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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 96
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0389

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Mittwoch, 18. August 1869.

Xo. 96.

Dritter Jahrgang.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe L-o n n t a g s b ln tt. — Alle Postanstnlten und Boten nehmen Bestellungen an. — P r c i s vierteljährlich I st. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Baden
* Schwetzingen, 16. Aug. Die auf gestern
Nachmittag anberaumt gewesene Versammlung in
Hockenhei m fand unter zahlreicher Betheiligung
der dortigen Einwohner im Rathhaussaale statt.
Bon Schwetzingen hatten sich die meisten Ausschuss-
mitglieder des nationalliberalen Bezirksbereins da-
zu eingefunden.
Herr Amtsrichter Diez übernahm den Vor-
sitz und erössnete die Verhandlung, worauf Herr
Dr. Gerber, Abgeordneter des Bezirks das
Partheileben unseres Landes in einem interessanten
Vortrage schilderte, die verschiedenen Pariheien und
ihre Ziele charakterisirte und namentlich die Gegen-
sätze, in welchen dieselben zu einander stehen, her-
vorhob, woraus Redner zur Bildung eines national-
liberalen Vereins einlud.
Der Vorsitzende schloß hierauf, nachdem sich
Niemand mehr zum Worte meldete, die Verhand-
lung, worauf die Liste zur Einzeichnnng aufgelegt
wurde, in welche sich denn auch sofort gegen 40
der Anwesenden einzeichneten. Weitere Beitritts-
erklärungen stehen im Laufe der nächsten Tage
bevor.
Deuts ch l u n d.
Dresden, 12. Aug. Das Dresdener Jonrn.
bringt heute nachstehenden Bericht des Dr. Paff
aus Segengottesschacht: Heute (Donnerstag) sind
die letzten, frei in den Schächten liegend, anfge-
sundenen Leichname zur Erde gefördert worden,
und die Gesammtzahl derselben betrügt 236. Die
noch fehlenden liegen tief unter den Brüchen be-
graben, und ihre Gebeine werden nach und nach,
vielleicht erst in Wochen und Monaten, unter den
Trümmern aufzusinden sein. Mit Ausnahme nur
einiger weniger der Verunglückten haben die an
den beiden Schächten am 2. August angefahrenen

Bergleute einen plötzlichen und leichten Tod gehabt.
Ein kleines Häuflein der Unglücklichen nämlich
suchte sich unter Anführung des Steigers Bähr in
einer links vom Hosfnungsschachte gelegenen Flügel-
strecke vor dein furchtbaren Andrange der brandigen
Wetter und unathembaren Gase zu retten. Sie waren
nicht hinter Brüchen lebendig in einem großen
Grabgewölbe begraben, wie man meinen sollte: nein,
die ganz brnchfreie Wetterstrecke und der Weg zur
Tagesstrecke des Hoffnungsschachtes stand ihnen
offen; allein diese Strecken enthielten so konzentrirte
Gase, daß sie dieselben zu ihrer Rettung nicht be-
treten konnten. Einige Verwegene haben es ge-
wagt, wahrscheinlich im schnellen Lauf zur Tages-
strecke zu gelangen. Umsonst, sie bezahlten ihr
Wagstück mit dem schnellen Erstickungstode. Man
fand sie einzeln, in der Tagesstrccke liegend, vor,
und zwar unweit der letzten Zufluchtsstätte des
Steigers mit seinen wenigen Getreuen. Bis gegen
Mittag des zweiten Aug. haben einige noch ge-
lebt, wie ans dem hervorgeht, was sie in ihrer
letzten Noth noch bei dein mattbrennenden Gruben-
lichte niedergeschrieben. Einige dieser Schriften
sind schon bekannt. Der Bergarbeiier Christian
Schmidt hatte steh mittelst einer Stecknadel ein
kleines Papier an den Brusttheil seines Bergkittels
gesteckt, aus welchem mit fester Hand geschrieben
war: „Meine iieben Angehörigen, indem ich vor
Augen sehe, daß wir sterben müssen, erinnere ich
mich noch an Euch. Lebt Alle wohl und ein frohes
Wiedersehen. Das Andere muß ich Euch über-
lassen. Zwischen nenn und zebn Uhr." Und
aus der anderen Seile des Zettels stand: „Liebe
Frau! Versorge die Marie gut. In einem Buche
in der Kammer liegt 1 Thaler Geld. Lebt wohl,
liebe Mutter und Geschwister. Auf Wiedersehen!
Von 10 Uhr an haben die Verunglückten ihre
Rechnung mit dem Himmel abgeschlossen. Wahr-

scheinlich sind in Folge des Umsichgreifens giftiger
Wetier die Grubcnlichter verlöscht und in undurch-
dringlicher Finsternis; halnn die Verlassenen des
Ei-gcls gewartet, der ihre Seelen vor den Richter-
stnhl des Höchsten geleiten sollte. Die Alhmuug
wird beengt, der Nachbar sängt an zu röcheln und
spricht in Phantasien. Das Gas bringt einen
heftigen Rausch hervor. Röcheln, Seufzen, Schluch-
zen folgt, und endlich wird ringsumher Alles still!
Die Verunglückten liegen in Ohnmacht, die nach und nach
ohne Bewußtsein der Sterbenden in den Tod über-
geht. Die Natur zerreißt die Bande nicht, die sie
geknüpft hat: nein, sie löst sie auf, mit sanfter
liebender Hand!
A u s l a rr d.
Florenz, 14. Aug. Man ist seit alten Zeiten
her gewohnt, es einander nachznschreiben, Toeckana
sei vorzugsweise die italienische Provinz, in welcher
Sitte und Artigkeit auch bis in die unteren Volks-
klassen verbreitet seien, wo Verbrechen äußerst sel-
ten vorkämen und man von Rohheiten am we-
nigsten belästigt werde. Allein in Toskana kom-
men Rohheiten und Verbrechen vor, wie sie in
anderen Provinzen Italiens nicht Vorkommen: die
unmenschlichen und stupiden Angriffe auf die Eisen-
bahnzüge. Vor einigen Jahren verging kaum ein
Monat, ohne daß nicht ein oder der andere Zug,
besonders nächtliche, auf der Strecke von P'stoja
bis hierher mit Steiuwürfen begrüßt worden wäre.
Die Steine waren oft von solcher Größe und
Schwere, daß sie nur aus nächster Nahe geschlen-
dert sein konnten; nichtsdestoweniger blieben die
Thäter unentdeckt. Vor einer Woche nun wurde
auf derselben Strecke auf den hieherfahreuden
Nachtzug, iu welchem sich unter Andern auch der
Abg. Guerzoni befand, eine Schußwaffe abgefeuert.
Glücklicherweise wurde Niemand verletzt, aber auch

