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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 55
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0225

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Mittwoch, 12. Mai 1869.

55.

Dritter Jahrgang.

Preis: '/^jährlich-45kr.
per Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Raum mit nur
2 kr. berechnet.
Tie Boten erhalten
2 kr. monatlich.
für die Bezirke Schwetzingen und Phiiippsbnrg.
Verkündigungsblatt des Amis- und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Hrgan der badischen Kopsenproducenten
(unter Kvntrole der laudwirthschnftlichen Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).

Erscheint Sonntag,
Mittwoch und
Freitag.
Alle Postanstaltcn und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.


ochenvlatt

j Tagesübersicht.
Schwetzingen, 10. Mai.
Ter nordd. Reichstag hat die Einführung von
Telegraphenfreimarken beschlossen. Der Abschluß
des Postvertrags mit England ist so ziemlich als
gesichert zu betrachten.
Die Reise des franz. Botschafters am Berliner
Hose nach Paris, wohin er vom Kaiser berufen
wurde, findet eine verschiedenartige Auslegung.
Manche sehen darin Anzeichen für friedliche, an-
dere für kriegerische Aussichten.
In Paris und in der Provinz nehmen schon
die Wahlbewegungen ihren Anfang und rufen die
ganze Energie der Regierung und Opposition wach.
Freilich hängt es diesmal mehr als je vom Aus-
fall der Wahlen ab, welche politische Richtung
Frankreich einschlagen wird, denn der Kaiser wird
sich nach den Mißerfolgen der letzten Jahre ge-
fallen lassen müssen, daß die Kammer eine ent-
scheidendere Stimme als früher führt. Erfreulich
ist die Wahrnehmung, daß die Kandidaten für den
gesetzgebenden Körper ihre Friedensliebe betonen
müssen, um das Volk für sich zu gewinnen; ein
sicheres Zeichen, daß man in Frankreich dem Krieg
so wenig hold ist als bei uns.
Die Versammlung der spanischen KorteS
bat die Freiheit der Kulten angenommen; welche
Wirkung dieser Beschluß auf die Bevölkerung des
Landes ausüben wird, ist jedenfalls abzuwarten.
— In Barcelona wurde eine Carlistenver-
schwörung entdeckt, woran 36 Militärs verschiede-
ner Grade betheiligt waren.
Die Zersplitterung, das Schwanken der Par-
teien und die daraus hervorgehende, thatsächliche
Ohnmacht der ausübenden Gewalten ermuthigt die
Exkönigin Jsabella, ihre Ansprüche auf den spa-
nischen Thron wieder zu erheben. Sie erklärt sich
von vornherein bereit, die Verfassung die jetzt be-

schlossen wird in Bausch und Bogen anzunehmen!
Es liegt darin ein beschämendes Zeugniß für die
spanische Rationalvertretnng, wenn die verjagte
Königin es wagen kann, neue Hoffnungen auf die
Wiederbcsteigung des Thrones zu schöpfen, nachdem
doch der Ausschluß ihrer Dynastie aufs feierlichste
ausgesprochen wurde.
Das neue, in Heidelberg erschienene Arbeiter-
organ, welches im Sinne Lassalle's arbeitet, „Die
Waffe", ist nach Mannheim übergesiedelt.
Der Pfälz. Bote scheint in seinem Partei-
haß förmlich blind geworden zu sein. So richtet
er die „Anfrage" an die Regierung, ob — nach-
dem die Main-Neckartelegraphenlinie dem Nordd.
Bund unterstellt worden — auch die Station Hei-
delberg ber.üts preußisch geworden sei. — Seine
Anfrage schließt er mit den brüsken Worten:
Wir erwarten Antwort — daß Land ist interessirt
dabei!
Es scheint dem Pfälz Boten völlig entgangen
zu sein, daß die Stationen ba d i sch c r Seits aus
dem seitherigen Main-Neckartelegraphcnverbande
ansgeschieden, folglich nicht unter die Oberhoheit
des Nordd. Bundes gekommen sind.
Ob sich übrigens die Regierung bemüßigt fin-
det auf eine Frage die in solcher Weise gestellt
wird, zu antworten, steht doch noch im weiten
Felde!

