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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 91
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0369

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Amts-Merkündigungsölatt für den Bezirk Schwetzingen.

Kadischr H üpsrnzritun >z.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe L-o n n t a g s b la tt. — Alle Bostanstaltcn und Baten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 lr.
Anzeigen, die dreigespaltenc Petitzeüe oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 5. Aug. Die Wahlmäimer-
wahlen nehnien in unserem Lunde ihren Fortgang,
doch unterlassen wir die Resultate, welche dabei zu
Tage treten, zur Kenntnis; unserer Leser zu bringen,
und werden erst dann, wenn die Wahlen der Ab-
geordneten stattsinden, die Ergebnisse derselben ver-
zeichnen.
Deutschland.
* Hannover, 2. August. Nicht geringes,
jedoch sehr unangenehmes Aussehen hat kürzlich
ein Act christlicher Unduldsamkeit verursacht, wie
er sich im aufgeklärten Norddeutschland nicht oft
wiederholen dürfte. Die orthodoxe lutherische Geist-
lichkeit fürchtet hier ungemein eine etwaige Ein-
führung der in den meisten übrigen Provinzen
Norddeulschlands verbreiteten Union und scheut sich
keineswegs die freisinnigen Collegen auf's Aergste
anznfeinden. Unter Anderem schloß die Bezirks-
synode zwei ihrer geachtetsten Mitglieder von ihrer
Synode vor Kurzem ans, weil dieselben dem
Protestantenverein angehörten. Ein solcher Fall
der Unduldsamkeit ist hier fast unerhört und zwar
um so mehr verwerflich, als die Synode kein Recht
zur Vollführnng dieses Actes besaß und die be-
deutendsten Geistlichen und Laien der Provinz dein
Protestantenverein angehöreu.
O c st r e i ch ischc Nt ona r ch i e.
Wien, 3. August. Der Beschluß des Wiener
Gemeinderaths in der Klosterfrage lautet vollstän-
dig : „Das Gesammtministerium wolle die geeig-
neten Bestimmungen im gesetzlichen Wege treffen,
damit 1) diejenigen Klöster und religiösen Körper-
schaften, deren Statuten und Ordensregeln mit den
staatlichen Gesetzen und Grundrechten in Widerspruch

stehen, gemäß dem Z. 1 des Vereinsgesetzes als
staatsgefährliche Vereine aufgehoben werden, und
damit 2) die Klöster und religiösen Körperschaften,
welche sich der Schul- und Krankenpflege und an-
deren Hnmanitütszwecken widmen, unter die Con-
trole der Staatsbehörden gestellt und dem für alle
übrigen Staatsbürger geltenden Vereinsgesetze, so-
wie den Visitationen des landesfürstlichen Com-
missürs unterworfen werden."
Krakau, 1. August. Der vorgestrige „Kraj"
berichtet: „Die Revision des Klosters der Karmeli-
terinnen am Prasek fand gestern statt und dauerte
den ganzen Tag. Wir kennen zwar die nähern
Ergebnisse derselben nicht, haben uns aber Mühe
gegeben, die wahrscheinlichsten Gerüchte zu sammeln.
Wie es heißt, hat inan daselbst viele Korrespon-
denzen der Prioren und Subprioren mit Beschlag
belegt. Auch viele Rezepte, Verzeichnisse über die
Klosterbesuche, sowie andere das Kloster betreffende
Papiere wurden versiegelt und weggcnommeu. Der
Gerichtskommission assistirte der Polizeikomissär Hr.
Paszma und vier subalterne Polizeibeamte. Bevor
man zur Durchsuchung der Zcllen und der andern
Theile des Klosters schritt, wurden alle Nonnen in
den Garten gesendet. Tie Revision wurde mit
größter Strenge in Anwesenheit der Subpriorin
und einer andern Nonne durchgeführt. Im Refek-
torium fand man in der Mitte des Speisetisches
auf einem Postumem einen Todtenkopf ausgestellt.
In dem benachbarten Bußezimmer befindet sich eine
große Anzahl Bußwerkzcuge, z. V. zwei Kreuze,
ein großes aus hartem Holze, das über 80 Pfund
schwer ist, uud.ein kleineres, beide dazu bestimmt,
von den Büßenden gelragen zu werden; Tragbän-
der, all deren Enden schwere Marmorsteine ange-
bunden sind, mit denen sich die Büßenden ans die
Brust schlagen müssen; einige Dornenkräuze mit
scharfeil Spitzen; aus Draht gewundene Seilcheu

mit spitzen Enden, dazu bestimmt, uni den nackten
Leib gebunden zu werden ; Geißelpeitschen, über-
haupt ein ganzes Arsenal mittelalterlicher Torturwerk-
zeuge.
lieber dem eigentlichen Chor ist ein zweiter,
„Schatzkammer" genannt. Daselbst sind vier Särge
mit vertrockneten Leichen ausgestellt. Dieselben sind
offen, und die Stelle der Deckel vertreten Glas-
scheiben. Im ersten Saal steht ein Sarg, der die
Gebeine des heiligen Michael, des Gründers des
Klosters, enthalten soll; im zweiten Saal befinden
sich die vertrockneten Leichen dreier Nonneil. In
den unterirdischen Gewölben der Kirche ist eins
große Anzahl Särge reihenweise aufgestellt, unter
welchen einer von großen Dimensionen die Auf-
merksamkeit auf sich zieht; durch die offene Seiten-
wand desselben kann man einen Rumpf von unge-
wöhnlicher Größe erblicken; der Kopf fehlt gänzlich;
der Leichnam scheint über 100 Jahre daselbst zu
liegen.
Ausland.
Vom Nrgr, 31. Juli. Der Rigi wird dies
Jahr so massenhaft besucht, daß es alle andere
Jahre übertrifft; alle Gasthäuser sind überfüllt,
Ulan ist häufig genöthigt, auf dem Boden zu liegen
oder auf einem Stuhle und Tische die Nacht zn-
zubriugen, besonders war dies der Fall, als der
Strom der Dresdener Gäste auf den Rigi sich er-
goß ; die Witterung aber ist außerordenllich gün-
stig ; die herrlichsten Tage gewähren die Aussicht
aus die prachtvolle Gletschermelt; wir hatten gestern
20o im Schatten. Der Besuch steigert sich jedes
mal, daher auch das Auftauchen allenthalben von
neuen Gasthöfen und Kuranstalten. Auf dem
Rigi wird ein großer Gasthof lind Kurallstalt zwi-
schen Wäggis und Kaltbad errichtet; zwischen Kulm
und Staffel wird ein neues Wirthshaus errichtet.