Ein Werk der freien CivilisaLiorr.

('Lchluß.)
Hier die Spärlichkeit, dort der Ucbersluß des Er-
werbes ! Hier die Aengstlichkeit der Ilcbervölkerung, die Sorge
um die zahlreiche Familie, dort die Kühnheit der neuen
Kolonisirung und die Krastfüllc der sich vermehrenden Fa-
milienglieder. Und anders im Raume der Natur und
in Zahl der Menschen scheint auch die Thnt des Mcnschcn-
geistes eine andere dort wie hier. Was in unserer Kleinheit
und Enge uns hier groß erscheint, ist dort in der Größe
des Raumes und der Weite des Unternehmungsgebietes ein
Kleines und kaum Bcachtenswerthes.
Tie Bahn, die nun vollendet ist, verbindet New-Pork
und Kalifornien. Tie Strecke wird jetzt in etwa sechs Tagen
zurückgelegt werden, wozu mau sonst eben so viele Wochen, ja
Monate brauchte um halb auf Land-, halb aus Seewegen
die fernen Punkte des Westens zu durchreisen. Aber auch
die sechstägige Reise soll die Fahrgäste nicht von der Civili-
sation trennen. Die Passagier-Wagen enthalten Schlaf-
zimmer, Restaurationen und Lcsekabinette. Ja, ein Drucke-
reiwaggon begleitet jeden Zug, worin täglich zwei Zeitun-
gen rcdigirt, gedruckt und cxpedirt werden, welche die

graphischen Nachrichten verbreiten, die der Draht von Ost
und West voraussendet, um die Reisenden von allen Wclt-
begcbeuheitcn iu Kenutuiß zu setzen.
Vorerst stehen zweitausend Güterwagen bereit, um die
Produkte von Ost und West und de» dazwischen liegenden
Strecken hin und her zn befördern. Die Erweiterung des
Verkehrs wird auch diese Hilfsmittel des Gütertransports
vergrößern. Dreihundert und fünfzig Lokomotiven sind znm
Dienste bereit und auf der Strecke vertheilt. Wasser-Reser-
voire, Kohlen- und Holzschuppen, Werkstätten und Stations-
punkte sind angelegt. Bergdurchstiche und Thaldämme,
Tunnel und Brücken, Felsen-Gruppen und Urwaldlichtungen
bieten Abwechselung ini reichsten Maße auf der Fahrt.
Der Schienenweg von Ocean zu Ocean verkürzt die Reise
um das Erdenrund; denn dem großen Werke schließt sich
schon der Plan einer regelmäßigen Dampfschifffahrt an über
den stillen Ocean nach dem asiatischen Festlande, einen neuen
Ring bildend in der Kette, welche den Erdkreis umspan-
nen soll.
Unsere heutige Betrachtung wollen wir mit der einen
Betrachtung schließen, daß weder Staatsgelder noch Staats-
garantien nöthig waren, um das Unternehmen ins Leben
zu rufen. Die Gesellschaften, welche das Werk begonnen
tele-! und durchgeführt, sind aus der eigenen Initiative der Un-

ternehmungslust entstanden. Sic wurden in ihrem Wunsche
nach Gewinn von dem richtigen Bewußtsein geleitet, daß ein
Werk der Zivilisation stets von der Menschheit selber ge-
tragen und hinreichend dotirt wird, sobald cs nur im freien
Staatswesen seine Vollkraft entfalten kann.
Verschiedenes.
— (Ein davongelaufencr Trauring). Mau schreibt
aus Rostock: Tie alte Sage von diebischen Vögeln hat
jüngst, wie mau dem „N. T." berichtet, iu hiesiger Gegend
einen neuen Beleg gefunden. In den: Dorfe M, hier in
der Nähe, wird die Kirche reslaurirt, und wenn gleich die
Fenster zum Theil noch fehlen, zum Theil nur zur Hälfte
verglast sind, so wird iu der selben dennoch Gottesdienst abgc-
haltcn. Vor einigen Tagen sollten daselbst drei Paare ko-
pulirt werden. Den beiden ersten Trauungen schaute eine,
einen: dortigen Einwohner gehörige Dohle, auf der Kauze!
sitzend, zu. Kaum ist das zweite Paar abgetreten, der Pre-
diger in seinen Beichtstuhl gegangen, um der Ankunft des
dritten Paares zu harren, so fliegt die Dohle auf den Altar
herab, ergreift einen der beiden von: Prediger dort zurück-
gelassenen Trauringe und entfliegt damit aus dem Fenster.
Der Prediger konnte sich aus dieser Verlegenheit nicht an-
ders helfen als daß cr seinen eigenen Ring dazu verwendete.
 
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