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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 129
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0521

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>o. 12H

Mttwoch^ 3. November 1869.

Dritter Jahrgang


Amts-Derkündigimgsölatt fir den Bezirk Schwetzingen.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n 1 a g S b la t t. - Alle Poftanstalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Neueste Hopsenrrachrichten.
68eü. Nürnberg, 31. Oktober. Ich be-
stätige Ihnen mein Ergebenes vom 23. d M.
Ueber den Verlauf des Geschäftes in dieser
Woche kann ich Ihnen mittheilen, daß derselbe
durchweg ruhig und flau war. Die Zufuhren an bei-
den Hauptmärkten. Dienstag und Donnerstag mögen
ungefähr 300 Ballen betragen haben, meist Mit-
tel- und untergeordnete Qualitäten, mit denen sich
die Lager täglich mehr füllen und von denen,
etwas an den Mann zu bringen, selbst zu immer
weichenden Preisen mit viel Schwierigkeit verbun-
den ist. — Prima Waare ist fortwährend gesucht
und Preise hiefür nur wenig alterirt, während
man für Mittel und geringere Qualitäten diese
Woche wieder einen Preisrückgang von fl. 6—8
verzeichnen kann. Wir brauchen eben England,
um uns diese Sorten vom Halse zu schaffen, aber
bis jetzt war hiefür nicht das geringste Anzeichen
vorhanden. England bleibt konsequent ruhig und
wir fallen immer weiter zurück, wahrscheinlich bis
die niedrigen Preise zum Export veranlassen, auf
dem Londoner Markt konkurriren können! Preise
für Marktwaare, Prima und Hochprima fl. 100
— 120, Sekunda fl. 85—95, geringe Sorten
fl. 77—85 je nach Beschaffenheit.
* Saaz, 30. Oktob. Wie diese Berichte be-
reits am 25. d. M. meldeten, ist das Geschäft
der heurigen Hopfenmarkt-Saison am hiesigen Platze
auf seinem Höhen- und Ruhepunkte angelangt,
wodurch die Produzenten, welche ihr Erntequantum
noch nicht verkauft haben, ängstlich zu werden be-
ginnen und selbst unter fl. 280, die dieser Tage
noch für eine größere Parthie Stadtgut gezahlt
wurden, gerne abgeben möchten. Am Lande, wo
vor 10 Tagen noch schwer für fl. 280 anzukom-
men war, würde mau heute, — je nach Entfer-

nung von hier — gerne fl. 240—260 nehmen.
Es scheint mir dies ein für die Eonsumen-
ten zum Einkäufe günstiger Moment, den sie
nicht unbenützt vorüber gehen lassen mögen, La
sicher zu erwarten ist, daß die Preise wieder ihren
alten Höhenpunkt erreichen, wenn die jetzige Kälte
wirklich der Anfang eines nahen und strengen
Winters ist, wie von gewiegten Metrologen allge-
mein behauptet wird, und die Brauereien unge-
stört und flott arbeiten können.
An der / hiesigen Hopfenhalle gelangten bis
heute 162 Ballen Stadt- und 1970 Ballen Be-
zirkshopfen z^ir Abwage, Plombirung und Sig-
natur.
Tübingen, 27. Oktob. Das Hopfengeschäft
ist in den letzten Tagen hier sehr ruhig geworden
und ist der größte Theil der fremden Einkäufer
aus unserer Gegend abgezogen, da sie nun ziemlich
leer geworden und für dieselben nur wenig mehr
zu thun war. — Die Preise haben sich trotz ge-
ringer Nachfrage auf ihrer Höhe erhalten; unsere
Händler sucheil die gegenwärtige Ruhe zu benützen,
um mit billigeren Limiten anzukommen, aber die
Eigner sind noch nicht geneigt unter den früheren
Preisen von fl. 80—100 abzugeben.
Baden.
Karlsruhe, 24. Oktober. Sitzung der Zwei-
ten Kammer. Bei der Spezialdebatte über den
Kommiffionsbericht, die Abänderungen einiger Pa-
ragraphen der Verfassung betr., stellte der Abg.
Kiefer den Antrag auf Einführung des direkten
Wahlrechts. Der Antrag wurde mit allen gegen
14 Stimmen abgelehnt. Hierauf wurde das ganze
Gesetz, den Kommiffionsanträgen entsprechend, ein-
stimmig angenommen.
Karlsruhe, 30. Oktober. Mit Entschließung
aus Großh. Staatsministerium vom heutigen wurde,

