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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 144
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0581

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Dimslag, 7. Dezember 18K9. 144. Dritter Jahrgang


Amts-MerKündignngsökatt für den Bezirk Schwelungen.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n i ag s b la t t. — Alle Postanstalten und Boten Achmer? Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 1 fl. 1", lr.
A nzeigen, die dreigespaltene Petiizeile oder deren Raum 3 kr.

den drohenden Konflikt ans, zumal da auch Ruß-
land schon bedenkliche Manöver vornimmt, seine
Armee Plötzlich sehr verstärkt. ungeheure Waffen-
vorräthe parat hält und unablässig darauf bedacht
ist. seine Flotte zu verstärken. Gerade jetzt erregen
deshalb die russischen Umtriebe in Dalmatien dop-
pelte Besorgniß, wo ganz unverkennbar Montene-
gro von den Agenten des Czaren dazu ermnthigt
ist, die aufständischen Südslaven zu unterstützen
und Oesterreich ein Paroli zu bieten, welches es
schwer genug in diesem kritischen Augenblick fühlt.
Denn nur ans eine Weise kann der blutige
Aufstand dort unten gedämpft werden, nämlich
wenn Oesterreichs Truppen Grahowo in Monte-
negro besetzen und den Aufständischen damit die
Rückzngslinie nach Montenegro abschneiden. Solche
Besetzung erfordert aber eine Armee von 50,000
Mann und da Rußland bereits vor acht Tagen
gegen derartige Occupation Montenegros im Gro-
ßen , wenn auch nur im mündlichen Diplomaten-
verkehr ernstlich protestirt hat, so kann man leicht
ermessen, zu welchen drohenden Verwickelungen
solche Eventualität führen würde. So sagt denn
auch heute die Wiener „Presse," es sei nicht ab-
znsehen, wie die Sache enden werde und nicht
unmöglich sei es, daß Rußland den Moment ge-
kommen glaube, Pläne zu verwirklichen, die schon
seit Jahren in panslavistischen Köpfen rumoren.
Die Lage ist somit jedenfalls eine sehr ernste.
Der kleine dalmatinische Funken kann eine große
Flamme entzünden und offenbar rechnet der Vice-
könig von Egypten auch auf französische Unter-
stützung, wenn er so keck gegen seinen Lehnsherrn
anftritt, den er eben noch durch demüthige Abbitte
versöhnen wollte. Der Orient drohte schon lange,
dem Occident große Sorge zu bereiten, es scheint,
daß wir nicht fern von einer Katastrophe sind,
die man seit 00 Jahren, wo Gnizot mühsam und

schlecht die alte Wunde beflasterte, aller Orten
gleich sehr fürchtete.

Bade ir.
* Schwetzingen, 7. Dezember. Der Pfalz.
Bote warnt vor der Einführung der Civilehe und
weist ans die Übeln Folgen derselben hin, die in
den Vereinigten Staaten Nordamerikas so grell
zu Tage treten sollen.
Und doch war es der Pfälz. Bote selbst, der
vor einiger Zeit noch ausdrücklich eine Trennung
der Kirche vom Staat gerade so wie sie im nord-
amerikanischen Bundesgebiete bestehe — verlangte.
Wie reimen sich solche Widersprüche?
Karlsruhe, 4. Dez. Mit allen gegen 6
Stimmen wurde von der ersten Kammer das Gesetz
über Einführung der obligatorischen Civilehe und
Standesbenrknndnng mit grur geringfügigen Aeud'-
rungen in der Fassung der zweiten Kammer an-
genommen.
O e ft e r r e i ch i s ch e Monarchie.
Catiaro, 20. New. Der Wiener „Presse"
wird gemeldet: Gestern wurden hier die Leichen
der vier bei Zagvozdak gefallenen Offiziere des
Regiments Albrecht zur Erde bestattet. Die Be-
theiligung am Leichenzuge war eine sehr große;
Thrünen flössen von aller Anwesenden Wangen,
denn die Verblichenen waren allgemein bekannt,
und hatten sich hier sehr beliebt gemacht. Die
Leichen waren furchtbar verstümmelt. Major Fritsch
hatte den Hals durchschnitten-. Diese Operation
war, wie dessen Offiziersdiener erzählt, der ihn
als Verwundeten habe mit sich schleppen wollen,
beim Heranrücken von 20 Insurgenten aber ver-
lassen mußte, an dem noch Lebenden und Wehr-
losen vollzogen worden. An Oberlieutenant Ur-

