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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 90
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0365

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Mittwoch, 4, August 18SS. litt. Dritter Jahrgang.


Amts-Bcrkündiguiigsölatt für den Bezirk Schwetzingen.

BadiIchc Papfcnrritung

Erscheint wöchentlich drei Mül nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postanstaltm und Boten nehmen Bestellungen an, — P r e i s vierteljährlich l fl. Ik> kr.
Anzeigen, die drcigespaltene Petiizeile oder deren Raum 3 kr.

Ein französisches Urtheil über Dentsch-
lanvs Seemacht
Wer sich in die Veränderung, die das Jahr
1866 in Deutschland gebracht, noch immer nicht
zu finden weist, und gegen den gewaltigen Aus-
schwung, den sie für die deutsche Nationalität be-
deutet, ungläubig und mißtrauisch sich verschließt,
weil er in seinen vier Wänden, oder dem Städt-
chen, das er bewohnt, nichts von demselben zu
verspüren vermag, dem ist es zu empfehlen sich zu-
weilen von der veränderten Sprache zu überzeugen,
die man seit jenem Jahre in den fremden Län-
dern über unser Vaterland redet. Und nicht blos
die Deutschen, die in fremden Ländern leben und
jetzt den Rückhalt einer vaterländischen Macht hinter
sich wissen, reden diese neue und für uns
Binnenländer doppelt ungewohnte Sprache; son-
dern das Urtheil des Auslandes selbst hat sich,
— wo nicht eifersüchtige Mißgunst in ihrer Weise
unfreiwilliges Zeugnis; von derselben Thatsache ob-
legen muß — von Geringschätzung in Achtung
umgewandelt: man achtet uns, weil wir eine
Macht geworden sind. Heute finden wir im Jour-
nal des Debats, das geistig noch immer den ersten
Rang in der französischen Presse einnimmt, einen
Artikel seines Hauptmitarbeiters, John Lemoine,
über Deutschlan' als Seemacht, der im Wesent-
lichen folgendermaßen lautet: „Um die Revo-
lution, die sich im Jahre 1866 in Deutschland
vollzogen hat, in ihrer ganzen Tragweite zu wür-
digen , darf man nicht blos die Gebietserweite-
rung Preußens und die Verstärkung seiner Streit-
kräfte als Haupt des norddeutschen Bundes in
Rechnung ziehen. Diese große, deutsche Bewegung
hat noch em anderes Resulrat gehabt, unschein-
barer, aber vielleicht wichtiger, nämlich die Schaffung
einer Marine. Zum erstenmal wird Deutschland

eine Seemacht, eine Kriegsmacht auf dem Meer
wie auf dem Land. Wir gehören zu denen, welche
beute noch wie immer die innere Revolution
Deutschlands als eine rechtmäßige betrachten und
der Meinung sind, daß keine Macht, auch Frank-
reich nicht, das Recht hatte, sich ihr entgegenzu-
werfen. Allein ohne Besorgnisse oder eifersüchtige
Leidenschaften wachrusen zu wollen, glauben wir,
daß man Frankreich und Europa wohl aufmerk-
sam machen darf auf dieses Hervorbrechen einer-
neuen Kraft unter denen, welche sich in die Herr-
schaft der Welt theilen. Unsere Aufmerksamkeit
war in den letzten Wochen zu sehr von unfern
Angelegenheiten in Anspruch genommen, als daß
sie sich Hütte einem Ereignis; widmen können, das
für Deutschland die Einweihung einer neuen Lauf-
bahn gewesen ist. Fast unbeachtet ist an uns die
Eröffnung des ersten deutschen Kriegshaseus vor-
übergegangen , die der König von Preußen im
vorigen Monat vorgenommen hat. Der Plan
dazu datirte von lange; in der Stille mit uner-
müdlicher Beharrlichkeit und Ansdauer ist er von
Preußen sortgeführt und jetzt zur Vollendung ge-
bracht worden. Zu allen Zeiten und heute nach
der Erfindung des Dampfes mehr als je, haben
die politischen Völker begriffen, daß der Antheil
am Meer für sie eine unentbehrliche Lebensbe-
diugung ist. Die Ausgänge vom Meer sind so
zu sagen die Athmungsgünge der Völker. Auch
Deutschland hat seit lange mit allen seinen Kräf-
ten nach diesem Gut gestrebt, das es niemals be-
sessen. Die großen Politiker, welche sich einbilden,
man hätte die große nationale Strömung, aus
welcher der Krieg von 1866 hervorging, gemüth-
lich mit einem Worte aufhalten können, scheinen
gänzlich zu vergessen, aus welchen tiefen und alten
Duellen sie entsprungen ist. Sie ist es gewesen,
die den König von Preußen getragen und sortge-

