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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 84
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0341

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Mittwoch, 21. Juli 1869.

Xo. 84.

Dritter Jabrar.ng.


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WschtnlilM

Amts-Dcrkündigungsölatt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische Hapfenzci 1 nng.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe Sonntagsblatt. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigcspaltene Pctitzeile oder deren Raum 3 kr.

Tagesübersicht.
Schwetzingen, 14. Juli.
Der Verurlheilung des Bischofs Rndigier zn
14tägigem Kerker folgte, bevor noch der Urtheils-
fpruch die Rechtskraft verlangt hatte mittelst kai-
serlichen Handschreibens die Erlassnng der Strafe
auf dem Fuße. Der Kirchenfürst wies diesen
Gnadenakt übrigens einfach zurück und die österr.
Regierung ist damit jämmerlich blosgestellt! Die
österr. Presse wagt es nicht, ihre Ansicht in dieser
Angelegenheit nuszudrücken, um so unverhohlener
äußern sich jedoch die ausländischen Blätter. War
es mit der Bestrafung des Bischofs nicht ernstlich
gemeint, so wäre das ganze Schauspiel am besten
unterblieben, so aber triumphirt die klerikale Par-
tei über die Regierungsgewalt, welche sich einer
unverzeihlichen Schwäche schuldig gemacht hat!
In Brünn kam es vor einigen Tagen zu
Straßentumulten, die zu einem blutigen Zusam-
menstoß zwischen dem Volke und der bewaffneten
Macht führte; auch in Triest fanden Demon-
strationen statt, welche jedoch ziemlich harmloser
Natur waren.
In Frankreich herrscht eine gewaltige Aufre-
gung. Der Kaiser, dem die Verhandlungen des
gesetzgebenden Körpers den Kopf etwas warm
machten, wußte sich, wie eS scheint, nur dadurch
zu helfen, daß er die Vertagung desselben aus-
sprach. Statt jedoch den beabsichtigten Zweck zu
erreichen und eine Beruhigung der Gcmüther her-
beizuführen, regte er den Sturm dadurch erst
recht an.
Die Opposition, wie die Regierungspartei ist
gleich unzufrieden mit diesem Staatsstreich im Schlaf-
rock, wie man diese Maßregel nennt.
Für viele, neue Deputirte ist diese Situation

Erinnerung an Vater Haydn.

(Fortsetzung.)
Nicht im Mindesten läßt sich das übrige Orchester durch
diesen Nt stören, es setzt ruhig die Sinfonie fort. — Die
Zuhörer können sich das wunderliche Gebahren gar nicht
deuten, als auf einmal der Fagottist dasselbe Manöver be-
ginnt. Er löscht sein Licht aus, verbeugt sich und folgt
still, das Instrument unterm Arme, seinen Vorgängern.
Auch durch das Weggehen des Fagottisten erleide: die
Sinfonie keine Unterbrechung, doch wird die Sache in der
Versammlung auffällig.
Jetzt aber denkt auch d-r zweite Oboist: „Meines Blei-
bens ist nicht mehr allhier." Er löscht sein Licht und —
auf leisen Sohlen geht er hin — spielt auch er den Wan-
derer und verläßt die Tonkunftwerkstätte, welche nichtsdesto-
weniger die Sinfonie fortspielt.
Was ist das? Ist die Sache zu Ende? Nein! Gleich-
sam ergriffen von diesem Auswanderungsfieber packt auch
der erste Hornist ein. Er löscht sein Licht, und — Scheiden,
ach Scheiden thut weh! schleicht auch er trüben Angesichts
davon.
Da herrscht im ganzen Saale die gespannteste Ausmerk-

um fo unangenehmer, als ihre Wahlprüfungen noch I
nicht vorgenommen sind und sie daher zwischen
Thür und Angel stehen.
Mit der Bildung des neuen Ministeriums geht
eS nicht so rasch; über die gegenwärtige Lage
Frankreichs äußert sich der „Gaulois" treffend:
„Wohin gehen wir ? Der Gesetzgebende Körper,
der in seinem Schooße 55 beanstandete Mitglieder
zählt, ist vertagt; der Senat existirt noch nicht,
da er auf den 2. August einbernfen ist; ein Mini-
sterium giebt es nicht mehr, da die Minister ihre
Entlassung eingereicht haben. Es ist unmöglich,
ein neues und wirkliches Cabinet zn bilden, weil
die constitutionelle Reform, welche die Unverträg-
lichkeit der Function des Ministers mit der Stellung
als Deputirter anfhebt, vom Senat noch nicht
sanctionirt ist; Emile Ollivier, Buffet, Talhouet
und Latour du-Monlin haben nämlich erklärt, daß
sie nicht eher ein Portefeuille annehmen werden,
bis die Ministerverantwortlichkeit wieder her gestellt
ist. Wir haben folglich kein Ministerium mehr,
keinen Gesetzgebenden Körper mehr, neue Minister
sind gar nicht möglich und der Senat tritt nicht
vor dem 2. August zusammen. Das ist das
Resums der Situation, welche noch erschwert wird:
durch die offen ausgesprochene sehr lebhafte Unzu-
friedenheit der 55 beanstandeten Depntirten, welche
durch diesen Aufschub in eine sehr peinliche Lage
kommen; durch die unangenehme Ueberraschnng,
welche die Bekanntmachung der Vertagung im
„Officiellen Journal", ehe sie der Kammer mitge-
theilt worden war, in letzterer hervorgerufen hat;
endlich durch die allgemein verbreitete und durch
eine Aeußerung Schneiders bekräftigte Nachricht, daß
der Gesetzgebende Körper vor dem Monat October
nicht wieder znsammentreten wird."