Kaiser Paul rwu Rustland.
Historische Skizze von C. N i s s e l.

(Fortsetzung.)
Wehe dem, der des Kaisers rauhe Hand küssen durste
und dabei nicht mit dem Knie so stark auf den Boden
schlug, wie e«i Soldat mit dem Gewehrkolben. Der
Kammerherr Fürst Georg Galitsyn, der dagegen verstoßen,
mußte es schwer büßen. Paul ließ, zu Ehren des ver-
storbenen Vaters seiner Gemahlin ein feierliches Todtenamt
halten, da er demselben als streng gläubiger Russe, nicht in
Person beiwohnen konnte oder mochte, so stellte er sich doch
an die Spitze der Grenadiere, welche außerhalb der Kirche,
in welcher dos Todtenamt gefeiert wu de, aufgestellt waren.
Da es sehr kaltes Wetter, so galoppirte der Kaiser hin und
her, und die Zuschauer, denen er sich zuwandte, waren da-
durch gezwungen, die Häupter zu entblößen. Ein Haufe
Menschen, der mehr als vierhundert Schritte weit von dem
Punkte stand, wo der Kaiser seine Reitcrkünste übte, bedeckte
sich, weil die Kälte zu streng war. Augenblicklich ließ der
Kaiser, als er dies gewahrte, die Leute umzingeln und in
das Gefängniß werfen. Die Adeligen darunter wurden

ihrer Aemtcr und Ehren entsetzt, die Nichtadeligcn drei
Tage hintereinander mit Ruthen gestrichen, weil sie es ge-
wagt, die Achtung vor der geheiligten Person des Kaisers
zu verletzen. Einem unter den Letzteren befindlichen Genfer,
Martin, gelang es. nur mittelst großer Bestechungen und
der Fürsprache einflußreicher Freunde, dieser schimpflichen
Strafe zu entgehen und empört über solche Schmach, ver-
ließ er zur Stelle Rußland. Paul führte auch die alte
barbarische Hofsitte wieder ein, daß jeder ihm Begegnende
absteigcn und sich vor ihm in den Schnee oder Koth der
Straße niederwerfen mußte. Unter den vielen Fällen, die
deßhalb zu strengen Strafen führten, ist einer bezeichnend.
Der in der Nähe von Petersburg ' wohnende General Li-
karow erkrankte plötzlich und da kein Arzt in der Nähe
wohnt, führt seine Frau nach Petersburg, um einen herbei
zu holen. Unglücklicherweise begegnet sie dem Kaiser.
Sie führt in der Besorgnis) um ihren Gatten hastig
an ihm vorüber, wird aber auf Pauls Befehl sofort unge-
halten und aller dringenden Bitten ungeachtet, in Arrest
geschickt; nach vier Tagen, als sich bereits die Vorboten
eines hitzigen Fiebers heraus stellten, aus dem Gefängnisse
entlassen, mußte sie in ein in der Nahe befindliches Gast-
haus gebracht werden, welches sie wahnsinnig verließ. Ihr
hilflos gelassener Gatte war indeß in Verzweiflung ge-

storben. Tie Frau des reichen Gastwirths Demuth, die
sich desselben Verbrechens schuldig gemacht, wurde endlich
drei Tage hintereinander auf der Petersburger Stadtvogtci
ausgepcitscht. Paul verbot das Tragen runder Hüte, und
die Polizei beeilte sich, dieselben den Leuten von den Köpfen
zu reißen, gleichviel, wem und wo. Ties führte zu den
seltsamsten Austritten, bis endlich durch die Intervention
des englischen Gesandten dies Verbot nur auf russische
Unterthanen und diejenigen Freunden eingeschränkt wurde,
die in Rußland ansässig waren. Jeden Russen dagegen,
der mit einem runden Hut betroffen wurde, ließ Paul
unter die Soldaten stecken, und jeden ansässigen Franzosen
in gleichem Falle als Jakobiner verurtheilcn. Der sardo-
nische Gesandte, der sich über diese Maßregel lustig gemacht,
hatte, wurde sofort aus Rußland verwiesen. Das Wort
„Revolution" war besonders streng verpönt. Die Armee
wurde durch Paul in der geschmackvollsten Weise uuiformirt,
und wehe dem armen Soldaten, dessen Knöpfe nicht stets
spiegelblank waren. Zu .Tausenden verschenkte Paul'die
leibeigenen Bauern an seine Günstlinge und Schmeichler.
Seine bäuerischen Unterthanen waren nur Dinge, mit denen
er nach Belieben schalten durfte. Hatte eS doch seine Mutter
auch nicht anders gemacht, mit dem Mark des Landes ihre
Günstlinge gemästet uud unwürdige Kreaturen mit des
 
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