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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 154
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0623

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Gliche int wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S an nt agsb latt. — Abc Postanstaltcn lind Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich l fl. lo kr.
Anzeigen, die dreigespnltene Petitzeü? oder deren R.unn 8 lr.

Zmgeft.Beachtung.j
Da unser seitheriger MaLLträger,
Durch anderweitige Dieuftverrichtuugcn
rn Anspruch genommen, sein Amt nicht
mehr mit Ser nöthigen Sorgfalt ver-
sehen kann, so wird
Heinrich Kehr von hier
.vom l. Januar ab das Anstragen des
Mattes re. besorgen, wovon wir ge-
fälligst Notiz Zn nehmen bitten.
Ergebenst
Die Expedition.
^ Schwetzingen, 29. Doc. Am 23. d. M
fand in Rattcn-mg die feierliche Konsekration lind
Inthronisation des Bischofs Hefele statt, welcher
mich der Crzbisthumsverwrscr D>-. Lothar Kübel
anwohnte
Es ist gnt, dah in Oesterreich die seidene
Schnur nicht existirt, sonst würde Graf Auersperg,
dessen Mission in den aufständischen Provinzen
mißglückte, wahrscheinlich schon eine solche empfan-
gen haben. Start dessen rufi man ilm einfach
Zurück und überträgt das Commando dem Feld-
warschalllientenanl Nodic, welcher zugleich die
Weisung erhielt, eine kurz tenressenc Frist zur
Unterwerfung zu stellen, nach deren unbenutztem
Ablauf jedoch rücksichtslos gegen die Insurgenten
vorzugehen. Es ist merkwürdig, wie viel Mißer-
folge Oesterreich seit 1859 in allen seinen kriege-
rischen Unternehmungen hat und trotzdem zieht
man aus der Vergangenheit keine Lehre für die
Gegenwart und Zukunft.
Die Ministertrise schwebt noch, wird aber in
den nächsten Lagen schon zur Entscheidung kommen.
Die Sitzungen des Conzils nehmen ihren

Fortgang. Fn deu Ausschüssen sitzen die eifrigsten
Vorkämpfer des hierarchischen Regiments; das ge-
mäßigte Element hat keine Vertretung. Von
welchem Geiste die Versammlung beseelt ist, geht
aus der päpstlichen Bulle hervor, die unter die
Väter der Christenheit vertheilt wurde. Der Ex-
kommnnication des Papstes sind danach Alle
unterworfen, welche Ketzerei begehen oder begün-
stigen, verbotene Bücher lesen oder verbreiten, den
päpstlichen Befehlen Gehorsam verweigern, von
Verordnungen des Papstes an ein künftiges allge-
meines Conzil appeüiren.
„Da? Weihnachlsfest ist vollständig ruhig ver-
laufen," so lauten die Nachrichten aus Paris!
Als ob es etwas Besonderes wäre, daß die Christ-
seiertage ohne Straßenkravalle und Demonstratio-
nen vorübergegaugen. Die Pariser werden doch
ihre Feiertage nicht zu Revolutionen eu irUmLirm
benützen sollen, das wäre denn doch eine gar zu
naive Auffassung der französischen Zustände.
Die Provinzialsynoden ich Preußen haben die
Thaifache blosgelegi, daß Die Mehrheit der Geist-
lichkeit der graffesten Orthodoxie huldigt,, die im
völligen Widerspruch mit dem Geiste des Prote-
stantismus steht.
Beachtenswerih ist übrigens nur, daß diese
Richtung von der Regierung mit einer gewissen
Vorliebe gepflegt wird, die deu Staat der In-
telligenz in ein eigenthümlichcs Licht stellt.
Die N. B. Ldsztg. erhält aus Carlsrnhc die
Mitiheilung, daß die zur Prüfung hinsichtlich des
Wahlgesetzes niedergesetzte Commission, die Abän-
derung der Wahlbezirke, Auflösung des Landtages,
Neuwahl und Wiedereinberufung desselben bean-
tragen werde. Wann und wie diese Sinnesän-
derung des Ausschusses eingelreten. weiß der betr.
Correspondent nicht; nur glaubt er diese Nachricht
als Thalsache verbürgen zu können. Bewahrheitet

sich diese Mütheilung, so sehen wir in Baden
Wah kämpfen entgegen, noeiche denen in Baiern
an Hartnäckigkeit nichts nachgeben werden.
Deut ? ch l a n S.
Berlin, 27. Dez. Es ist bekannt, daß in
den Rheinlanden nnd Westfalen seit Fohl-ru ein
bedeutendes Geschält mit Befreiung militärpflichtiger
junger Männer vom Militärdünst durch Fälschung
der Konirollisten, Ausstellung falscher Todienscheiue
und in ähnlicher strafbarer Weise betrieben worden
und daß die Kommissionäre diese? Geschäfts, durch
deren Hand die Vermittlungen gegangen, die Kauf-
lente Gebrüder Dickhoff in Bochum, verhaftet worden
sind. Wie die „Gerichtszeiinng" miuheilt, hat nun
die Untersuchung einen Üwsang angenommen, der
ein schlimmes Bild von dem „norddeutschen Pa-
triotismus" dieser jungen nnd alten Rheinländer
liefert, denn die Väter mußten ja das Geld für
d'e unkriegerisch gesinnten Söhne zahlen. Nach
diesen Angaben ist im Besitz der Gebrüder Dickhoff
ein Depot von 100,000 Thlrn. gefunden worden,
das zur Bestechung der Beamten und überhaupt
zur Bestreitung der für die Befreiung vom Mili-
tärdienst erforderlichen Kosten bestimmt war. Das
Verzeichnist der Kurden dieses Geschäfts ist im
Pulte der Gebrüder Tickhoff gefunden worden und
soll Hunderte von Namen enthalten. Es find nich!
weniger als 22 Militärärzte nnd ein Oberstabs-
arzt verhaftet worden, auch soll ein bei der Aus-
hebung rückwirkender Zivilbearnter, jedoch nur wegen
bewiesener Fahrlässigkeit, arg konipromiltirt sein.
Eindeckt tvur.de der böte Handel durch einen Bauer,
der für die Befreiung sciues Sohnes einen Wechsel
von 500 Thlrn. ausgestellt hatte, diesen aber zur
Verkallzeil nicht bezahlen wollte, weil inzwischen
sein tapferer Spröstling bereits niilitärfrci gewor-
den war. Nach Baneruart hing der Alte stark am

