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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 72
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0293

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Mittwoch, 23. Jttiii t86d.

Erscheint Sonntag,
Mittwoch und
Freitag.
-Mö Poslanstaltcn und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.

>'o. 72.

Dritter Jahrgang.


Vre i s: Alljährlich ckbkr.
per Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Raum mit nur
2 kr. berechnet.
Tic Boten erhalten
2 kr. monatlich.

Verkündigungsblatt des Amts- und Amtsgerichts-Bezirks Dchwchingen.

Organ der badischen Kopfenproducenten
(unter Kontrole der laudwi rl h schuf t l iche n Bezi rk sdi rekt i o n Schwetzingen stehend).

Bade n.
* Schwetzingen, 2t. Jnni. Die Versamm-
lung der n a ti o n a I l i b e r al e n Parteigenossen
unseres Bezirks fand gestern Nachmittag im Saale
des Gasthofs z. Hirsch hier statt. Die Belheili-
gnng war, wie voransznsehen, eine starke. Wir
bemerkten Gesinnungsgenossen ans den Orten
Brühl, Edingen, Frieorichsfeld, Hockenheim, Ketsch,
Neckarau, Oftersheim, Plankstadt, Reilingen und
Seckenheim. Der Saal tonnte die Theilnehmer
kaum alle fassen. Unter den fremden Anwesenden
führen wir namentlich an die HHrn. Staatsrath
Lamey, PH. Artaria, Abgeordneter Hoff
oon Mannheim und den Vertreter unseres Bezirks
Hrn. Dr. Gerber von Hockenheim.
Etwa nach 3 Uhr eröffnet? Hr. Dr. Gerber
die Verhandlung, indem er den Männern, die der
Einladung nachgetommen, den Dank für ihr zahl-
reiches Erscheinen, welches den Beweis ablege, daß
sie vom Ernst der Sache durchdrungen sind, ans-
spricht. Solche Krisen erfordern, daß jeder Bür-
ger der es mit dem Vaterlande ehrlich meint her-
vortrete und Farbe bekenne.
Redner schlägt hierauf Hrn. Amtsrichter Diez
zum Vorsitzenden vor, welcher Antrag unter lauter
Zustimmung angenommen wurde.
Hr. Diez nimmt das ihm übertragene Amt
dankend an, und drückt die Hoffnung ans, das;
nach dem Vorgehen anderer Städte heute auch hier
ein lebenskräftiger liberaler Verein erstehen
werde. Redner erinnert daran, daß der Bezirk
Schwetzingen im Lause der 60r Jahre nie gezö-
gert habe seine liberale und nationale Gesinnung
zu bethütigen, so damals als Staatsrath Lamey
angegriffen wurde, so bei der Wahl eines Land-
tags- und eines Zollparlamentsabgeordneten.
Heute aber reichen bei der Organisation der
Ultramontanen derartige vereinzelte, nnzusammen-
hängende Kundgebungen nicht mehr ans, man hat

erkannt, daß die feste Gliederung der liberalen
Partei eine unumgänglich nothwendige geworden.
Hr. Staatsrath Lamey ergreift hierauf in
längerer, öfters von Beifall unterbrochener Rede,
das Wort.
Die nationalliberale Partei kämpft für Wahr-
heit, Recht und Vaterland gegen den Wahn, womit
man die Menschen bethört. Ihr Streben ist der
Fortschritt auf Grundlage des Gegebenen. In
erster Reihe gilt dieser Fortschritt dem großen
deutschen Vaterlande, welches zu einem harmoni-
schen Ganzen zu verbinden ist, und dieses Ziel
ist Sache der Vernunft, der klaren, politischen Be-
rechnung. Doch nicht nur in dem äußern, sondern
auch in nnserm innern Staatsleben ist der Ausbau
der Verfassung, durch zeitgemäße Refor-
men, worunter auch die der Gemeinde-
Verfassung, anznstreben. Die De-
mokratie betreibt den Fortschritt mit
Hast, der Liberalismus mit Bedacht. Die
Demokratie will den Schnellzug benützt wissen, der
Liberalismus begnügt sich mit den Bummelzügen,
die an jeder Station halten und alle Pass a-
giere m i t n e h m e n. (Heiterkeit und lebhaftes
Bravo.)
Ans die Schule will Redner alle Sorgfalt ver-
wendet wissen, Bildung mache den Menschen frei
und selbstständig und ist das beste Mittel allen
rückläufigen Bewegungen den Boden zu entziehen.
Zur Steuerfrage übergehend, schildert Redner
das Treiben der regierungsfeindlichen Parteien,
welche die Zustände Badens als unhaltbare hin-
stellen rc. re. Stenern müssen überall getragen
werden, dafür muß der Staat auch wieder Lei-
stungen übernehmen, die der Gcsammtheit zu gut
kommen.
Hätten im Jahre 1860 die preußenseindlichen
Parteien nicht so lange gehetzt, bis Süddentschtand
dein Drucke nachgegcben und sich in die Kriegs-
wirren gestürzt hätte, so würden Baden allein


Tie
zwei Kronen der Königin Horten sec.
Von L. Dubois.
1.
Es war am Vorabende des Tages, an dem die jähr-
liche Prüfung und Preisvertheilung in dem Institute der
Ehrenlegion zu Ecouen stattfinden sollte, welches der Kaiser
Napoleon für die Erziehung von vierhundert jungen Mäd-
chen aus adeligen Familien gestiftet hatte. War es banges
Vorgefühl vor der morgenden Prüfung — oder glühende
Hoffnung und schülcrischer Ehrgeiz, der nach einer Lorbcer-
krone, dem gewöhnlichen Preise bei derartigen Gelegenheiten,
mit demselben Eifer strebt, wie i ach einem Throne, was
alle die jungen Herzen in der Anstalt höher und heftiger
schlagen und so manche junge Wangen ölast werden, oder
von innerer Aufregung erglühen liest? Nein. Alles An-
dere würde in dem Augenblicke vergessen worden sein, als
am Portale des Gebäudes die Meldung geschah, die, von
Munde zu Muicde fliegend, mit Blitzesschnelle in Halle und
Corridor und selbst in dm entferntesten Gemächern wieder-
hallte: „Der Kaiser!" Nicht der Glanz seiner Person oder
Umgebung war es, was diese junge Mädchen so plötzlich

