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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 44
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0181

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Freitag, 16. April 186 9.

>0. 44.

Dritter Jahrgang.

sur die Dcmkc Schwetzingen und Philippsbürg.
Verkündigungsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Drgan der Saditcheu Aopfenproducenten
(unter Kvntrole der laudivi rtysckias t l icpen 2K zi rksdirektivu Schwetzinqen stehend).

Erscheint Sonntag.
M ittw och und
Freitag.
Alle Po flau Italien und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.

PreiS: (/Jährlich -lbkr.
per Post bezogen 06 lr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
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2 kr. berechnet.
Tie Boten erhalten
2 kr. monatlich.

* Ein Wort zur rechte« Zeit.
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten.
Marquis Lavalette, hat im sranzösiststen gesetz-
gebenden Körper, die Haltung der französischen
Regierung bezüglich der deutschen Angelegenheiten
in so entschiedener rückhaltloser Weise dargelegt,
daß dessen Worte seither das Ereignist des Tages
bilden und einen freudigen Wiederhall sowohl bei
seinen Zuhörern als in der gesummten Presse ge-
sunden haben.
Nicht nur die Regierungspartei sondern auch
die Opposition begrüstte seine Rede mit dem gröst-
tem Beifall. DaS Journal des Debattes sagt
von ihm, daß seine Worte ihren beispiellosen Er-
folg nur den abgegebenen friedlichen Erklä-
rungen zu verdanken hatten und dast bei dem mäch-
tigen und sittlichen Einflust seiner Rede an keinen
Widerspruch zu denken war.
Dergleichen wir diese rückhaltslosc Anerkennung
der Thaksachen von 1866 mit der Sprache unserer
preustenfeindlichen deutschen Presse, welche tagtäg-
lich die Vernichtung der unter schweren Opfern ge-
wonnenen Errungenschaften predigt, so kömmt man
zu dem Schluffe, dast das Ausland es besser und
redlicher mik der Neugestaltung Deutschlands meint,
als die bornirten Größen der süddeutschen s. g.
VolkSpartci! — Doch zur Erklärung des Hrn.
Ministers:
... Unsere Haltung beweist nachgerade unseren
aufrichtigen Wunsch, die guten Beziehun-
gen zu erhalten, die zwischen beiden Ländern
(Deutschland und Frankreich) bestehen, indem
wir uns „jeder Einmischung irgend welcher
Art in die reindeutschen Angelegenheiten" enthalten.
(Zustimmung.) Politische Umwandlungen von sol-
cher Bedeutung, wie die seit beinahe 3 Jahren in
Deutschland vorgekommenen, vollziehen sich nicht,
ohne bedeutende Spuren zu Hintersassen, ohne dast
ein Rückschlag sich lange Zeit füalbar mache. Zwi-

schen dem Zusammenbrechen einer durch eine alte
Tradition geheiligten Ordnung der Dinge und dem
Tage, wo das sic ersetzende System definitiv in
die Gewohnheiten des politischen Lebens eintriit,
gibt es immer eine mehr oder minder peinliche
Zwischenperiode, erfüllt von widersprechenden
Bestrebungen, von streitenden Interessen, von
empfindlichen und manchmal schmerzlichen Situatio-
nen und offenbaren Klagen. Deutschland befindet
sich in einer solchen Übergangsperiode, und dies
ist für uns ein Grund, um jeden Schritt zu ver-
meiden, welcher ausgelcgt werden könnte als eine
Einmischung in Fragen, welche uns direkt nichts
angehen. Wir haben uns eine Pflicht daraus ge-
macht, keine Empfindlichkeiten aufzuregen, und nur
begründete Ursachen könnten uns veranlassen diese
zurückhaltende Stellung zu verlassen. (Sehr gut.)
Nun ist nichts der Art vorhanden, welches uns
solche Eventualitäten voraussehen lasten könnte.
„Der norddeutsche Bund" fährt fort, sich zu orga-
nisiren; „die Südstaaten" haben sich dieser Be-
wegung angeschlossen in den Grenzen ihrer natio-
nalen Bestrebungen und ihrer Interessen, sie wer-
den davon getrennt durch das Gefühl ihrer Selbst-
ständigkeit und durch ihre Privatbedürfnisse. Wir
haben „unter keinem Vorwände in diese doppelte
Bewegung einzugreifen", die sich ungestört und
auS freien Stücken jenseits des Rheines vollzieht.
(Sehr gut.) Wir haben sie nicht gemacht und hatten
sie nicht zu machen. Nur in dem Falle, daß diese
Bewegung ihre legitimen Grenzen überschritte und
unsere Rechte verletze, würde unsere Lage in dieser
Beziehung sich geändert finden. (Sehr gut.) Aber
erfüllt von Achtung und Schonung für die Rechte
Anderer, haben wir keine Ursache, zu fürchten, daß
die unseren nicht ebenso geachtet seien.
n Lagesübersicht.
Schwetzingen, l4. April.
Die Arkolay'sche Broschüre findet neuerdings