wie man uns mittheilt, einer Stiftung, im Betrag
von 5000 fl., die höchste Genehmigung ertheilt,
welche zur Unterstützung solcher Landesangehörigen
bestimmt ist, die während ihrer Studien an der
Universität Heidelberg ihre Wehrpflicht als Frei,
willige auf 1 Jahr erfüllen. Bis zur Verlegung
einer Garnison nach Heidelberg soffen die Zinsen
admassirt werden. Der patriotische Stifter, welcher
ungenannt bleiben will, übermachte die reichen
Mittel seiner Stiftung der Großh. Regierung, um,
wie er erklärte, einen thatsüchlichen Beweis seiner
freudigen Übereinstimmung mit der von ihr be-
folgten nationalen Politik und seiner Bereitheit zu
thatkräftiger Unterstützung derselben zu geben. Mit
stolzer Freude geben wir unfern Lesern Nachricht
von dieser, auch politisch bedeutsamen Handlung,
welche das glänzendste Zeugniß ist, wie kräftig
und thatbereit der nationale Staatssinn, in unserm
Volke lebt. (Karlsruh. Ztg.)
Offenburg, 27. Oktober. Man schreibt dem
„Frkf. I." Folgendes über die jetzt eingelieferten
Mörder Steidel und Döbich: Steidel sieht müde,
bleich und abgemagert aus; ein wilder Bart gibt
ihm ein düsteres Aussehen. Er trug Gefängniß-
kleider, weil die badische Justiz sich die Kleider der
beiden Mörder als etwaige Beweisstücke gleichfalls
hatte ausliefern lassen. Döbich, dem noch andere
Kleider zur Verfügung standen, war gut gekleidet.
Er trug einen Tirolerhut mit einer Fasanenfedrr
und einer Falte in der Mitte nach der heutigen
Mode. Das Haar war sorgfältig geordnet und
er hatte seinen wohlgepflegten Vollbart mit einer
gewissen Koketterie zugestutzt. Der starke untersetzte
Mann war im Gegensatz zu seinem niedergeschla-
genen Mitschuldigen sichtlich sehr guter Laune und
vergnügten Aussehens, sowohl bei der Abfahrt
von Straßburg inmitten einer dichten Menge von
Neugierigen, wie bei der Ankunft in Offenburg,

vollen 17. Januar erst mehrere Tage nach seiner Verhaf-
tung erinnern können, denn er sei von den Criminalbeam-
ten dermaßen nialtraitirt worden, daß ihn der Polizeipräsi-
dent v. Wurinb in Schutz nehmen mußte, und er erst nach
acht Tagen wieder zu der gewöhnlichen ruhigen Besinnung
kam. Die ihm vorgelegten Kleider, die er am 17. Januar
getragen, recognoScirt er, den am Orte der That gefundenen
vielbeschriebenen Stock mit weißer Elfenbeinkrücke kennt er
jedoch nicht im Eutferrnesten, wie er überhaupt zur Winter-
zeit nie einen Stock getragen haben will: der ihm heute
vorgelegtc Stock komme ihm überhaupt ganz anders vor
als der ihm im ersten Termin gezeigte, womit er die Jden-
iicität nicht auzweifle, sondern nnr zeigen wolle, wie man
sich täuschen könne. Auch das am Thatvrte aufgehobene
baumwollene Taschentuch mit Spuren von Schnupftabak
erkennt er nicht als das seine an. will überhaupt keine
baumwollenen Tücher besessen und das Schnupfen sich erst
in der Haft angewöhnt haben. Und doch fand sich unter
seinen Effecten eine anscheinend noch vor Kurzem gebrauchte
Tabaksdose. Daß er öfter im Omnibus gefahren, wie ver-
schiedene Zeugen aussag ten, bestreitet er, er müsse aber darauf
aufmerksam machen, daß den Onmibusconducteuren in der
Potsdamer Straße ein ihm sehr ähnlich sehender Mann
bekannt sei. Nachdem der Angeklagte noch daS Zeugniß

