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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 100
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0405

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Freitag, 27. August 1869.

Xo. 100.

Dritter Jahrg ang.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellnngen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die drcigcspaltene Pctitzeüe oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 25. Aug. lieber einen
Unglücksfall, der sich auf der Donau bei U l m er-
eignete und dessen Schilderung bereits die Runde
durch die Tagesblütter macht, erhalten wir von
einem Augenzeugen, Sohn unseres hiesigen Mit-
bürgers Hrn. H. nachstehende Einzelheiten:
Ulm, 23. Aug. In aller Eile die Nachricht
von einem großen Unglück, welches sich gestern auf
der Donau ereignet hat!
Es wollte nämlich ein hiesiger, katholischer Ge-
sellenverein zu Schiff in das nahe liegende Stein-
heile fahren. Es fanden sich natürlich viele Per-
sonen daselbst ein und diese wollten Alle in drei
kleinen Nachen die Fahrt unternehmen. Sie banden'
die drei Kähne zusammen und da keine geübten
Schisser, sondern nur deren Söhne (Knaben) die
Ruder führten und überdieß die Nachen zu schwer
belastet waren, so verlangten die Bursche, daß Einige
aussteigen müßten. Aber Niemand wollte sich da-
zu verstehen, nur die kathol. Pfarrer stiegen aus.
Jetzt kam man plötzlich an eine Stelle, wo die
Donau sehr augeschwollen und reißend war, an
die s. g. Rasselmühle. Unaufhaltsam wurden sie
auf die Mühle Hingetrieben, stießen von der Seite
her auf die Eisbrecher, das erste Schiffchen
brach in der Mitte entzwei und die andern beiden
Boote wurden unter das Rad geworfen.
Jetzt hörte man natürlich ein markdurchschüt-
terndes Hülfegeschrei! Mädchen und Frauen, Männer
und Kinder waren theils zuvor vom Fahrzeug ge-
sprungen, andere erst durch die Wucht des Anpralls
herab geschleudert und zum Theil vom Mühlwerk
erfaßt worden. Dies Alles war das Werk eines
Augenblicks. Ich kain gerade in die Aue und sah,
wie die Leute am Ufer auf- und abliefen. Endlich
kam ich an eine Stelle, da lagen drei Personen,

Mann, Weib und Kind, ertrunken, am Ufer; einige
Schritte weiter eine Fran und ein Mädchen, nur
durch Aechzen ein Lebenszeichen von sich gebend.
Auf einer Insel, gegenüber der Schwimmschule,
lag ein Todter; einen andern Mann sah ich müh-
sam sich erheben und dann wieder niedersinken.
Immerfort kamen neue Todte getrieben, ein
Mann und eine Frau wurden gelandet, die sich
so krampfhaft fest umschlungen hielten, daß man
sie fast nicht trennen konnte. Es war ein herz-
zerreißender Anblick!
Es werden ungefähr noch zwanzig Personen
vermißt; soeben erfahre ich, daß bis jetzt im
Leichenhaus 37 Todte liegen.
Karlsruhe, 24. Aug. Als Abgeordnete
wurden bei den heute vorgenommenen Wahlen ge-
wählt, in den Städten:
Ueberlingen: Ministerialrats) Poppen, bisheriger
Abgeordneter, einstimmig;
Konstanz : Kreisschulrath Seitz, bisheriger Ab-
geordneter, einstimmig;
Freiburg: Bürgermeister Schuster uud Rechts-
anwalt Näf;
Baden: Staatsanwalt v. Gulat mit 18 gegen
12 Stimmen;
Bruchsal: Altbürgermeister Weber mit 17 gegen
14 Stimmen;
Heidelberg: Or. Wilhelm Blum;
uud in den A e m t e r - W a h l b e z i.r ken :
Radolfzell: der bisherige Abgeordnete Müller;
Schopfheim : der bisherige Abgeordnete Lichten-
berger mit 57 gegen 7 Stimmen;
Freiburg: Kreisgerichtsrath Baumstark mit 24
gegen 16 Stimmen:
Emmendingen: Bürgermeister Frank in The-
ningen einstimmig;
Offenburg: Oberhofgerichts-Nath Roßhirt mit
32 gegen 27 Stimmen;

Kork: Staatsminister Jolly mit 40 gegen 2
Stimmen;
Ettlingen-Rastatt: Dekan Lender mit 52 gegen
47 Stimmen;
Dnrlach: der bisherige Abgeordnete Friederich;
Bucheu-Adelsheim : Ministerialpräsident v. Dusch
mit 34 gegen 25 Stimmen.
Im Wahlbezirk Breisach, wo Staatsminister
a. D. v. Edelsheim und Fabrikant Sartori als
Kandidaten einander gegenüber standen, kam eine
giltige Wahl nicht zu Stand, da keiner von Beiden
die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich ver-
einigte.
Die Karlsr. Ztg. schreibt hierüber: Die Wahl-
resultate koustatiren einen glänzenden Sieg der
national-liberalen Partei. Nnr in drei Bezirken
(Landamt Freiburg, Offenburg und Ettlingen-Ra-
statt) hat die klerikale Partei, in den beiden letzten
Wahlbezirken nur mit schwacher Majorität gesiegt.
Der in Baden Gewählte, ursprünglich allerdings
von der klerikalen Partei vorgeschlagen, hat sich
öffentlich in allem Wesentlichen für das national-
liberale Programm ausgesprochen, die 12 übrigen
Gewühlten sind entschiedene und ^zuverlässige An-
hänger dieses Programms.
Die Wahlen stehen außer in Breisach, wo eine
gültige Wahl nicht zu Stande kam, noch aus: hier,
in der Stadt Mannheim und in den Aemter-Wahl-
bezirken Säckingcn , Gengeubach - Oberkirch und
Tauberbischofsheim.
Karlsruhe, 24. Aug. Seine Königliche
Hoheit der Groß Herzog haben Sich gnädigst
bewogen gefunden, unter dem 18. Aug. d. I. die
erledigte Bezirksarztstelle in Tauberbischofsheim dem
Vezirksarzt Seeber in Gerlachsheim zu übertragen;
den Registrator Trenkle beim General-Landcs-
Archiv zum Sekretär beim Verwaltungshofe, den
Registrator Vetter bei der Direktion der Verkehrs-

