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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 136
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0549

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«rettag. IS. November 1868. >'o. 136. Dritter Jahrgang.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Alle Postanstalten and Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 17. Nov. In der Ersten
Kammer unserer Landstände zeigte sich bei Be-
rathung über die Abänderung des Wahlmodus
vielfach eine entschiedene Hinneigung zum directen
Wahlrecht. Merkwürdig, welche Freisinnigkeit in
diesem Körper herrscht! Wer seither glaubte, daß
die Zweite Kammer naturgemäß berufen sei, die
Rechte der Landesbevölkerung zu wahren und aus-
zudehnen, wird jetzt eines Andern belehrt.
Adel und Geistlichkeit sind also dafür, daß
man dem Volke das directe Wahlrecht einrüume;
letztere, weil sie die Mehrheit des Landvolkes in
ihren Händen weiß und somit über eine willenlose,
blindlings gehorchende Masse verfügen kann, die
auf's Stichwort geht. Der Adel hat bei einer
rückläufigen Bewegung keinenfalls zu verlieren
und kann somit dem directen Wahlrecht mit aller
Ruhe entgegen sehen.
Auffallend ist nur, was wir bei dieser Gelegenheit
noch erwähnen wollen, daß die ultramontane Presse
jedesmal, wenn sie eine Lanze für die Einführung
des directen Wahlrechtes bricht, eine Autorität ins
Feld führt, die sie in allen andern Fällen ver-
wirft: Graf Bismarck nemlich mit seinem
Ausspruche, daß die indirecten Wahlen eine Fäl-
schung der öffentlichen Meinung seien.
Wie kommt es. daß man in diesem einen
Falle so viel auf die Ansicht des edeln Grafen
gibtd — Weil eben dessen Ausspruch in den Kram
der Herren paßt!
Nun, was von Bismarks Freisinnigkeit
zu halten ist, wissen wir Alle nur zu wohl und
können darum in dem Ausspruche des Herrn
Grafen noch lange nicht einen Ausfluß wirklicher
Liberalität, mit welcher er bisweilen scheinbar
um sich zu wersen beliebt, finden, sondern glauben

Eine russische Ehe.
Aus der letzten Zeit der Leibeigenschaft.
Von A» dort K.
(Fortsetzung.)
Natalie deutete auf die Karte, — die alte Dame hob
sie auf und las: „Fürst Michel Biclski, Gardecapitain."
Sie sah Natalie fragend an und begriff nicht in welchem
Zusammenhänge dieser ihr völlig unbekannte Name mit
ihrer Aufregung stand.
Natalie sah schweigend da und sah mit verdüstertem
Blick vor sich hin.
„Welche Mahnung," rief sie, welch' schreckliche Mah-
nung an mein Loos! und das jetzt, jetzt indem Augenblick
stit langer Zeit, wo ich es vergessen hatte! — liebe Lacoste,
dieser Bielski — weißt Tu, wer er ist?. . . komm, Du
sollst Alles erfahren, jetzt mein ganzes Leben kennen und
selbst urtheilen, ob mir zu helfen ist, ob es für mich eine
Zukunft gibt!"
Die alte Dame trat theilnahmsvoll zu ihr, streichelte
und liebkoste sie, nahm den Platz neben ihr und Natalie
begann zu erzählen:

uKlipehr, daß er die Vortheile am besten zu wür-
digen weiß, welche der Conservalismus und die
^Lsaction ans einer solchen weitgehenden Maßregel
'rL^iehen versteht.
Aus dem Amtsbezirk, 16. November.
In unserer benachbarten Pfalz gewinnt die Fort-
schrittspartei immer mehr Boden. In Rocken-
h a n s e n constitnirte sich dieselbe am Sonntag
vor 8 Tagen, um noch rechtzeitig als geschlossener
Phalanx in den Wahlkamps, der sich heule in ganz
Baiern vollzieht, eintreten zu können. Die Worte,
welche bei Eröffnung der Versammlung von dem
Vorsitzenden gesprochen wurden, ließen sich bis in
die Einzelheiten auch ans unsere öffentlichen Zustände
anwenden und zeigen, daß die verschiedenen Par-
theien in ganz Deutschland mit den ähnlicher
Mitteln die gleichen Zwecke verfolgen, daß sich
dort wie hier der Ultramontanismus und der
Liberalismus gegenüber stehen und einander auf
Leben und Tod bekämpfen.
Aus Vsdeu, 15. Nov. In Folge des
neuen Wehrgesetzes sind auch die Mennoniten zur
persönlichen Erfüllung ihter Militärpflicht heran-
gezogen worden. Die Militärkommandos wurden
nun daraus aufmerksam gemacht, daß den Rekruten
mennonitischer Konfession der Fahneneid miitelst
Handschlags abzunehmen ist.
Karlsruhe, 15. Nao. (Zweite Kammer.)
Die Vorlage wegen Forterhebung der Steuern
für drei Monate nach bisherigem Umlagefnß wird
eingebracht. Das Budget des Staatsministerinms,
des Ministeriums des gr. Hauses und des Aus-
wärtigen wird nach der Regierungsvorlage mit
allen gegen drei Stimmen (Baumstark, Lindau,
Lender) genehmigt. — Kiefers höchst interessan-
ter Bericht bezüglich der bürgerlichen Standesbe-
amtung und obligatorischen Civilehe enthält zu 31
Paragraphen des Entwurfs Abänderungsvorschläge,