Baden.
sich Schwetzingen, 9. Mai. Nachdem die
Ultramontanen mit ihrem Aufruf „an das badische
Volk" der Kammer und der Regierung den Fehde-
handschuh hingeworfen, folgt ihnen nun auch die
Demokratie. Eine Uebereinkunft beider Parteien
ist also wohl vorangegangen.
Die leidenschaftliche Sprache , welche die
ultramontanen Blätter in den jüngsten Tagen wie-
der angenommen haben, der trinmphirende Ton

in welchem sie schreiben, soll wohl glauben machen,
daß sie dem Siege ihrer Partei mit Zuversicht ent-
gegen sehen. Nur schade, die Antwort der Krlsr.
Ztg. mag wie ein kaltes Touchebad auf die über-
hitzten Köpfe wirken und sie einigermaßen wieder
zur Besinnung bringen, wenn sie im Taumel der
Parteileidenschaft die Vernunft überhaupt nicht
völlig eingebüßt haben.
Die Regierung erklärt, daß sie sich weder
durch die Machinationen der Ultramontanen noch
der Demokraten ins Bockshorn jagen lassen, son-
dern die Autorität der Gesetze aufrecht erhalten
wird. Sie erachtet die Einberufung eines außer-
ordentlichen Landtags, weil kein genügender Grund
hiezu vorliegt, im Hinblick auf den Zusammentritt der
Kammer im Herbst, nicht für geboten.
Den Ultramontanen, welche das Volk zu einer
willenlosen Masse, zu einem lenkbaren Werkzeuge
ihrer Plane und Herrschsucht gestalten wollen, stellt
die Regierung das deutsche Bürgerthum
entgegen, welches im Vereine mit ihr und seinen
Vertretern den Kampf mit dem hierarchischen Despo-
tismus ausnehmen wird.
Das „rot he" Gespenst ist freilich harmloserer
Natur, „das" kömmt nur insofern in Betracht als
es im Fahrwasser der Ullramontanen segelt und einen
Bestandtheil derselben bildet. Im klebrigen hat die
Demokratie bei uns zu wenig Boden, um als
selbstständige Partei irgend welchen festen Halt zu
gewinnen.
Die überhitzten Gemüther haben also Zeit bis
Herbst, sich wieder abznkühlen, um dann mit Ruhe
und Bedachtsamkeit an die Erörterung der aufge-
worfenen Fragen zu gehen. Damit dürfte wohl
die künstlich gemachte und nur in einigen Partei-
blättern zu Tage tretende Aufregung von der das
Land .rfaßt sein soll — als beseitigt anzusehen
sein ! Doch gilt es jetzt, daß auch die liberale Partei
sich einigt und energisch den Umtrieben der De-
mokraten wie Ultramontanen entgegentritt!

Erlebnisse eines Deutschen in Indien.
(Fortsetzung.)
Mein Herz pochte von Besorgnis und Mitleid, denn
ich sah, wie sich die Finger der Frau de L. . . . krampshast
schlossen und sie nur mit großer Anstrengung den Ausbruch
ihrer Wuth und Rache zu bekämpfen suchte, um sich in
meiner Gegenwart nicht zu compromittiren; doch gelang
ihr dies nur sehr unvollkommen. „Wer hat Dich gerufen?
geh' augenblicklich aus meinen Augen, ich habe Deine Dienste
nicht nöthig!" herrschte sic dem zitternden Mädchen zu-
Sich wiederum tief verneigend entfernte sich die Arme.
Hoch athmete ich auf, cs war mir, als sähe ich ein ge
schcuchtes, geängstigtes Wild den Krallen eines Raubthieres
glücklich entrissen, denn ich war überzeugt, daß nur durch
meine Anwesenheit thätlichc Mißhandlungen abgcwandt
wurden.
Wie das vollkommenste, schönste Geschöpf der Erde,
das Weib, durch unedle Leidenschaften seiner höchsten Zierde,
der Weiblichkeit, entkleidet, sich zur abschreckenden Megäre
umwandcln kann, empfand ich in diesem Augenblicke in
hohem Grade; die Schuld meines Freundes erschien mir
bedeutend geringer. Doch ich kannte ja damals das siedende

