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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 95
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0385

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Xo. 35.

Dritter Jahrgang.

Sonntag, 15. August 1869.


Amts-WeMMguilgsölatt für dm Bezirk Schwetzingen.

Badische Hapfenfei 1 nng.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die drcigespaltcnc Petitzcile oder deren Raum 3 kr.

Deutschland.
Dresden, 10. Aug. Im „Dresden. Jour."
von gestern macht Dr. Pfaff über die Ausgra-
bungen der im Plaucn'schen Grunde verunglückten
Bergleute aus dem „Hoffnungsschacht" nähere
Mittheilungen. Unterm 7. d. schreibt derselbe u. A.:
„Die seit gestern zu Tage geförderten Leichen
sind, wie die früher aufgefundenen, in zwei Haupt-
kathegoricn zu bringen: sie sind entweder zer-
schmettert und verbrannt, stellenweise sogar ver-
kohlt, wie Zunder, oder sie sind ohne alle Ver-
letzungen und tragen dann ohne Ausnahme die
charakteristischen Symptome der Erstickung (zwischen
die Zähne geklemmte Zunge, hervorgetriebene Au-
gen, eyauotische Gesichtsfarbe rc.) an sich. Hier
und da werden unter den Trümmern auch nur
einzelne halbverkohlte Körpertheile gefunden, und
cs ergibt sich daraus, daß jene Unglücklichen erst
durch die furchtbare Gemalt des schlagenden Wet-
ters in einzelne Stücke zerrissen und verbrannt
wurden und daß dann erst die der Explosion fol-
genden Brüche bie verbrannten Körpertheile be-
graben haben. Wen» auch von den Erstikten ei-
nige in sehr hohem Grade cadavcrisch aufgetricbcn
sind, so erscheinen doch viele Leichen noch ziemlich
gut erhalten und verhältnißmäßig nur wenig ver-
west. Der Leichnam eines Knaben von 14 — 15
Jahren, der eocuralls nsphyktisch gestorben, war
der Verwesung nur im Gesicht etwas anheimge-
fallen und am übrigen Körper noch fast ganz frisch,
ein Beweis, wie lange im Schacht oie Leichname
der Verwesung widerstehen. Unter den Bergleuten
geht von Mund zu Munde die Kunde eines Bei-
spiels seltener, ächt bergmännischer Berufs- und
Pflichttreue. Als in den Tiefen des Schachtes
das Unglück geschehen war, eilten zwei Zimmer-
linge und drei Förderlinge sich zu retten, indem

sie das Gestell am Seile erstiegen und auffuhren.
Sie machten vorher die beiden am untern Füllorte
stehenden Anschläger aus die ihnen drohende Ge-
fahr aufmerksam und forderten sie auf, sich eben-
falls durch Auffahren zu retten. „Nein", sagten
die wackeren Männer, „vielleicht können wir noch
Andern zu Hilfe eilen" ; und sie harrten auf ih-
rem Posten aus. Wenige Augenblicke später dran-
gen die irrespirabeln Gase bin an das Füllort und
die pflichtgetreuen Männer starben an Erstickung,
ohne daß sie noch Zeit und Kraft hatten, das
Zeichen zum Auffahren zu geben. Die Namen
dieser Braven sind: Wilhelm Werner und Wilhelm
Pictzsch. Ersterer hinterläßt Frau und Kind. Der
Letztere war zwar verheirathet, aber kinderlos.
Friede sei ihnen und ein ehrendes Andenken. Der
Bruch in der Hauptstrecke zwischen dein „Segcn-
gottes"- und Hoffnnngsschachte" ist seit gestern
in der Hauptsache bewältigt; allein man ist auf
einen neuen Kohlenbruch gestoßen, der erst geräumt
werden muß, bevor man zu den Leichen im „Hoff-
nuugsschachte" gelangen kann. Die Förderung der
Leichname ist daher wieder etwas in's Stocken
gerathen. Vormittags 10 Uhr waren in Summa
146 Leichen ans Tageslicht gebracht und beerdigt.
Leichengcruch ist in beiden Schachten nicht bemerk-
bar, und der Geruch nach Cnrbolsünrc, die auch
swäistnntiu ihre desinfizirendc Wirkung zu äußern
scheint, ist allenthalben vorherrschend. Die am
„Hoffnungsschachte" ununterbrochen ausströmenden
Wetter haben an der Förderungsstclle noch immer
die Temperatur von 20 Grad U., wie gestern
und vorgestern, und lassen keine Spur von cada-
vcrischen Ausdünstungen wahrnchmen." — Die
Arbeiter der Gußstahlfabrik in Bochum haben für
die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute im
Plauen'schen Grunde bereits 1000 Thlr. von ihrem
Schichtlohn nach Dresden abgesandt.

