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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 141
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0569

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Xo. 141.

Dritter Jahrgang.

Dienstag, 29. November 1869.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Petitzelle oder deren Raum 3 kr.


Von heute au wird unser Blatt hier
Vormittags 9 Uhr ausgetrageu werden.
Anzeigen sind von jetzt an unabänder-
lich bis längstens Mittags 12 Uhr des
Vorhergehenden Tages aufzugeben.
Wir bitten höflichste hievon Kenntniß
zu nehmen, damit wir durch verspätete
Aufgabe der Inserate nicht mehr in die
unangenehme Lage verseht werden, von dem
jetzt angenommenen Princip wieder abweichen
zu müssen. Achtungsvoll
Die "Expedition.
* Der erste Bnrgerabend
in Schwetzingen.
(Schluß.)
Ein weiterer Schritt zur Hebung der Hemmnisse,
die sichderBnrgerrechtsordnung entgegen stellten,wurde
durch das Gesetz vom 4. Oct. 1862 herbeigeführt.
Während zuvor, hinsichtlich der Eheschließung, der
Nachweis von Vermögen u n d Nahrungszweig
nöthig war, sprach letztere Verordnung nur den
Nachweis eines Vermögens oder eines Nahruugs-
zweiges, sowie die iheilweise Befreiung der orts-
fremden Braut vom Einkaufsgelde aus.
Mehr und mehr machte sich seiiher übrigens
gerade auch im Hinblick auf die veränderten, soci-
alen Verhältnisse das Bedürfuiß geltend, das Ge-
meindewesen auf allen Gebieten gründlich zu re-
formiren, und so entschloß sich denn unsere
Regierung den Laudständen eine den modernen
Staatsverhältuissen entsprechende Gesetzesvorlage

über die Gemeindegesetzgebuug zu machen, die nun-
mehr unseren Kammern zur Verhandlung und
Annahme unterbreitet ist.
Nachdem Redner so einen höchst interessanten,
lichtvoll gehaltenen Abriß der Geschichte unseres
Gemeindeverfassungsweseus gegeben, ging derselbe
auf die Gesetzesvorlage selbst über, verbreitete sich
über die verschiedenen Ziveige derselben und machte
hierauf die Zusammensetzung der Ge -
m e i n d e b e h ö r d e, wie die Gesetzesvorlage sie
bestimmt, zum Gegenstand der Debatte.
Nach dem Entwürfe soll nunmehr der Ge-
meinderath v e r g r ößert, der Kleine Ausschuß
gänzlich beseitigt, dafür die Machtbefugniß des
Größen Ausschusses bedeutend erweitert, letzterer
-abe^ als Wahlcollegium seiner Funktion enthoben
werden.
Die Ernennung des Bürgermeisters sowie der
Gemeinderäthe soll durch direkte und geheime
Wahlen der Gemeindebürger vollzogen und die
Amtszeit des Bürgermeisters ans sechs Jahre her-
abgesetzt werden.
Die Betheiligung des Großen Ausschusses an
der Gemeindeverwaltung soll eine weit unmittel-
barere als bisher sein, genannte Körperschaft soll
die Controlle über den Gemeindehaushalt führen,
bei der Aufstellung der Voranschläge Mitwirken
und befugt sein, ohne zuvor eingeholte Genehmi-
gung des Staates, Gemeindeeigenthum zu ver-
äußern, zu erwerben, die Gehalte der Gemeinde-
behörden zu bestimmen rc. rc.
Der Bürgermeister bedarf künftighin nich mehr; j
der Bestätigung der Regierung. Die Entassungl
der Gcmeindebeamten aus ihrer Funktion, soll nur
noch auf Antrag der Gemeinde selbst stattfinden
können.
Soweit gekommen, schloß Herr Oberamtmann
Richard seinen Vortrag und ersuchte die An-

wesenden , ihre Ansichten über die Gcsetzesvorlage
nun zu erkennen zu geben.
Der Vorsitzende dankte dem Redner im Namen
der Versammlung für die Darlegung der Gesetzes-
vorlage und eröfsnete nun die Debatte, die einen
sehr lebhaften Verlauf nahm und aus welcher
ersichtlich war, daß sämmtliche Anwesende den Ne-
gierungsentwurf als zeitgemäß und Rssen Annahme
als wünschenswerth beurtheiiten.
Nachdem der Vorsitzende darauf hingewiesen, daß
eine formelle Meinungsäußerung um so wünschens-
werther, als dieselbe zur Information unseres Ab-
geordneten nöthig.sei, erklärte Herr Bürgermeister
Wittmann Namens seiner Umgebung, daß
man d>e Reform der Gemeindebehörde in gedachter
Weise als zweckmäßig anerkenne und nur den
Großen Ausschuß seiner erweiterten Befugnisse
wegen aus Clnsseuwuhleu bervorgehen zu sehen
wünsche, damit auch die besitzende Minderheit der
Bürger rächt ohne Einfluß aus die Beschlüsse
dieser Körperschaft bleibe.
Diese Erklärung, welche sich von Cirkel zu
Eirtel fortpflanzie, war unverkennbar der Ausdruck
der allgemeinen Ansicht und versprach Herr Amts-
richter Diez dafür Sorge zu tragen, daß diese
Meinungsäußerung unserem Abgeordneten, Herrn
Dr. Gerber, mitgetheilt werden solle!
Schließlich kam die Debatte noch auf den Ehe-
konsenz, bei welche Gelegenheit sich Herr Ober-
amtmann Richard unter der lebhaften Zustim-
mung der Anwesenden dahin äußerte, daß der
Wegfall aller hemmenden Bande bei der Ehe-
schließung wünschenswerth sei; daß ein paarge-
sunde Arme und das Herz am rechten Fleck der
Ausweisung eines Vermögens, das verloren gehen
könne, während Fleiß und Sparsamkeit sich immer
emporzuarbeiten wissen, vorzuziehen sei.
Nachdem Redner noch die Zusicherung gegeben,