Blut in den Adern dieser Tropcnmcnschcn noch nicht genü-
gend, ich wußte noch nicht, daß Resignation und stiller,
leidender Schmerz hier zum seltensten Erbtheil des Weibes
gehören; nur die glühendste, aufopferndste Liebe einerseits,
oder ungezähmter Haß und Rache anderseits, beherrschen
das Herz der Frau jeder Bildungsstufe, letztere besonders,
wenn Eifersucht im Spiele ist. — Nach der Entfernung
der Sclavin war die Situation zwischen Frau de L. . . .
und mir eine nichts weniger als angenehme, — verlegenes
Schweigen hier und dort. Die Dame saß, den Blick zur
Erde gerichtet; die Nöthe des Gesichtes war einer Mar-
morblässe gewichen, sie zitterte sichtlich. Mit meiner Fas-
sung war es auch nicht weit her, ich war beklommen und
zu wenig geschulter Weltmann, um meine Gefühle unter
gesellschaftlichen Formen verbergen zu können. Im Kampf
der Elemente, beim Donner der Geschütze und dem Ein-
schlagen der Kugeln kenne ich kein Bangen, ich stehe ruhig
auf dem Quarterdecke, crtbeilc meine Befehle und verliere
keinen Augenblick die Besinnung und hier — .einer selbst
im höchsten Grade verlegenen, durch ihr Benehmen gedemü-
thigtcn Frau gegenüber bescblich mich ein Gefühl, daS sehr
mit Aeng lichkeit verwandt war. Nach minutelangcm, bei-
derseitigem Schweigen gewann ich endlich so viel Fassung,
daß ich bemerkte: .Die Sonne steht schon sehr hoch, Ma-

dame, cs wird drückend heiß", und wollte dadurch meinen
Aufbruch motiviren. Anstatt einer Antwort bedeckte sie ihr
Gesicht mit beiden Händen und stöhnte weinend: „O, mein
Gott, mein Gott, wie bin ich unglücklich!" Dieser Ausruf
kam so aus dem Innersten ihrer Brust, der Ton documen-
tirte so unverkennbar das unglückliche, zerrissene Herz, daß
ich das tiefste Mitleid empfand.
So sind wir Männer, die Gefühle des starken G»-
schlechtü sind wie im Winde schwankendes Rohr dem soge-
nannten schwachen Gcschle t, den Frauen, gegenüber. Bor
wenig Augenblicken voll Abscheu über die entstellende un-
weibliche Heftigkeit und nun durch einige über eingebildetes
oder wahres Unglück vergossene Thronen einer schönen Frau
voll Mitleid und selbst den Thronen nahe! „Beruhigen
Sic sich, Madame, beruhige:: Sie sich, hängen Sie keinem
Phantom nach", tröstete ich. — „Ein Phantom nennen Sic
mein Unglück, meinen Schmerz? Glauben Sie, daß ich in
blinder, eingebildeter Eifersucht handle, wenn ich durch Lci-
denschas lichkeit und Schmerz aufgeregt, in — ich fühle es
wohl — unweiblicher Weise das Geschöpf, welches mir die
Liebe des Gatien geraubt, mißhandle? Nein, mein Herr,
thatsächliche Ucberzcugung ist es, daß mein Herz vcrrathen,
daß der Mann, dem meine ungethcilte, glühende Liebe
gehört und von dessen Liebe ich auch überzeugt war, das
 
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