Berlin, 9. Aug. Ein gestern Vormittag
bei dem Gottesdienste in der Hof- und Domkirche
erfolgtes Abfeuern eines Terzerols auf den fun-
girenden Hilfsprediger Lic. Heinrici erscheint als
ein uichtswürdiger Bubenstreich eines nach Herost-
ratenruf strebenden jungen Menschen, der schon in
der Schule (er hat es nur bis zur Tertia einer
Realschule gebracht) überaus excentrisch war. Er
ist jetzt 18 Jahre alt, heißt Bieland und ist aus
einein Torfe des benachbarten niederbarnim'schen
Kreises. Der Geistliche, auf den er ein nicht ge-
ladenes Terzerol abschoß, war ihn: unbekannt. Als
Motiv der That hat er Haß gegen die Religion
und ihre Verkündiger angegeben. Sein Vater
wollte, er solle Geistlicher werden und er selbst
wollte sich zum Schauspieler ausbilden. Der Ge-
sundheitszustand des Menschen wird einer Un-
tersuchung wohl unterzogen werden müssen.
Der Tomküster Pape hatte den Menschen wider-
standslos scstgenommen und in die Sakristei ge-
führt.
A rr s l a n d.
Florenz, 9. Aug. Die katholische Partei
nimmt ein großes Aergcrniß daran, daß der Bäcker
Dolfi ohne Geistlichkeit beerdigt worden ist. Man
möchte, daß die Wittwe die Leiche ihees verstorbe-
nen Mannes wieder ausgraben und dann katholisch
beerdigen laste. Aber alle Anstrengungen dieser
Art scheinen vergebens zu fein. Garibaldi hat
an die Wittwe Dolfi geschrieben, welche übrigens
auch sonst noch unter dem Einfluß verschiedener
vorgerückter Patrioten steht.
Lokal-Nachrichtett.
* Schwcizittgett, 13. Aug. Die Prüfung
der höheren Bürgerschule, welche gestern begonnen,
geht diesen Abend zu Ende. Der Kürze der Zei
wegen, enthalten wir uns für heute eines Berichtes

Der verschwundene Pollen.
Eine Lagcrgeschichte aus dcm Amerik. Bürgerkriege von
Fr. v. Wickede.
(Schluß.)
Großer Gott, waS ist das?' rief der Oberst ahnungs-
voll, »zieht den Mann hervor, Leute!
Die Arme bis zum Ellenbogen aufgestrcift, gingen sie
an'S Werk, und wenige Minuten darauf lag die von Schmutz
und Wasser triefende Leiche Dick Thomson's, des vermißten
Soldaten, vor ihnen.
»Ihr wißt um dies Geschäft,' sagte der Oberst sich
wieder zu dem Rebellen wendend, »habt Ihr den Muth es
einzugcstchen?'
„Muth? Bei Gott! An dem fehlt es keinem conföde-
rirten Soldaten,' ries der Rebell mit wildem Blick, „freilich
weiß ich um dies Geschäft. Ich warf meinen Lasso nach der
Schildwache, und da derselbe sich um ihren Hals wand, so
konnte ich den Mann, halb erdrosselt, wie er war, ohne Ge-
räusch zu mir heranziehen. Das Ucbrige könnt Ihr Euch
selbst sagen — ein Rebell, der einmal einen Pank an der
Gurgel hat, tritt ihn auch in den Sumpf! — Ich hoffte

nach ihm noch inehr solch Wild fangen zu können, und warf
auch meinen Lasso nach dem Mann, der sich zuerst nach der
Schildwache umsah — mein Wurf war aber anscheinend
etwas ungeschickt und ich zog meine Schlinge schnell zurück,
um sie noch einmal auswerfen zu können. Aber der Esel
rief nach dem Corpvral und deshalb hielt ich eS für's Beste,
mich ruhig zu verhalten, und machte erst von meiner Riste
Gebrauch, als ich sah, daß ich entdeckt war. Wollt Ihr sonst
noch etwas von mir wissen?"
„Ihr seid ein Schurke, wenn cs je einen gegeben hat,"
rief der Oberst mit zorugcröthetcm Gesicht, „und morgen
sollt Ihr baumeln, so wahr ich Smith heiße!"
„Ein Texaner fürchtet nicht den Tod!' entgcgnete der
Rebell mit verächtlichem Blick.
Man trug Thomson's Leiche zum Lagerplatz und be-
stattete sie am Morgen mit allen Ehren; ein kleiner Hügel
und ein rohes Kreuz bezeichnen die Stelle, wo er ruht und
das Whipporwill singt ihm das Schlummerlied.
Nach feiner Bestattung, fern von dein geweihten Orte,
hing man den Rebellen.
Am Tage darauf war das Gefecht bei Gaiues-Mills,
an dem auch das achte Ohio-Regiment Theil nahm, und in
dem der wackere Oberst Smith den Tod fand.

Ein Werk der freien Civilifation.

Mit welcher Peinlichkeit und mit welcher Kleiulichkeir
hat doch bei uns noch immer jeder Schritt auf der Bahn der
Freiheit und der Selbstbestimmung, jeder Zug der natio-
nalen Entwickelung und der industriellen Erweiterung zu
kämpfen! Wie kühn, wie krätzig, wie großartig im Plaue
und energisch in der Ausführung ist hiegegcn jener Riesen-
schritt, den der freie Staat Nordamerika auf der Bahn der
Civilifation thut, wo das Volk für sein eigenes Wohl sorgt
und der Weisheit und dem VorsehungS-Segen einer all-
mächtigen Obrigkeit entwachsen ist!
Was zehn Meilen einer Eisenbahn bei uns an berg-
hohen Acten, Schreibereien und Druckschriften in die
Welt setzen, damit könnte mau bald die ganze Eisenbahn-
strccke von einem Ende zum andern mit Papicrstreifcn be-
legen. In Nordamerika dagegen ist im Laufe der wenigen
Jahre seit dem Schluß des großen Krieges, eine Weltbahn
fertig geworden, welche von Weltmeer zu Weltmeer, vom
atlantischen zum stillen Occau führt, und wenn viel des
Papiers daran zur Verwendung kommt, so besteht es nicht
in den Koncessions- und Verhandlungs-Urkunden, nicht in
administrativen und Beaufsichtigungs-Zuschriften, sondern in
 
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