Das vergessen ließ, was sie vorher viele Wochen lang Tag
und Nacht beschäftigt hatte; nein, diese Aufregung hatte
ihren Grun d in einer mehr persönlichen Beziehung; denn
der Kaiser erschien allein und in ganz einfacher Tracht, mit
unbedecktem Haupte, in der einen Hand seinen Hut tragend,
während die andere im Busen steckte. Gefolgt voir Madame
Campan, der Vorsteherin der Anstalt, schritt er mit so ru-
higem Lächeln durch die Reihen der Schülerinnen, die mit
glühenden Wangen und gesenkten Blicken dastanden, als
fühlte eine jede, daß sie beim leisesten Ausblicken dem Adler-
auge begegnen müsse.
Alle Bemerkungen, die er zu machen für gut fand,
richtete er au die Schülerinnen selbst, da er nie um dm
Namen derselben in Verlegenheit war; denn er kannte ein
jedes dieser jungen Mädchen persönlich so genau wie deren
Väter, die fast alle in seinen Heeren dienten oder gedient
hatten.
„Diese Schrift könnte etwas deutlicher sein und die
Grundstriche nicht so dick", sagte er zu Einer, und dann zu
einer Andern, deren Vater kürzlich General geworden war:
„Wenn Sie an Ihren Vater schreiben, so gratnlircn
Sie ihm in meinem Namen zu seiner Beförderung", und
zu einer Dritten:
„Befinden Sie sich heute besser, Amelin? Sie sehen

14—16 Millionen erspart geblieben sein. Die
nltramontane Partei spreche immer vom Sparen,
von der hohen Besoldung der Beamten, inan be-
trachte dagegen die Besoldungen, welche der Clerus
ziehe und man wird finden, daß die Ultramonta-
nen ganz eigenthümliche Sparer sind.
Man spreche immer von Militarismus und
verlangtem Vvlksheer. Das sind Träumereien. Ein
Volksheer ist der Invasion eines nach dein heutigen
Style organisirlen Feindes nun und nimmermehr
gewachsen. Wir haben allen Grund vor nnserm
ränkesüchtigen Nachbar ans der Huk zu sein. Die
Vernunft muß das rechte Maaß der Sparsamkeit
einzuhalten wissen; um des Sparenswillen kann
das Vaterland nicht preisgegeben werden. Kämen
die Ultramontanen heute ans Ruder, so würden auch
sie in dieser Hinsicht alles auf dem jetzigen Stande
belassen wüsten, uns aber noch mit andern Generalen
und Regiments beglücken, als mit den schon vor-
handenen.
Wir müssen uns nun Angesichts der fortge-
setzten Agitation sammeln. Nehmen wir uns ein
Beispiel an der nltramontanen Partei, deren
Organisation eine einheitliche, welche bereit ist,
ans den leisesten Wink aufzntreten. Die Liberalen
sind seither zu nnthätig gewesen, sie habeil allzu
sehr auf deu S-ieg ihrer guten Sache vertraut,
und sind nun zur Einsicht gelangt, daß dies nicht
mehr genügt.
Redner empfiehlt nun die Vereinigung der Par-
teigenossen und wünscht, daß sich namentlich auch
in den einzelnen Gemeinden Vereine bilden mögen,
um dem Treiben der sog. kathol. Vvlkspartei ent-
gegen zu treten. Wir kenneil keinen Unterschied in
religiöser Beziehung, jeder vernünftige Mann, der
es ehrlich mit dem Vaterlande meint, ist uns will-
kommen.
Hr. Diez verliest hierauf das in Mannheini
angenommene Vereinsstatut. Nach ihm spricht der
Abgeordnete Hr. Hoff von Mannheim. Redner
sehr blaß aus; aber ich glaube, ich würde besser darüber
urtheilen können, wenn nicht dieser große Tintenfleck die
hübsche Wange bedeckte."
Tan» weiter gehend, klopfte er einer Andern freundlich
auf den Kopf, indem er sagte:
„Warum sind diese Locken so ungeordnet? Was wir
Männer an, meisten am Putze einer jungen Dame lieben,
ist ein wohlgeordnetes Haar. Hier ist eine entlaufene Locke,
ein Deserteur, der bestraft werden muß!" Und mit muth-
willigem Scherze ließ er sodann die Locke los, so daß sie
weit über die Schultern des jungen Mädchens hinabfloß,
das in unbeschreiblicher Verwirrung, wie mit Blut Lbcr-
gosscn, da stand, aber ungeachtet der kleinen Beschämung
von mancher Mitschülerin um die Aufmerksamkeit beneidet
wurde, die ihm der Kaiser geschenkt hatte.
So von Classe zu Classe gehend, gelangte er in ein
Zimmer, in dem sich drei junge Mädchen befanden, deren
jedes ungefähr achtzehn Jahr alt, groß, schlank und schön
war. Eine von ihnen machte sich beim Eintritte des Kai-
sers sogleich von ihren Gefährtinnen los und warf sich, ihn
mit dem zärtlichen Neunen „Vater" begrüßend, stürmisch
in seine Arme.
(Fousetzung folgt.)
 
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