. Nicht übel! Und wenn das Konzil vor-
über ist, dann schnüren die Italiener und Oester-
reicher wohl wieder den Bündel und räumen
Frankreich das Fcld d!
Die päpstliche Sekundiztcier führte in Nom
eine ungeheure Menschenmenge zusammen, welche
Baden.
* Schwetzingen, 16. April. Das uner-
wartet rasche Emporblühen unserer Höheren
Bürgerschule zieht selbst die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich.
Auch der unserem Blatte befreundete „Hochberger
B»te", welcher in Emmendingen erscheint nimmt
Veranlassung auf diese unsere Anstalt und die hier
beabsichtigte Errichtung einer weitern Unterrichsklasse
hinzuweisen und die Mahnung an die dortige
Bürgerschaft zu richten, dem Beispiele Schwetzingens
zu folgen.
Ueberhanpt scheint genanntes Blatt mit unfern
früheren Schnlverhältiiisscn bekannt zu sein, in-
dem es von unserer Stadt sagt:
Acu belebt.
Novelle von Hermann U h d c.
(Fortsetzung.)
Ja — ja — die Flinte Eduards! kreischte entsetzt der
unglückliche Ferdinand, welchen mit der Erinnerung an das
Dorgcfallcne auch der Wahnsinn wieder beschlich — ich
nahm die Flinte Eduards, Bruno stand nur zwanzig
Schritte von mir entsernt . . . durch eine rasche Bewegung
ging der unheilvolle Schuh los ... und — —
lind der Herr Graf sanken zu Boden! siel ruhig der
Arzt ein, wie von einem Blitzstrahl getroffen. Ja, ja —
das sind die Folgen, wenn man beim Dessert zu viel von
dem schweren und feurigen llngarwcin trinkt!
Und wenn man seiner Gattin ungehorsam ist! fügte
Klementine zauberhaft lächelnd hinzu. Du siehst, der liebe
Gott hat Dich dafür gestraft!
Aber darauf . . . was geschah darauf? fragte Ferdinand
mit zitternder Stimme, indem er sich den Schweig nbtrock-
ncte, welcher in Hellen Perlen auf seiner Stirn erglänzte.
Nun, was geschehen muhte! antwortete der Doktor.
Sie wurden auf cincr Bahre hierher tranSportirt, — Sic
können sich leicht die angenehme Ueberraschnng denken, welche
das aus diesen Engel von einer kleinen Frau hcrvvrbrachte!
Wenig Stunden vorher verließen sie das Schloß frisch und
gesund, und nun rangen sic fast mit dein Tode! — Zum
Glück kam ich früh genug, um dem abscheulichen Sensen-
mann seine schon fast gewisse Beute streitig zu machen; —
denn, um offen zu sein: ich hielt Sie für rettungslos ver-
loren. — Sic wissen wohl nicht, junger Freund, was cs
für ciac vollblütige Constitution heißt, zuviel llngarwcin
zu trinken? — Ich sage Ihnen, mein Bester, feuriges Ge-
tränk ist nahezu Wahnsinn auf Flaschen gezogen! — Am
andern Tage hatten Sie ein heftiges Fi ber und gefielen
sich in den allcrseltsamsten und bizarrsten Phantasiecn, welche
das Gehirn eines Menschen jemals hcrvorgcbracht hat. Nein,
was haben Sic znsammcngcschwatzt . . . heiliger Aesculap
— cs ist nicht zu sagen! — Ihr Geist ging immer im
Galopp, er machte wahrhaft affenartige Sprünge! Sic er-
zählten uns das sinnloseste Zeug! — Können Sie sich wohl
auf einige dieser Visionen besinnen?
O — Sic waren schrecklich . . . schrecklich! brach Fer-
dinand aus. Sic verbrannten mein Gehirn und verzehrten
das Mark in meinen Knochen!
Ja, mein Freund, fuhr der Doktor fort: schrecklich ge-
nug war die Geschichte allerdings, aber nun, da Alles glück-
lich Überstunden ist, kommt sie uns doch lediglich abgeschmackt
vor. Betrachten Sie nur einmal diesen kleinen Blondkopf
hier — den reizenden Schelm, den Bruno — sieht der
herzige Junge wohl nnS, als hätte er einige Loth Blei zu
viel in seiner fröhlichen kleinen Brust? Und hier dieses
liebliche, holde Weib, diese getreue und vortreffliche Gattin,
macht sie wohl den Eindruck cincr rachsüchtigen Furie, welche
daS Haupt ihres ihr über Alles theurcn Gemahls dem Hen-
ker z» überliefern Willens ist?
Ferdinands Mienen hellten sich sichtbarlich aus — die
Wahnbilder und die düsteren Phantasiecn, welche ihn so
lange verfolgt hatten, wichen von ihm — das blutige Ge-
spenst der Wirklichkeit mit sich hinwegführcnd. Er breitete
seine Arme aus, seine Gemahlin und sein Kind zn umfangen
und Beide fest an sein Herz pressend, überfluthete er sie mit
einem Strome von Thränen, um sic nimmer wieder von
sich zn lassen.
Hier trat ich cin. — Ich hatte mir soeben den dichten
Vollbart nbschnciden lassen, der mir während jener unheil-
vollen Zeit gewachsen war, und welcher mir das Ansehen
eines italienischen Banditen gegeben. — Durch diese Ver-
änderung meines äußeren Menschen erschien ich um vier
Jahre jünger; dazu hatte ich mich genau so gekleidet, als
an jenem verhängnißvollcn Jagdtage.
(Fortsetzung folgt.)
 
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