Das Wirtijsitzms zu Grausam.
Von Heinrich Zschokke.
(Fortsetzung.)
„Ich mied das Mädchen, weil ich in meinem Leben nie
ein liebenswürdigeres gesehen. Ich wäre länger in Cran-
sac geblieben, denn die Abgeschiedenheit des kleinen Ortes
aesi.l mir, so wie eine Art dummer Gutmtithigkeit der
Leute, die wenigstens ihre Thorheiten und Tücke nicht recht
zu übcrfiruissen verstehen. Aber ich blieb nicht, weit Fan-
.rhon du war."
„Welch ein Wiederspruch!" rief ich.
„Keiner!" antwortete er! „Das Mädchen wäre viel-
leicht allein, fähig gewesen, mich um alle Früchte meiner
schmerzlich erworbenen Welt- und Selbsücnntniß zu bringen,
mich zum Narren zu machen, oder mein Elend zu' ver-
doppeln."
To sprach er nnd brach ab. Ich versuchte umsonst,
ihn iih.-r die Familie Albrci bei der er beinahe ein Viertel-
jahr gewohnt hatte, zu weiteren Gesprächen zu verleiten.
Er antwortete entweder gar nicht oder allenfalls mit einem
Kopfnicken oder Achselzucken.

Wie er mir schon in Cransac gesagt hatte, war seine
Absicht, mit mir bis Perpignan zu fahren und mich dort
zu verlassen. Seine Geschäfte kannte ich nicht. Auf der
zweiten Station hinter Carcasonne fand er im Posthanse
eine Landkarte an der Wand. Er stand lange davor, rieb
sich die Stirn, schrieb dann einiges in die Brieftasche, kam
zu mir und sagte: „Es ist besser, ich reise nach Marseille
und von da nach Italien."
Trotz dem setzte er sich doch wieder zu nur in den
Wagen. Wir fuhren bis in die dunllc Nacht. Der Mond
schien hcll. Es war etwas Feierlich - Anmuthiges, längs
den Gebirgen Hinzuflicgen, deren Wälder und Gipfel in den
scharfen Umrissen ihre Zacken und Hörner am reinen Him-
mel darsiellten.
Plötzlich- wandte sich auch Herr von Orny, der bis?,er
geschlafen zu haben schien, über den Schlag des Wagens
hinaus, um die Gegend zu betrachten.
„Was- ist das für eine Ruine dort am Berge?" rief er
dein Postknecht zu.
„Das Schloß Loubre!" erwiedcrie dieser.
„Richtig." tagte Herr von Orny: „Also drüben ist
der Weg nach Siegeän?"
„Allerdings!" cntgegnetc der Fuhrmann: „Es sind
noch keine vier Wochen, da auf jener Straße in ciner

mondhellen Nacht wie die lputige ist, eine Kustche mit
Reisenden von Räubern überfallen wurde. Mein Schwager
Matthieu, der sic fuhr, wurde ermordet."
„Und von Vclloc sind wir nicht mehr weitfragte Orny.
„Eine kleine halbe Stunde!" c-wiedcrte der Postknechk.
Nun warf sich Orny wieder in d.n Winkel seines Reise-
wagenS zurück nnd sprach kein Wort mehr.
Ich betrachtete aufmerksam die düsicrn, riesenhaft em-
porgehenden Mauergctrümmer des alten Schlosses. Sie
gewährten in der wilden, stillen Einsamkeit, vom Mondlicht
wunderbar beleuchtet, einen recht ichamülichui Anblick.
Ueberhaupt sehe ich nie dergleichen Ruine», ohne eine ganz
eigene Empfindung von Schwermut!) und Bangigkeit dabei
zu haben, denn ich denke mir unwillkürlich eine lange
Reihe von Glücks- und Unglnckstagen derjenigen hinzu,
die dort einst lachten und weiLüen, geboren Warden und
starben, vom Urvater bis zum Urenkel hinab. Und das
groß- Bild der Vergänglichkeit schließt sieh zuletzt mit dem
Untergang ihres eigenen HanscS.
„Dies Schloß aber scheint mir noch nicht lange öde zu
stehen!" sagte ich zum Postknecht.
„Meinetwegen mögen es acht oder zwölf Jahre sein,
daß es nicdergcbrannt ww.de mit Allem, was darin war!"
antwortete der Fuhrmann.
 
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