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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 98
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0397

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Sonntag, 22. August 1869.

Xo. 98.

Dritter Jahrgang.


Amts-Merkündigungsölatt für den Wezirk Schwetzingen.
Badische H npsenfeitung.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postanstaltcn und Boten nehmen Bestellungen an. — P r c i s vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespattene Petitzcile oder deren Raum 3 kr.

Deutschland.
Dresden, 18. Aug. Seit vorgestern sind
im „Segengottesschacht" wieder mehrere Leichen
unter den Brüchen vorgesunden worden, so daß
die Gesammtzahl nun 257 betrügt. Laut dem Werks-
verzeichnisse werden nur noch 13 Verunglückte unter
den Trümmern auszusinden sein. Da möglicher Weise
die Befürchtung auftreten könnte, daß einige der Ver-
unglückten nicht dem Erstickungs-, sondern dem
Hungertod zum Opfer gefallen seien, so dürfte die
Mittheilung zur Beruhigung dienen, daß bei allen
Denjenigen, welche das Unglück um einige Stunden
überlebt haben , das mitgenommene Frühstücksbrod
völlig unberührt aufgefunden worden ist.
* Hannover, 19. Aug. Der Soldat, welcher
beim Hildesheimer Silberfunde den ersten glücklichen
Schlag auf diesen reichen, 1860 Jahre in der Erde
liegenden Schatz gethan, erhielt als Belohnung da-
für die Summe von 10,000 Thalern ausgezahlt
und die Zusicherung einer Anstellung am Museum
zu Berlin. Der Glückliche legte dieses für ihn große
Vermögen sofort' hypothekarisch an. Außer dem-
selben wurden die beim Funde anwesenden Unter-
offiziere mit Renummcrationen von 200 bis s300
Thalern, die Musketiere mit 25 Thalern bedacht.
A rr s l a n
Florenz, 18. Aug. Vor den italienischen
Gerichten schwebt schon seit einiger Zeit ein merk-
würdiger Prozeß, in welchem es nunmehr zu einer
wichtigen Entscheidung gekommen ist. Bekanntlich
nahm der .Herzog von Modena, als er im Früh-
jahr 1859 sein Land verließ, nicht nur seine
Truppen, sondern auch eine Anzahl politischer Ge-
fangener mit sich und schaffte denselben Unterkunft
in österreichischen Kerkern. Diese posthumen Opfer
der modenesischen Souveränität belangten bei dem

einst modenesischen Gerichte von Massa-Carrara
den Herzog auf Entschädigung. Der Herzog schützte
die Einrede der Inkompetenz vor. Allein dieser
Tage hat der Appellhof von Genua das Urtheil
des Gerichts von Massa, welches die Einrede ver-
warf, bestätigt, und erklärt, daß der Herzog zum
Schadenersatz verpflichtet sei, für jene widerrecht-
liche Gefangenhaltung, insoweit dieselbe gedauert
habe nach dem 20. August 1859, d. h. dem Tag,
an welchem er durch die modenesischen Deputaten
des Throns für verlustig erklärt worden ist.
Poris, 16. Aug. Der fünfzehnte August
ist ganz so gefeiert worden, wie in den früheren
Jahren, doch kann es dem Beobachter nicht ent-
gangen sein, daß die Bewegung weniger lebhaft,
und daß die unverwüstliche Schaulust des Pariser
Publikums mit einer gründlichen politischen Indiffe-
renz gepaart war, trotz Säkularfeier und Am-
nestie. Daß diese Amnestie übrigens einen guten
Eindruck hervorgebracht hat, liegt in der Natur
der Sache. Sie ist jedenfalls ein geschickter
Schachzug, denn wenn sie auch die „Unversöhn-
lichen" nicht versöhnen wird, so wird sie dieselben
doch auf einige Zeit lang lahm legen. Was ins-
besondere Rochesort betrifft, so dürfte seine Kan-
didatur von jetzt an keinen Berechtigungsgrund
mehr haben, um so weniger auf Erfolg zählen
können, als Rochefort genöthigt sein würde, in
den eventuellen Wahlversammlungen persönlich zu
erscheinen. In der Nähe aber nimmt sich der La-
ternenmann ganz anders aus, als in der Ferne.
Die Unpäßlichkeit des Kaisers ist offenbar-
bedeutender als man Anfangs eingestehen wollte.
Die Offiziösen mußten in den ersten Tagen ver-
sichern, er habe seine Abreise nur wegen des
Todes des Marschalls Niel vertagt, aber die Amts-
zeitung von gestern ist aufrichtiger. Nicht blos
meldet sie das Unwohlsein des Kaisers, sagt auch

