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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 41
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0169

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Freitag 9. April l869.

u>0. 41.

Dritter Jahrgang.
Preis: '/.jährlich ^!5kr.
per Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Namn mit nur
2 kr. berechnet.
Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.
für die Bezirke Schwetzingen und Philippsliury.
Verkündigungsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Grgcm der badischen Kopfenproducenten
(unter Kontrole der landtvirthschaftlichcu Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).

Erscheint Son n tag,
M iltivo ch und
Freita g.
Alle Postanstalten und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.


H- Tagesübersrcht.
Schwetzingen, 7. April.
Die Erlwnnng einer St. Gotiharötbohn, welche
Deutschland mit Italien ans kürzestein Wege in
Verbindung setzen würde, ist gegenwärtig Gegen-
stand einer lebhaften Erörterung der dabei bethci-
ligten Länder.
Die Realisirnng dieses Projektes ist von hoher,
volkswirtschaftlicher Bedeutung und würde eine
weit innigere Verknüpfung der materiellen Interes-
sen Deutschlands mit Italien im Gefolge haben,
als dies bis daher der Fall gewesen.
Auch die badische Regierung hat sich im Hin-
blick auf die Wichtigkeit eines Anschlusses au die
italienischen Linien veranlaßt gesehen, den Schritten
beizutreten, welche die norddeutsche Bundesregierung
im Vereine mit Italien bei der Schweiz, behufs
der Ausführung des beabsichtigten Unternehmens
eingeleitet hat.
In den russischen Ostseeprovinzen geht das
Werk der Russifizirung in der Weise, wie sic bei
halbasiatischen Völkerschaften üblich ist, vor sich.
Das deutsche Element wird rücksichtslos unterdrückt
und muß dem Russenthum absolut weichen. Selbst
die Tagesblätter sind angewiesen für Inserate in
deutscher, eine höhere Jnsertionsgebühr zu berech-
nen als für solche, in russischer Sprache.
Wenn bei uns übrigens einmal eine russische
Annonce aufgegeben werden sollte, werden wir
Repressalie üben und 4 statt 2 kr. pro einspaltige
Zeile berechnen, darauf können sich unsere Leser
verlassen!
In französischen Blättern spricht man viel von
dem Wunsche Belgiens hinsichtlich einer „Zolleini-
gung" mit Frankreich.
Diese „Zolleinigung" wäre ziemlich gleichbe-
deutend mit einer Annexion Belgiens auf kommer-
ziellem und Volkswirts,schaftlichem Gebiete.


M c ö e l e ö t.
Novelle von Hermann U h d e.
(Fortsetzung.)
Endlich — endlich war der Tag, der große entschei-
dende gekommen. — Vier Jahre waren wir aus Deutsch-
land abwesend, — unvorbereitet überraschte ich eines Mor-
gens unfern Freund nnt der Nachricht, daß wir abreisen
müßten.
Erstaunt fragte er nach der Ursache eines so plötzlichen
Entschlusses. — Wir sind hier an einem schönen, gesunden
und friedlichen Orte, rief er aus; warum wollen wir davon
warum bleiben wir nicht hier?
Es darf nicht sein, gab ich ihm zur Antwort — wir
müssen unverzüglich von hier fort. Wir sind auch an diesem
anscheinend so versteckten Zufluchtsorte ausgespürt worden,
in dem Torfe habe ich fremde Menschen mit verdächtigen
Gesichtern umhcrschleichen sehen; unsere Sicherheit ist ge-
fährdet — nur schleunige Flucht kann uns noch retten.
Stumm folgte mir Wartcnau, sich all meinen Anord-
nungen fügend. Erst als wir im Wagen saßen, fragte er
mich: Und wohin führt unser Weg?
Nach Rußland! o-twortete ich, vorbereitet auf die
Frage, ohne Säumen sind im unbefangendsten Tone.

Die Belgier wittern aber auch schon die im Hinter-
gründe lauernde politische Einverleibung
und schieben daher die Ehre der Erfindung einer
Zolleinigungsidec den Franzosen, von welchen sic
ansgeht, zn.
Tie französische Regierungspresse hat die Wei-
sung erhalten, sich aller Auslastungen gegen Preu-
ßen zu enthalten. Vielleicht wäre es ein zuver-
läßigeres Friedenszeichen, wenn die französischen
Tagesblätter forlfahrcn würden, den preußischen
Offiziösen den Krieg bis aufs „Canif" zn machen,
denn die Hunde welche bellen, beißen nicht! — Die
Beamten sind von dem Minister des Innern an-
gewiesen, bei den Wahlen für den gesetzgebenden
Körper für die Negiernngskandidaten zn wirken,
ansonsten — — nun die Herren werden wissen,
was ihnen blüht, wenn sie nicht alle Minen sprin-
gen lassen! Wie es heißt sollen die Wahlen am
23. und 24. Mai vor sich gehen.
Nicht nur von München und Karlsruhe, son-
dern auch von Stuttgart aus wird das Gerücht
einer Kündigung der Schutz- und Trutzbündnifse
entschieden in Abrede gestellt. Ist jene Ausstreu-
ung ein Fühler der öffentlichen Meinung gewesen,
so kann die Reaktion ihre Hörner wieder einziehen;
sie weiß nun genug.
In Karlsruhe findet künftigen Montag wieder
ein Bürgerabcnd statt. Bekanntlich hatte der vo-
rige polemisirende Zeitungsartikel zur Folge, welche
auf die persönliche Gereiztheit der Betheiligten
schließen ließen.
Baden.
** Schwetzingen, 7. April. Es ist bcach-
tenswerth wie pfiffig die ultramontane Partei
jede Lage für sich ausznbcute n versteht.
Sobald den bewußten Feiertagen der staatliche
Schutz entzogen war, griff sie die betreffende Ver-
ordnung aufs heftigste an und schrie Mord und
Zeter über die Entchristlichung des Staates.