rissen hat weit mehr, als daß er sie geleitet hätte.
Der monarchische und regelmäßige Krieg von
1866 ist nur die Wiederholung der unregelmäßi-
gen Volkserhebung von 1848 gewesen. In diesem
großen Jahr der Revolution hat das deutsche
Volk, vom Drang nach Einheit getrieben, dem
damaligen Könige von Prenßen die Kaiserkrone
angeboten, der sie nicht anzunehmen wagte und
vor der Größe die Flucht ergriff. Deutschland ist
im Jahre 1866, obwohl mit anderen Mitteln,
genau denselben Weg gegangen, wie 1848. Das
Verlangen nach den Herzogthümern war schon da-
mals das natürliche Verlangen nach dein Meer.
Deutschland erstickte auf dem Lande, es dürstete
nach der See. Wir erinnern uns noch im Jahre
1848 einen preußischen Abgesandten in Paris ge-
sehen zu haben, der die Aufgabe hatte emen Be-
richt über die Organisation der französischen Ma-
rine zu erstatten, und in jener Zeit machte uns
ein deutscher Admiral ganz den Eindruck des
„Schweizer Admirals" in Dffenbach's „Pariser
Leben." Allein es war nun einmal eine fixe
Idee der Deutschen. Im selben Jahre wurde
eine Nationalzeichnung für die Gründung der
deutschen Marine eröffnet und es wurden mehrere
Schiffe gebaut und unter den Farben des Bundes
ausgerüstet. Aber es kam der Schiffbruch der
Revolution, die Unterdrückung, die Restauration,
und auf diesem Trugbilde der wiederhergestellten
Ordnung richtete Oesterreich von Neuem seine
Herrschaft auf. Um diese deutsche Einheit, die
sich vor ihm aufzurichten gewagt hatte, bis in ihr
letztes Symbol zu vernichten, verlangte es die
Unterdrückung der begonnenen Bundesmarine. Es
wollte blos eine österreichische Marine bestehen
lassen. Die kurzlebigen Schiffe des Bundes
wurden unter den Hammer gebracht, und, der sie
versteigerte, ein Manu Namens Fischer, verfiel

Englische Wettrennen.
(Schluß.)
Es ist kein Haupt mehr unbedeckt, wähl aber sieht man
vergnügte und nicht wenige leidenschaftlich erregte Gesichter;
die sonst so zugeknöpften Engländer sind rein ans dem Häus-
chen und wie clektrisirt von einer Lebendigkeit nnd Beweg-
lichkeit, die an Szenen vom Eannstatter Volksfest erinnern
könnten. Der Telegraph verkündet nach der Hauptstadt
an ein paar Duzend Stationen das Ergebnis; und an hun-
dert andere Orte im Lande und über den Kanal. Da fliegt
auch eine Brieftaube von dem Platze der Direktoren auf,
über unsere Tribüne weg. In Fleetstrcct in der City und
wo sonst noch die Burcaux der Reunkommissionäre sich be-
finden mögen, erscheint der Name des Haupisiegers in großen
Buchstaben an den Fenstern, wodurch die Daheimgebliebenen
schaarenwcise hcrangezogen werden, das Resultat ihrer Weite
jetzt schon zu realisiren, während auf dem Rennplätze selbst
das siegende Pferd und der Reiter noch kann: wieder zu
Athen: gekommen sind. ES folgen noch drei weitere Nennen
uni 4, -EF und 5'/s Uhr, jedoch scheint das Hauptinteresse
vorüber zu sein. Jetzt geht es in den Ersrischungsräumen

ersten, zweiten, dritten und vierten Ranges lebhaft und
lustig zu, nicht minder in den Reihen, wo die ganze und
die halbe vornehme Welt mit ihren Wagen hält und beim
Picknick ist. Wer es nicht selbst mitgebracht, kann hier sich
Ananas, Kirschen, Trauben und Erdbeeren kaufen, denn die
Industrie hat für Alles und für Alle gesorgt. Das Volk
spielt allerlei National- meist Wurfspiele, und amüsirt sich
köstlich auf seine Art, wird aber auch bereits muthwillig.
Es läuft hinter den Equipagen her. Die Ausgelassenen
schreien, spotten und werfen, so daß cs Zeit wird, nach
Hause zu gehen. Und wir thun dcßgleichen, um nachher
nicht zu sehr ins Gedräge zu gerathen auf der Bahn; den
späteren Abend geht es ohnehin böse auf dem Platze her.
Eine halbe Stunde von London werden bereits etwas nach
7 Uhr die Zeitungen an den Stationen angeboten mit den
Berichten über den Verlauf sämmtlicher 5 Rennen des
Tages, ein bewundernswertstes Beispiel englischer Geschwin-
digkeit. Ten Abend waren in London auf Strand, Flect-
street und selbst auf Negentstreet und Picadilly mehr schwan-
kende Gestalten zu sehen als sonst, Männer und Frauen,
und nicht blos schlecht gekleidete. Wir gehen, um den
Tag würdig zu beschließen, noch in ein zrnüliv äisermsiorr
üou86, um bei Stout und Alle nebst obligater Tonpfeife
einer nach allen parlamentarischen Formen regelrechten

Verhandlung und Debatte anzuwohnen, die heute
laut Ankündigung des Vorsitzncdcn, eines in dem Lokal
als Stammgast heimischen Sprechers, die Nützlichkeit
und Nothwcndigkeit der Derby-Nennen zum Gegenstände
hatte. Wer aus dem beliebig zusammengewürfelten Publikum
Lust hat, Fragen zu stellen oder zu sprechen, legt Messer und
Gabel so lange bei Seite, es sind Alle gleichberechtigt, an
der Debatte Thcil zu nehmen. Im Lokale hängen in Oel
die Portraits von Peel, Palmerston, Disraeli u. s. w. Es
sprachen ein Konservativer und ein Liberaler, das heutige
Thema nur ansnützend, um in aller Wohlanständigkeit von
ihren: politischen Standpunkte aus sich gegenseitig als
„werthe Freunde" zu befehden. Der Konservative, der mehr
Wettrennen haben wollte, behielt Recht.

Kaiser Paul !. mm Russland.
Historische Skizze von C. Nissel.

Keine Geschichte ist wohl so reich an dunklen Blättern,
als die Geschichte Rußland?, und den denkenden Geschichts-
freund erfaßt Grausen, wenn er durch dieses Grüucllabyrinth
wandelt, in welchem er mit jedem Tritte auf eine Mutthat
stößt, die unnatürlichsten Verbrechen geschehen sieht und nur
 
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