nicht, ob er späterhin nach Chalons reisen werde.
Wie es heißt, hat er in der That auf den Besuch
des Lagers verzichtet. Unterdessen vertritt ihn der
kaiserliche Prinz im Lager. In militärischen
Kreisen soll es übel vermerkt worden sein, daß
der 12- oder 13-jührige Knabe mit der Verthei-
lung der Orden betraut worden ist; der älteste
Marschall des Reiches würde, so meint man, besser
dazu gepaßt haben. — An der Spitze des Am-
nestiedekrets ist die Amnestie als eine „Weihe der
Säkularfeier", also als etwas ganz Unabhängiges
von den Reformen dargestellt. In den Kreisen
der Mittelpartei hat dies einen unangenehmen Ein-
druck hervorgebracht.
— den 16. Aug. Um 6 Uhr früh verkündete
gestern die Kanone den Anfang des Napoleons-
f e st e s. worauf alsbald das gewöhnliche Treiben
in den Straßen begann. Der äußere Verlauf der
Feier war durchaus der gewöhnliche; das Wetter
drohte zum Schrecken der Besucher aus der Provinz
den ganzen Tag mit Regen, hielt sich jedoch bis
zum Schluffe, so daß das Feuerwerk nichts von
seinem Glanze verlor. In den Gefängnissen begann
die Amnestie am frühen Morgen ihre Wirkung zu
üben. Die Herren Quentin und Couruet (vom
Reveil) mit etwa zehn Genossen wurden aus Mazas
entlassen, nachdem sie des Komplottes verdächtig
65 Tage in Untersuchungshaft gesessen. Sainte-
Pelagie öffnete seine Thore für die Journalisten,
die Redner der öffentlichen Versammlungen re. Es
war Zeit, denn der Raum begann knapp zu werden
In dein Pavillon, der für die Presse bestimmt war,
hatte man in jedem Zimmer schon zwei Betten auf-
gestellt , und der Direktor nahm als umsichtiger
Mann seine Maßregeln, um noch ein drittes an-
zubringen. Es sind im Ganzen 253 politische Ge-
fangene gestern in Paris freigegeben worden. Eben-
so wurden Vormittags auch in St. Etienne die

Streiflichter auf Berlin.

(Schluß.)
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie ewig neu!
Aber bas Herz dabet. entzwei brechen, wie Heine singt
das kommt bei ihm und bei ihr nie vor. Das macht die
Uebung!
Doch jetzt hat sie ihn noch! Sie freuen sich ihres Da-
sein», er ißt und trinkt im Schweiße seines Angesichts, und
sie läßt sich dabei seine Erlebnisse aus dem letzten Kriege
erzählen.
»Aber Marie," sagt ein blasses, schmächtiges Mädchen
zu seiner Angebeteten, „es ist gleich zehn Uhr, komm doch
nach Haus!„
„Jetzt schsn? Bewahre! Jetzt geht's ja erst ordentlich
an! Dazu Hab' ich Dich nicht mitgenommen. Tu weißt
ich Habe den Hausschlüssel, und Deine Herrschaft merkt gar
nicht, wenn wir kommen."
„Aber Fräulein!" sagt ein gestriegelter Ladcndiener zu
der Kleinen, deren zartes Gesicht die größte Angst verräth.
„Sie wollen doch noch nicht fort? Kommen Sie, eine Polka
wird gespielt, ich bringe Sie sicher nach Hause. Aber erst

trinken!"
Und er reicht ihr das Glas mit Grog; sie ist schon er-
regt, mehr wie je; sie will die Angst vergessen, sie trinkt und
läßt sich dann zum Tanz führen.
„Wer ist die?" fragt der Soldat.
„Die dient bei Geheimeraths in unserem Hause, ist erst
, nach Berlin gekommen, d'rum ist sie auch so linkisch; na,
das wird sich schon finden, ihr Vater ist Cantor auf einem
Dorfe und hat sieben Kinder, und darum dient sie. Ich
habe sie mitgenommen; der Commis von der nächsten Ecke
bei uns hat mich darum gebeten, er liebt sie."
„Nun wollen wir ein bischen in den Garten gehen,"
sagt der Dragoner, der nur halb gehört, aber ganz gegessen
hat.
„Gut," crwiedert sie.
Der Garten nimmt sie auf mit seinen vielen Lampions,
die die Nacht zum Tag machen, und doch gibt's manche
Laube, wohin das Gas nicht seine Strahlen sendet.,..
Endlich wird aufgebrochen, es geht schon auf Zwei und
die Cantortochter ängstigt sich zu sehr, obgleich ihr Köpfchen
nicht mehr recht weiß, was sie sonst sagt. Lustig, unter
Singen und Lärmen geht's zur Stadt. Der Dragoner ist
überlaut, die Köchin freut sich und hinterher geht die Kleine
mit gesenkten! Köpfchen und achtet nicht der Liebesversicher-

ungen ihres Begleiters. Man gelangt nach Haus. Heute
war's schön! sagt die Köchin mit einem innigen Liebcsblick,
sic küßt den Dragoner, und der Commis küßt die ängstlich^
Kleine. Ach Gott, seufzt sic, wenn die Madame merkt, daß
ich erst jetzt komme. Gute Nacht!
Ein Jahr ist seitdem verflossen. Noch einmal, lieber
Leser, komm mit nach Moabit. Da kommt eine weibliche
Gestalt in dünnein Nmschlagctuch, der Mond bescheint ihr
bleiches Gesicht, ihre rothcn, verweinten Augen; sie geht in
eins der großen Häuser.
Willst Du wissen, wer sie ist? Es ist die Cantorstochter
von damals. Die Madame hat ihr Zuspütkommcn gemerkt
sie mußte sofort ziehen, sie war vierzehn Tage außer Dienst.
Weißt Du, Leser, was das heißt, ein junges, unerfahrenes
Mädchen vierzehn Tage außer Dienst in Berlin?
Da geht sie jetzt verweint die dunkle Treppe hinauf.
Warum? Wo will sie hin? Sie ist Amme geworden und
will ihr Kind, ihr Kind, ihr Schmerzenskind, besuchen! Sie
hat sich heimlich wcggestohlen von der Herrschaft, das von
ihr genährte Kind schläft ja, es ist voll und frisch und ge-
sund, wie der Fisch im Wasser. Sie klingelt leise. Endlich
wird geöffnet. Ein hageres, gelbes, böseblickendes Weib,
schlumpig und mit struppigen Haaren, hält ihr die blakende
 
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