Der Acrmste sticß einen tiefen Seufzer aus, vergrub
sein Haupt in die Kiffen des Wagens und versank wieder
in die düstere Schwcrmuih, aus welcher ich ihn kurz vorher
nur auf einen Augenblick aufgcrüttelt.
Ohne irgend einen Aufenthalt, als denjenigen, welchen
das Wechseln der Pferde auf den verschiedenen Stationen
unserer Reise bedingte — was noch dazu durch meine An-
ordnungen so viel als irgend möglich beschleunigt wurde,
fuhren wir, immer im Galopp davon, drei Tage und vier
Nächte lang. Ich hatte einen genügenden Vorrath von Le-
bensmitteln mit in den Wagen genommen, so daß wir nicht
nöthig hatten, vor Wirthshäuscrn anznhalten, und wie im
Sturme ging cs vorwärts, immer weiter, immer näher un-
scrnr Ziel.
Ferdinand sprach fast gar nicht; kaum daß er einige
gleichgültige Worte äußerte, so versank er wieder in sein
Hinbrüten; die Schönheit der Landschaften, welche wir durch-
eilten, kümmerte ihn gar nicht — er warf keinen Blick
durch di- ohnehin von mir fast ganz verhüllten Wagenfenstcr.
Nur am dritten Tage unserer Reise schaute er einen Moment
hinaus und sagte dann fröstelnd: Es wird hier jetzt recht
kalt, wir müssen bald am Ziel sein! Und zitternd hüllte
er sich in seinen Mantel.
Um die Mitte der vierten Nacht, in der tiefsten Jjn«

Jetzt, wo cs sich gezeigt Hot, daß die Begebung
dieser Tage auch ohne polizeilichen Machtsprnch
möglich ist, kehrt sie den Stiel um und gibt sich,
als Hütte sie diesen Schutz jederzeit für lästig und
verfänglich gehalten und als wäre ihr von ' jeher
nichts erwünschter gewesen als dieser Wegfall des
staatlichen Schutzes. Das kann man doch wahr-
lich „in allen Sätteln gerecht" nennen!
Mannheim, 6. Apr. Der Verlauf des
gestrigen Tages war, was unfern Pfcrdemarkt
betrifft, ein in jeder Hinsicht befriedigender. Nicht
nur die Fettviehhalle auf der Wiese zunächst des
alten Personen-Bahnhofs und die daranstoßenden
Baracken waren vollständig meistens mit den edel-
sten Reit- und Wagenpferden besetzt, sondern auch
noch sämmtliche in der Stadt verfügbaren Stal-
lungen wurden vcrmiethet, — in Gasthäusern
sowohl, als bei Privaten.
Deutschland.
Muttchen, 5. April. In der Kammer der
Abgeordneten stand die Kreditforderung des Kriegs-
ministeriums von 4,765,000 fl. für Anschaffung
von Hinterladcgewehren auf der Tagesordnung,
Man halte auf eine unangefochtene Annahme dieses
Vorschlags gerechnet, aber wider Erwarten gestaltete
sich die Debatte zu einer sehr lebhaften. Schon in
der allgemeinen Diskussion sprach außer Nuland,
der natürlich gegen jede Vcrwilligung war und
sich — der katholische Geistliche — zu dem
mohamedanisch-fatalistischcn Satz verflieg: wenn
unser Herrgott seinen Schutz versagt, dann helfen
alle Hinterlader auch nichts; außer dieser reinen
Negation sprach Jordan (Deidesheim) für eine
gleichhcitliche Bewaffnung aller deutschen Armeen
und gegen jede Sonderst ellung des einzigen Bayern,
Dagegen erwiederte der Kriegsminister v. Prankh:
die Nothwendigleit der Neubcwaffnung fei aner-
kannt, aber cs handle sich nicht um Einführung
des besten, sondern um die eines absolut guün

sterniß, hielt endlich unser Wagen vor einer Behausung an,
worin man nicht ein einziges Licht erglänzen sah, welche?
die rings vorherrschende Dunkelheit freundlich erhellt hätte;
ich forderte Ferdinand auf, auszustcigen, und nahm ihn an
der Hand, vorsichtig als Führer durch lange und düstere
Corridorc hiutappcnd.
Bald erreichte ich eine Thür, welche ich öffnete und wir
betraten ein gleichfalls ganz finsteres Gemach.
Wo sind wir? fragte mich Wartenau.
In dem WirthShause eines Dorfes ganz in der Nähe
von Moskau, gab ich zur Antwort.
Erstaunt äußerte er seine Verwunderung über die tiefe
Nacht, in welche daS ganze Haus eingehüllt war; allein ich
antwortete ihm, dies sei eine von mir klüglich ergriffene
Vorsichtsmaßregel, denn immer noch müßten wir befürchten,
verfolgt zu werden, und ich wolle auch nicht den geringsten
Verdacht aufkommen lassen.
Meine Antwort beruhigte ihn vollständig; er entkleidete
sich im Dunkeln mit meiner Hülfe; und durch die Anstren-
gungen der langen Reise erschöpft, sank er, von großer Mü-
digkeit überwältigt,, auf seinem Lager bald in festen Schlum-
mer, welchen seine regelmäßigen tiefen Athemzüge deutlich
genug verkündeten.

(Fortsetzung folgt.)
 
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