zwei Widermchcr. Hr. Arkolay-Streubel mag kein
geringes Vergnügen darüber emvfiuden. daß man
sich auf gegnerischer Seite überhaupt nur die Blühe
gibt, seine Schrift, welcher doch von vornherein
der Stempel des einseitigsten Parteistandpunkies
aufgedrückt ist, zu widerlegen.
Die Preustenfeindlichen Blätter heben hervor,
dast die Arkolay'sche Broschüre in Wien sehr wohl-
gefällig ausgenommen worden sei; nun ja, kein
Wunder! Wer mir den Hafen in die Küche zu
jagen sucht, dem werde ich doch nicht gram darob
sein!
Im Lager der spanischen Monarchisten herrscht
eine grenzenlose Verwirrung und Beschämung. Dom
Fernando von Portugal, dein man die Krone
Spaniens antrug, hat sie ernstlich allsgeschlagen.
Na. na, nur den Kopf oben behalten, ihr
Herren! Es ist noch Mancher da, der die Finger
darnach leckt, König von Spanien zn werden!
Auch London beabsichtigt jetzt eine Weltanestel-
lung zu veranstalten, doch sollen dabei nur solche
Gegenstände zugelafsen werden, welche von der
Jury der Allsstellung würdig befunden sind. Eure
glänzende Schaustellung und Spekulation auf die
Neugierde und den Bellte! des Publikums, wie
solche in Paris zu Tage trat, soll dabei gänzlich
vermieden werden.
Der Snezkanal soll noch im Laufe kommenden
Spätherbstes der Schifffahrt völlig zugänglich ge-
macht werden. Für die Ostindiemfächrer ist dieser
Weg von ungeheurer Wichtigkeit. Oesterreich und
Italien machen jetzt schon große Anstrengungen
den Verkehr mit Indien, der nach Eröffnung des
Suezkanals die Häfen des mittelländischen Meeres
zn Hanptstapelplätzen macht, an sich zu ziehet!.
Am 28. d. Mts. findet eine Versammlung der
Offenburger Partei in Pforzheim statt; Lamey
Kiefer und Eckhard werden daselbst sprechen.

M c u 6 e l c ö t.
Novelle von Hermann U h d e.
(Fortsetzung.)
Was vorgegangen ist? fragte der greise Arzt. — Der
Herr Graf geruhten, sehr krank zu fein; Sie haben sehr am
Fieber gelitten — oder vielmehr, wie wir gelehrten Leute
pom Fach es lateinisch benennen: an einer rnsnin^itiZ
oersbralis, an einer Entzündung der Hirnhaut: an nichts
mehr und nichts weniger! — Was in diesem Augenblicke
noch vorgeht? Lieschen cs ja! Mit der Genesung des Kör-
pers ist auch der Geist gesundet — Sie haben Ihren Ver-
stand wieder, und mit ihm Ihr ganzes reiches und schönes
Glück!
Der Papa ist wieder gut — der Papa ist nicht mebr
trän!! — Wie ich mich freue! — Nun wird Papa mit mir
spielen! ries jetzt der kleine Bruno aus, welcher in einem
Bilderbuche blätterte, das Ferdinand, wie er sich sehr deut-
lich und genau erinnerte, einst von einer Reise für sein Kind
mitgebracht hatte.
Entzündung der Hirnhaut! murmelte er vor sich hin,
als ob er mit sich selber spräche. Mit einem Worte, Doktor,
sagte er dann, einen unruhigen Blick auf Lcn Greis werfend,
— >ch war also — wahnsinnig?

Hm! entgcgnete der Arzt, das Haupt wiegend, unter
uns gesagt, mein lieber Herr Gras — Ihr Kopf war aller-
dings nicht gerade iin besten Stande. Sechs Wochen lang
haben Sie phantasirt und wirres Zeug geschwatzt — das
allertollste war, daß Sie, ohne Ihr Bett zu verlassen, sich
einbildcten, mit Ihrem Freunde Eduard eine weite Reise
zu unternehmen!
Sechs Wochen . : . rief Ferdinand auS — mir ist,
als wären Jahrhunderte vergangen seit jenem Unglücks-
tage . . .
— An welchem Tu erkranktest, unterbräch ihn seine
junge Gemahlin, den angefangenen Satz beendend. O,
mein Freund, diese sechs Wochen waren in der That Jahr-
hunderte — Jahrhunderte des Schmerzes, des Kummers,
der bangen Sorge um Dich!
Sechs Wochen — ! wiederholte Wartcnau.
Anderthalb Monate des Fiebers und der Geistesab-
wesenheit — scherzte der Doktor — und unser guter Gras
scheint meiner Treu damit noch nicht zufrieden zu sein!
Aber wie hängt denn nur Alles zusammen? fragte
Ferdinand zögernd und scheu, augenscheinlich von großer
innerer Angst gefoltert.
Erinnere dich nur, lieber Wartcnau, sagte die junge
^ Gräfin jetzt, indem sie an einer Stickerei scrtarbeitete, welche

sie vor vier Jahren unter ihres Gatten Augen begonnen
und seitdem hatte ruhen lassen. — Tu fuhrst mit dem
'leinen Bruno zum Tiner bei unserem Gutsnachbar, Baron
von Norburg. Seit mehreren Tagen bereits hatten wir
drückend heißes Wetter gehabt, und Du mochtest den Krank-
heitsstoff bereits eine Zeit lang in Dir tragen — kurz, nach
der Tafel, bei welcher, wie man sagt, cs sehr lustig hcrgr-
gangen sein soll, —
Ja, ja! — nur zu lustig! warf der Arzt ein, mit dem
erhobenen Finger scherchaft drohend.
Nach der Tafel also hatten sich die Herren auf die
Terrasse vor dem Schlosse begeben, um sich mit der grau-
samen Kurzweil zu beschäftigen, die armen Vögel aus der
Luft herabzuschicßeii. Eduard versichert, daß schon in dem
Augenblicke, wo Tu zu Deinen Freunden eiltest, Dein Kops
geglüht und Deine Brust wie im Fieber nach Luft gerun-
gen habe.
Der Herr Graf — sagte jetzt ernst der Doktor —
hatten beim Dessert zu viel Ungarwcin getrunken, und das
ist allezeit sehr schädlich.
Trotz des festen Versprechens, welches Tu mir am
Tage zuvor gegeben — fuhr die Gräfin fort —, ergriffst
auch Du eine Flinte — die Flinte Eduards.
(Fortsetzung folgt.)
 
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