Epilode ans der sranMschcn
Revolution.
An einem Maimorgen des Jahres 1793 schritt ein
Mann von etwa dreißig Jahren durch die schattige Kastanien-
allee, welche von dem Städtchen Brive-la-Gaillarde zwischen
grüner Kornflur dahinführte.
Es war ein prachtvoller Morgen voll Frische und Glanz,
voll Himmelsbläue und kühlem, kräftigem Duft des jungen
Laubes, so ganz dazu geeignet, das Herz leicht und den
Kops frei zu machen. An dem Wanderer aber — denn als
solchen kennzeichnte ihn der Stock, auf dessen Spitze er sein
bescheidenes Gepäck trug — schien dies Alles spur- und
wirkungslos vorüberzugehen. Nur von Zeit zu Zeit blieb
er stehen, einen wehmüthigen Blick auf den Kirchthurm des
Städtchens und auf den Wald werfend, der rechts herüber-
grüßte und winkte.
Ach, das Herz war ihm wie zugeschnürt. Noch einen
letzten Liebesblick — dann wandte er sich, um es vielleicht
niemals wiederzusehen, das Stück Erde, welches ihm durch
die süßesten Erinnerungen der Jugend so heilig und theuer
geworden.
Dunkel und trübe lag der politische Horizont über Frank-

reich. Die Partei „des Berges" hatte ihre Proscriptions-
listen aufgestellt, so umfassend und vollständig, als ob der
Tod sie selbst entworfen hätte. Auch Latreille, der Priester
und Hirte von Brive-la-Gaillarde mußte seine Heimath als
Proscribirtcr verlassen; zur Deportation vcrurthcilt, wollte
er sich nach Bordeaux begeben, um dort auf Grund eines
Empfehlungsschreibens ein sicheres Asyl zu finden.
Latreille trug in seiner Brust eine edle, unschuldige
Liebe, die Liebe zu den Wissenschaften, und namentlich war
es die Entomologie, die er mit großer Zuneigung betrieben.
So, bald langsamer, bald schneller dahinschreitend, lauschte
er mit ungehaltenem Athcm dem Neigen eines geflügelten
Völkchens, das im Sonnenstrahl lustig umherschwirrte, oder
beobachtete einen leichten, buntgeflügelten Schmetterling, wie
er in der Lust seine anmuthigen Kreise und Wendungen
beschrieb.
So vor der Langeweile einer Fußreise hinlänglich ge-
schützt, warf er sich nach mehrstündiger Wanderung im
Schatten eines Baumes nieder, als ein ihn umsummender
Käser seine Betrachtungen zu stören begann. Latreille sprang
auf, fing an zu lausen, zu verfolgen und es entspann sich
ein förmlicher Zweikampf, bis das arme Insekt überrumpelt
in die Hände seines Siegers fiel. Es war eine entomolo-
gische Rarität, die Useroüiu. rnkieoruis. Unser Natur-

forscher zog eine lange Todesnadel aus seinem Nvckärmcl,
die dem unbesonnenen Feinde den letzten Gnadenstoß versetzen
sollte; dann ward die seltene Beute vorsichtig im Innern
seines Hutes befestigt.
Auf den entlegensten Seitenwegen hatte Latreille seinen
Bestimmungsort erreicht. Vertrauensvoll klopft er an die
erste beste Hausthür, — doch welch' ein Anblick bot sich ihm
dar! Ein ganzer Apparat der Schreckensherrschaft mit den
dazu gehörigen Transportkarren, Riegeln und Ketten —
kurz, lauter Eisen, nichts als Eisen!
Seine Erscheinung erregte Mißtrauen, man fragte ihn
auS, und da seine Antworten von Verlegenheit zeugten,
wurde er als verdächtig fesigcnommen. Kein Einwand, kein
Widerstreben half gegen die brutale Logik, und so sehen wir
ihn noch an demselben Tage, den vielen Opfern zugescllt,
welche das Gefängniß für die Guillotine in steter Bereit-
schaft hielt.
Erschöpft von den Anstrengungen und den ans ihn cin-
stürmendcn Schrecknissen warf Latreille nach vorangegange-
nem kurzem Verhör sich auf das feuchte Lager, um bald
darauf sein Urtheil zu vernehmen. Er hatte mit Offenheit
sein doppeltes Verbrechen gestanden, hatte sich als Priester
und Verbannten bekannt, — was bedurfte es mehr zu einem
Todcsurtheil ?! (Schlß. s.) „
 
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