Eine russische Ehe.
Aus der letzten Zeit der Leibeigenschaft.
Von A. von K«
(Fortsetzung.)
Frau Lacoste versuchte einst, das zarte Thema ihrer
Vergangenheit zu berühren, ihr Vorstellungen zu machen
— da antwortete Natalie:
.Beruhige Dich, liebe Lacoste, der Fürst liebt mich
nicht, die Gefahr wäre also nur für mich! — für mich
giebt es aber keine Zukunft, Du weiht es — laß mich also
wenigstens diesen süßen Traum träumen — er ist fo schön
daß er auch nach dem Erwachen genügen wird, mein gan-
zes Leben auszufüllen!"
In der That hatte der Fürst noch kein Wort von
Liebe gesprochen, aber sein ganzes Benehmen hätte Natalie
doch aufklären müssen, wäre sie in Herzensangelegenheiten
nicht noch ein halbes Kiind gewesen. Dieses Herz hatte bis
zum zweiundzwanzigsten Jahre nur Dank und Anhäng-
lichkeit zu seinem Wohlthäter erfüllt, jetzt Plötzlich erschien
ihr ein Mann, der Alles besaß, um sie zu fesseln — ihres
eigenen Gefühls war sie sich klar, aber seine Unbefangen-

heit, sein ewiger Frohsinn schienen ihr eine Bürgschaft: daß
ihr Herz allein in Gefahr.
Eines Tages war Frau Lacoste unpäßlich und die
jungen Leute wunderten allein aus, wie sie cs schon öfters
gethan hatten. Natalie bemerkte bald, daß der Fürst zer-
streut, nicht so gesprächig, nicht so heiter wie gewöhnlich
war, und frug ihn, ob ihm etwa? fehle.
„Ich habe Sorgen, mein liebes Fräulein!"
„Sorgen! Sie Fürst, Sorgen? Ich meinte, Sie wä-
ren einer der Glücklichen dieser Welt, die jeglicher Sorge
unzugänglich!"
„Ta müßte ich ja ein Egoist sein, mein Fräulein, und
der bin ich nicht; was mich drückt, ist eben die Sorge uni
einen Andern — und Sie werden nicht wenig erstaunen,
wenn Sie erfahren, daß dieser Andere mein Die-
ner ist!"
„Ihr Diener?"
„Ja, mein Diener, aber auch dazu mein Freund, ich
bekenne es mit Stolz. Ich verdanke ihm mein Leben und
jetzt — vielleicht mehr noch als mein Leben, denn eigentlich
bin ich nur seinetwegen im Auslande..."
Er betonte diese Worte und begleitete diese erste An-
spielung mit einem Blick, der Natalie erbeben machte.
„Lassen Tie sich erzählen, wie die? zusammenhängt,"

fuhr er fort, „Sie wissen, daß ich als Lieutenant in den
Krimkrieg ging und dort ineine erste militairische Thntig-
keit bei Sebastopol begann. Ich diente in der Artillerie
und stand mit meiner Eompagnie auf der Bastion, der
Feind bombardierte unausgesetzt, mancher tapfere Kamerad
war schon unter meinen Augen gefallen, wir befanden uns
auf einer Anhöhe, an einem der ausgcsctztesten Punkte. —
Plötzlich sah ich einen unserer Soldaten auf mich zustür-
zcn .. in dem Augenblick fiel er zu nieinen Füßen . . .
dies Alles ging schneller vor sich, als ich es Ihnen mit
Worten erzählen kann, — ich stand unverletzt, mein Netter
aber hatte die mir zugcdachtc Kugel in der Brust! — Ich
ließ ihn in mein Zelt tragen und so bedeutend er auch ver-
wundet war, so gelang es doch sein Leben zu erhalten.
Später erfuhr ich, daß außer der Aufopferung des (N-
meinen für seinen Officier, er noch andere Gründe hatte,
über mein Leben zu wachen, — es war einer von unfern
Bauern, ein Nelrut ans dem Gute meines Vaters und der
Haupttrieb seiner schönen That war die unverwüstliche An-
hänglichkeit des russischen Bauern zu seinem Herrn. Von
dem Augenblick an ließ ich meinen Retter nicht mehr von
meiner Seite; nach beendetem Kriege aber erwirkte ich seine
Befreiung aus dem Militairdicnste; seine in Folge der
Wunde völlig zerrüttete Gesundheit war ein genügender Grund.
 
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