samkeit. Der Fürst stutzt, Jeder gewinnt die Uebcrzengung,
daß hier eine originelle Idee zu Grunde liegt.
So willst Du treulos von mir scheiden? Tu Har-
monie? Die Streichinstrumente lassen sich aber nicht irre
machen, sie bleiben ihrem Dirigenten getreu, der gleichsam
durch glutvolleres Dirigiren sich ihrer Anhänglichkeit, ihres
Beistandes versichern will.
Im Rathe der Musikanten aber ist es anders beschlos-
sen. Während der erste Hornist abtrat vom Schauplätze
seiner Thatcn, dachte im Stillen schon der Violinist wie
Lorenz Kindlein: .Ich folge Dir, sobald ich kann!" —
Wsrt gehalten wird in jenen Räumen, wo die Geigen
stehen, auch er löscht sein Licht; melancholisch, wie ein Ge-
dicht von Mathison, macht er sein Compliment Md folgt
betrübt dem Hornisten.
Durch diesen Verrath ist in der Zahl der Jünger eine
bedeutende Lücke eingetreten. Doch röcht verzagt, die Besten
des Landes sind noch beisammen. Das Violoncell, die
Viola und die Violinisten, sie halten treu und redlich aus.
„Das ist der Fluch der bösen That, daß sie fortzeugend
Böses muß gebären!" Auch der Violoncellist löscht sein
Licht aus und .leb wohl, Madrid, nie wende sich Dein
Glück!" begibt sich auch dieser auf die Flucht. —
Nur der Bratschist und die Violinen bilden noch das

O e st r e i ch i s ch e M o rr a rch i c.
Wien, 18. Juli. Man meldet der „N. Fr.
Presse": Se. K. und K. Apostol. Majestät hat
mit a. h. Handschreiben vom 13. d. M. die Strafe
deS Linzer Bischofs Fr. Jos. Rudigier, welche
über ihn mit Erkenntnis; des K. K. Landcsgerich-
tes Linz wegen versuchten Verbrechens gegen die
öffentliche Ruhe verhängt wurde, und deren Rechts-
folgen allergnüdigst nachzusehen geruht. Das K. K.
Landesgericht Linz wurde hievon heute in Folge
Jnstizministerial-Erlaffes vom 14. Juli verständigt."
Die „N. Fr. Presse" bemerkt hiezu:
„Einer Kritik entzieht sich dieser Gnadenakk als
solcher ganz und gar; überdies hat die liberale
Partei wenig Interesse daran, ob der Linzer Bi-
schof die Haft, zn der ihn der Gerichtshof in Linz
verurtheilt hat, erleidet, da die Prinzipienfrage
mit dem dnrchgeführten Prozesse entschieden ist.
Bemerkenswcrth ist nur, daß die Begnadigung vor
Rechtskraft des Urtheiles, schon am Tage nach der
Abnrtheilung und aller Wahrscheinlichkeit nach ohne
daß der Verurtheilte die Gnade angerufen, er-
folgt ist.
Brünn, 17. Juli, lieber die gestrigen Ex-
zesse enthält die amtliche Wiener Zeitung folgende
telegr. Depesche: „In Folge des Gebrauches der
Feuerwaffe von Seite des Militärs bei der gestri-
gen Ruhestörung sind, so viel bis jetzt ermittelt,
11 Personen verwundet worden, wovon drei an
den erhaltenen Wunden gestorben sind. Ter Ge-
brauch der Feuerwaffe geschah zwischen ffsL und
ffs lO Uhr Abends von einzelnen von Tumultuanten
angegriffenen kleinen Militürabtheilungen. Tie
Exzedenten haben das Militär gehöhnt und mit
Steinen beworfen. Schießwaffen hatten sie nicht.
Auf Seite des Militärs ist keine Tödtnng oder
schwere Verwundung, wohl aber sind 13 — 14

kleine wackere Häuflein und machen eine eigenthümliche Musik.
Wie ein Lämpchen, bas noch mit dem letzten Tropfen Lcl
wuchert, unterhalten sic noch eine Weile die Sinfonie. Da
aber, als wenn der Geist des Aufruhrs über sie gekommen,
kündigen auch die Violinisten den Gehorsam auf, sie brechen
ab, löschen ihre Lichter aus und folgen ihren Collcgcn.
Ach, der gute Joseph Haydn. — „Den möcht' ich
wissen, der der Treueste mir von Allen ist." — Ter letzte
Mohikaner, es ist — der Bratschist. Er war es, der die
letzten Tone der hinstcrbcnden Sinfonie unterhielt.
Eine allgemeine innere Unruhe kan: über die Versamm
lung, man wollte dem gepreßten Herzen durch Worte Lust
machen und doch fesselte noch die Scene zu gewaltig. Als
aber auch der Bratschist sein geliebtes Instrument senkte,
als auch er sein Licht, die letzte Vestaflamme auf dem Als
tare der Treue, löschte und
.So leb' denn Wohl, Du stilles Haus,
Ich geh' betrübt von Dir hinaus"
mit Thränen im Auge von dannen ging, alß Haydn, ver-
lassen von all' seinen Treuen, allein dastavd, wie ein Leucht--
thurm, wie ein Pharus des Geistes mitten in der Nacht
des Verhängnisses, da konnte man nicht länger dem Drang?
widerstehen. Es brach ein Beifall los, der die Grundvesten
des Saales zu erschüttern drohte. Man stürmte in Haydn's
 
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