Prozeß von Zastrow.
Berlin. Vergangenen Montag den 25. Oktober, Vor-
mittags 9 Uhr, wurden die am 12. Juli behufs Unter-
suchung des Gemüthszustandes des Angeklagten abgebroche-
nen Verhandlungen gegen Carl Friedrich Ernst Wilhelm
v. Zastrow wieder ausgenommen. Wir folgen dem Berichte,
den die „V. Ztg." darüber erstattet. Der Angeklagte tritt
auch heuteIjiu aufrechter, selbstbewußt!r Haltung in die
Schranken und blickt glcichgiltig auf das zahlreiche Audi-
torium; sein Gesicht zeigt jedoch unverkennbar die Spuren
der Uberstandenen langen Untersuchungshaft.
Die Airklage selbst lautet: Der Sccondelieutenant a.
D. v. Zastrow habe am 17. Januar 1869 1) mit dem
6jährigen Emil Hanke unzüchtige Handlungen und zugleich
mit Gewalt auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete
Handlungen vorgenommen, und 2)Adenselben mit Vorsatz
und Ueberlegung zu tödten versucht.
Bei dem Jnquisitorium des Angeklagten führt der An-
gcklagtelstine Vertheidigung ganz in ^derselben Weise und
mit wo möglich noch größerer geistiger Schärfe wie indem
früheren Termine. Am 20. Mai 1821 zu Frankfurt a.
O. geboren, trat er auf Wunsch seines Vaters nach Been-
digung seiner Schulzeit als Offizier in die Armee ein,

schied aber bald wieder aus, da er keinen inneren Berus
für das Soldatenleben fühlte und beschäftigte sich mit Ma-
lerei. Leider wurde die Unterhaltung zwischen dem Vor-
sitzenden und dem Angeklagten mit so leiser Stimme ge-
führt, daß bei der ohnehin schlechten Akustik des Saales
nur Bruchstücke aus dem Verhöre verständlich sind. Neigung !
znm weiblichen Geschlecht, sagt der Angeklagte, habe er nie-
gcfühlt, er rechne sich, und das sage er mit der vollen
Ueberzeugung von seiner Zurechnungsfähigkeit, zum dritten
Geschlecht gehörig. Er gibt sodann sehr ausführliche Aus-
schlüsse über das Geschlechtsleben dieser „Urninge", behaup-
tet jedoch, seine Triebe nie mit Kindern befriedigt zu haben.
Brulnlitäteu verabscheue er; er fühle, daß er naturwidriger
Verbrecher sei, aber ein Verbrecher im kriminalistischen Sinne,
ein Mörder sei er nicht. Aus die Verlesung mehrerer in über-
schwenglicher Sprache abgcfaßter Briese an verschiedene Per-
sonen, in denen er sich selbst seiner naturwidrigen Neigungen
anklagt, erwidert er : er wisse, daß er von der Gesellschaft als
Abschaum der Menschheit betrachtet werde, aber er halte
seine Neigung für einen krankhasten Zustand, und die
Krankheit sei in der Natur berechtigt.
Das Jnquisitorium des Angeklagten in Betreff des
Thatbestandes ergab wenig Miitheilcnswerthes. Von Zastrow
behauptete, er habe sich an die Vorgänge des verhängniß-
 
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