„Ich bin die Tochter armer Bauern aus dein Dorfe
Pokrowo im Orelschen Gouvernement. Meine Mutter habe
ich nicht gekannt, sie starb, als ich zur Welt kam, den Vater
verlor ich mit dem zwölfteil Jahre. Man nahm nnch, die
Verwaiste, in den herrschaftlichen Hof, wo ich mit andern
Mädchen meines Alters die Tage in Nichtsthun verlebte,
und das Gnadenbrot» des Herrn aß. Unser Herr war —
Fürst Bielski, der Vater dieses Bielski's dessen Namen ich
auf seiner Karte mit Entsetzen gelesen! denn die Erinnerung
an diesen Namen ist so fürchterlich, daß sie hier, wo ich sie
am wenigsten erwartet hätte, mich doppelt tief erschüttert!
— Der alte Fürst war Wtttwer und lebte auf seinen
Güter», während sein einziger Sohn und Erbe in Peters-
burg in einem Garde-Regiment als Junker dienie. Der
Fürst war eben kein böser Herr, wenigstens nicht schlimmer
als viele Andere, er war zuweilen sogar milde und wohl-
thätig, nur durften seine Leidenschaften nicht ins Spiel kom-
men, denn diese machten ihn egoistisch, bart, grausam; da
kannte er keine Hindernisse, da mußten alle Mittel seinem
Zwecke dienen. Er war ein Wüstling, die Mädchen fürch-
teten ihn, und gingen ihni aus dem Wege, soweit sie nur
konnten. Ich wuchs heran und hatte mein sechszehntes
Jahr erreicht. Im Dorfe lebte ein junger Bursche Namens
Nikolai Sokolofi, der mir gut war, und theilte ich auch

darunter viele Redaktionsänderungen. Zwei Mit-
glieder der Commission sind für fakultative Civil-
ehe. — Morgen Verhandlungen über das Gesetz.
Deutschland.
München, 14. Nov. Die „Correspondenz
Hoffmann" meldet: Die bekannten Führer der
patriotischen Bauernvereine, Freiherr v. Hafen-
brüdl und Dr. Pfähler, ließen bei einer jüngst
abgehaltenen Versammlung in Auerbach auS-
sprengeu, daß sie im Aufträge des Königs reisen.
Der König hievon in Keuntniß gesetzt, hat dem
Bezirksamtmann sofort telegraphisch eröffnen lassen,
daß die Vorgabe der genannten Herren, in seinem
Aufträge zu reisen, durchaus unwahr sei, und hat
zugleich befohlen, daß diese, jeden Grundes ent-
behrende Erfindung sofort und allerseits wider-
rufen werde.
München, 15. Nov. Sicherem Vernehmen
nach richtete der König dieser Tage ein Huuo-
schreiben an den Bischof von Passau, in welchem
er seine Anerkennung für die Bemühungen des
Bischofs zur Erhaltung des Friedens zwischen
Kirche und Staat ausdrückt.
* Hannover, 15. Nov. Wie der Baaüe-
richt über die letzte Vermehrung der norddeutschen
Flotte durch die gedeckte Schraubencorvette „Elisa-
beth" ausweist, ist dieses Schiff mit alleiniger
Ausnahme der noch ans England bezogenen Ma-
schine nun ans inländischen Fabriken und inlän-
dischem Material vollendet worden. Da die
Leistungen der norddeutschen Maschinenfabriken je-
doch in jeder Hinsicht in stetem Znnehmen be-
griffen sind, ja die des Auslandes theilweise schon
übertreffen, so wird die Marine Norddeutschlaads
mit den nächsten Schiffbanten nicht mehr vom
Anslande abhängig sein und soll der erste Versuch
mit der Glaltdeckcorvctte „Ariadne" gemacht wer-

seine warme Liebe nicht, so hatte ich doch keine Abneigung
gegen ihn. Nicolai war nicht arm, hatte sein eigenes
Häuschen, besaß einige Stücke Vieh, kurz Alles, was den
Wohlstand des Bauern ausmacht. Eines Tages, es war
im Februar 1854, begab sich Nicolai zum Herrn, that
einen Fußfall und bewarb sich um mich. Der Herr schien
Nichts dagegen zu haben und befahl ihm, mich zu holen.
Von der allgemeinen Furcht vor ihm angcsteckt, trat ich zum
ersten Mate vor den Herrn, bis dahin war ich ihm b stä i ,
dig ausgewichcu... ich werde nie deu Blick vergessen, mit
dem er mich vom Kopf bis zum Fuß musterte, ich senkte
die Augen zur Erde und bebte unter diesem Blick, den ich
auf mir lasten fühlte. „Du hast keinen Übeln Geschmack
Nikolai," sprach der Herr in scherzendem Tone, „ich gönne
Dir Dein Glück, Tu mußt Dir's aber verdienen ; ich laß
Euch trauen — Du gehst aber denselben Tag unter die
Aekruten und dienst unser»! Kaiser in Tr u und Wahrheit
drei Jahre, während dieser Zeit bleibt Natascha unter uui-
nem Schutz — und kommst Du bann zurück, magst Du
sie als Dein Weib heimführen." Der arme Nikolai ver-
stand sehr wohl, was dieser Schutz bedeutete und erschrak
zu Tode, er warf sich dem Herrn zu Füßen, bat, flehte . ..
^ Alles vergebens! Der Fürst blieb bei seinem Ausspruch
i und rief endlich ärgerlich, „mach' ein Ende Bursche, unter
 
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