Die orientalische Frage,
Liese „Schraube ohne Ende," spuckt schon wieder
am Horizont. Der egyptische Vicelönig Ismail
Pascha hat an den Großvezier Ali Pascha ein
Schreiben gerichtet, in welchem er sich in Bezug
aus Me Forderungen der hohen Pforte der Form
nach Mit orientalischer Unterwürfigkeit ausspricht,
aber festhält an derjenigen Freiheit, die ihm von
jeher die werthvollste von allen war, nämlich an
der Freiheit, Schulden zu machen, so viel es ihm
beliebt, ohne feinen hohen Gebieter in Eonstanti-
nopel, den Padischah, vorher zu fragen. Grade
diese finanzielle Unabhängigkeit will ihm aber die
hohe Pforte nicht einräumen. Sie hat das oft
angtdrohte Ultimatum gestellt und bereit ist ter
türkischen Flotte der Befehl ertheilt, sich bereits zu
halten. Daß die Türkei zu ohnmächtig sei, um
den widerspenstigen Vasallen zu zwingen, wie ei-
nige vom Vicekönig gut bezahlte Pariser Blätter
steif und fest behaupten, möchten »vir denn doch
nicht ohne Weiteres für baare Münze annehmen.
Die ganze egyptische Armee zählt nur 14,000
Mann und wenn die Mächte der Türkei gestatten,
frei sich zu bewegen, so dürfte sie schon mit dem
Vicekönig fertig werden, der keineswegs fest auf
seine Soldaten rechnen kann, sobald ihr höchstes
weltliches und geistliches Oberhaupt, der Sultan,
ihren jetzigen Gebieter als Rebellen erklärt.
Ob aber die Türkei jene Freiheit der Bewe-
gung behalten wird, ist zu bezweifeln. Zwar ver-
sichert man aus Paris, es stehe keine Intervention
der Mächte hier bevor, aber man weiß vom Jahre
1840 her sehr gut, wie schroff Frankreichs und
Englands Interessen öort aneinander gerathen, wo
es sich um Egyptens Zukunft handelt und die
„Times" spricht sich denn auch sehr besorgt über

Eine nMlche Ehe.
Aus der letzten Zeit der Leibeigenschaft.
Von A. von K.
(Fortsetzung.)
Golub, der kranke Soldat hatte in Folge der Auf-
regung eine unruhige Nacht gehabt und fühlte sich so
schwach, daß er auf dem kurzen Wege zweimal ausruhen,
und den ihn fast erstickenden Herzschlag durch Ausdrücken
der Hand hemmen mußte. Als er endlich Nataliens Woh-
nung erreichte, nahm er sich zusammen, richtete den schwa-
chen, gebeugten Körper stramm empor und trat mit tadel-
los militärischer Haltung ins VorhauZ, wo er aus Frau
Lacoste stieß und sie mit einer Anrede begrüßte, aus der
sie nur die Namen Naialie Dmitriewna und Fürst Bielski
verstand. Sie nahm den hingehaltenen Brief und eilte
ins Zimmer.
Die arme Natalie hatte eine schlaflose Nacht gehabt,
die alte Dame hatte alles erfahren und mit Natalien ge-
jammert und geweint, jetzt war sie doppelt froh, ihr durch
das Schreiben eine Freude bereiten zu können.

„Natalie!" rief sie und hielt ihr den Brief hin.
„Von ihm?" ries diese und griff hastig nach dem
Schreiben.
„Ein Soldat, den ich nicht verstehen kann, hat ihn
gebracht und wartet draußen."
„Das muß Golub sein! er soll herein, liebe Lacoste,
ich will seinen Netter kennen lernen."
Frau Lakoste öffnete die Thür und winkte dein Ueber-
bringer, näher zu treten; bis dies geschah, saß Natalie aber
schon an ihrem Arbeitstischchm und verschlang begierig den
Inhalt des langen Briefes, ohne sich um den Eintretenden
zu kümmern. Natalie trug einen schwarzseidenen Nock und
eine weiße Batist - Blousc mit weiten Acrmeln, eine Mode,
die bekanntlich der Tracht der russischen Bauernmädchc»
entnommen ist. Die Zöpfe ihres reichen Haares hingen
ihr noch lose auf dem Rücken bis zum Gürtel hinab —
dies gab ihr vollends den Anstrich eines veredelten russischen
Bauernmädchens. Sie saß der Thür gegenüber, em Son-
nenstrahl fiel schräg durchs Fenster und beleuchtete ihr
Profil. Golub trat ein und blieb an der Thür stehen —
heilige Mutier Gottes! flüsterte er, fuhr sich mit der Hand
über die Augen und faßte einen Stuhl, um seine zusammen-
brechende Kraft aufrecht zu halten — und wieder starrte er
die Lesende an — Natascha, flüsterte er, meine Natascha —-

unmöglich! — Natalie las weiter und weiter, der Soldat
hatte somit Zeit, sich zu sammeln, und als sie endlich fertig
war und sich zu ihm wandte, war ihm Gott wohl beige-
standen, denn mit aller Anstrengung war es ihm gelungen,
seinen Zügen die Ruhe wieder zu geben, die seinem Herzen
so fern war. Jetzt war aber die Reihe zu erbleichen, an
Natalien, als sie den Lebensretter ihres Geliebten vor sich
sah, -- ein Bild aus alten Zeiten schwebte ihr vor, der
kurzbeschorene, bleiche Soldat mahnte erschütternd an eine
frische, blühende Gestalt, die in ihre.m Gedächtnisse auftauchte.
Einen Augenblick sah sie ihn stumm an, und eine Beruhi-
gung gegen das Phantom ihres Lebens in dem ihr ge-
nannten Namen suchend, srug sie mit bebender Stimme:
„Golub heißt Du?" -
„Golub ist der Beiname, den mir meine Kriegsgefährten
gegeben, ich weiß nicht, ob mit Recht oder mit Unrecht;
ich heiße aber
Natalie zitterte sichtbar.
„Anton Petrosf!" sprach 'der Soldat und wischte sich
den Schweiß von der bleichen Stirn.
Naialie sank in einen Sessel und athmete auf. Beide
schwiegen eine Weile — dann fuhr Natalie mit ruhig«
Stimme fort:
 
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