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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 150
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0605

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Dienstag, 21. Dezember 1869. A«. Ik«. Dritter Jahrgang.


Erscheint wöchentlich drei Mai Nrdst der belletristischen Beigabe L-onntagSblatt. —'Alle Postanstaiten lind Voten irhi.wa Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 fl. 7§ kr
Anzeigen, die dreigespaltene Pcützcäe oder deren Raum 8 !r.

* Die Kammerverhandlung über die Heidel-
berg-Schwetzinger Bahn.
Was Niemand mehr bezweifelte, ist denn auch
richtig eingetroffen: Der Bau einer H ei de Iber g-
Schwetzinger Bahn, sowie deren Fortführ-
ung bis Speyer ist durch die Kammer geneh-
migt und steht dem Unternehmen demnach kein
Hinderniß mehr im Wege, da die Beschaffung der
Geldmittel in keinerlei Weife auf Hemmnisse stoßen
wird.
Und wie einfach verlief die betreffende Kam-
merverhandlung! Von keiner Seite her wurde das
Projekt beanstandet; selbst die systematische Oppo-
sition hatte nichts dagegen zu erinnern, die
Kammermitglieder waren über die
Nützlichkeit und Tragweitedes Unter-
nehmens völlig mit sich im Klaren und
so ist Schwetzingen eine zweite Linie gesichert, die
für unfern Platz speziell der bereits im Bau be-
griffenen um kein Haar breit nachsteht.
Der Abgeordnete unseres Bezirks Hr. Dr.
Gerber, welcher die betreffende Vorlag: der Re-
gierung mit Dank begrüßte und deren Annahme
dem Hause empfahl, wurde durch die bereits in
unserer Sonderausgabe genanuten Abgeordneten
oufs wirksamste unterstützt.
Abgeordneter Blum hob hervor, wie durch
die Regierungsvorlage die Befürchtungen der Stadt
Heidelberg, daß sie durch den Bau der Rheinbahn
einen empfindlichen Abbruch ihrer Verkehrsverhült-
niffe mit der Rheinebene erleide, beseitigt seien. —
Ferner führte derselbe aus, daß durch diesen
Bahnbau die beiden namhaften Städte Heidelberg
und Speier mit einander in Verbindung gesetzt,
eine aus dem Straßenverband ausgeschiedene, ziemlich
unnütze Chaussee vcrwerthet werde und durch die her-

zustellende Zweigbahn der Staatsbahn selbst kein
Eintrag geschehe.
Während der Abgeordnete Blum mehr die
Fragen lokaler Natur berührt, glaubt der nächst-
folgende Kammerredner Frieder ich, daß die
Verbindung Heidelbergs mit Schwetzingen für das
Verkehrslcben des Landes nicht wichtig sei, sieht
aber durch die Verlängerung der Bahn bis Lpeyer
die Rentabilität der Odenwaldbahn sich steigern.
Redner glaubt/ daß wenn diese Linie bis Ger-
M,ersheim fortgeführt werde, wodurch eine Route-
verkürzung nach Paris stch ergebe, der Verkehr
von Carlsruhc über Straßburg nach Paris eine
Einbuße erleide, worauf er immerhin aufmerksam
machen wolle.
Abg. L a in e y theilt diese Bedenken nicht;
ihm ist die Bahn schon deshalb willkommen weil
sie dem regen Lokalverkehr unserer Gegend dient.
Wenn sie übrigens, wie der Vorredner glaubt,
außerdem noch der Odenwaldbahn etwas mehr
Verkehr zuführe, so sei dies als willkommene Zu-
gabe mitzunehmcn.
Ministerpräsident v. Dusch versichert, daß die
projektirte Linie nicht in Angriff genommen werde,
um eine weitere Verbindung mit Paris zu ge-
winnen, obwohl auch ihr vielleicht ein Theil des
Verkehrs dereinst zu gut komme.
Die einzelnen Artikel werden nach dem Schluß
der allgemeinen Discussion ohne Debatte und das
ganze Gesetz bei der Abstimmung einstimmig an-
genommen.
Aus der Debatte über diesen Gegenstand geht
klar hervor, daß die einzelnen Kammrrmitglieder
zum Theil die lokale Natur der Sache, zum Theil
die höhern Gesichtspunkte welche das Projekt mit
sich führt im Auge hatten, als sie dem Unterneh-
men ihre Genehmigung ertheilten, immerhin aber
mußte in ersterm. wie in letzterem Falle — die!

Entscheidung zu unfern Gunsten ausschlagen!
Wir werden also mit unserer SchwesterstadL
Heidelberg so gut wie mit Mannheim durch die
Genehmigung der Heidelberg-Speierer Bahn in
unmittelbare Verbindung treten.
Welche Bedeutung diese Verbindung nament-
lich für Schwetzingen hat, darüber kann kein Zweifel
herrschen, sie ist uns zum Mindesten so werthvoll
wie jene mit Mannheim.
Wer aber Hütte vor wenigen Jahren sich irätt-
mcn lassen, welchen folgewichtigen Aenderungen
die Verkehrsverhältnisse unserer Stadt binnen
Jahresfrist entgegen gehen; während der höchste
unserer Wünsche damals in einer Pferdebahnver-
bindung mit Mannheim, oder Heidelberg gipfelte,
ist die eine Route bereits im Bau begriffen, die
zweite genehmigt und auch die dritte (Wetterführung
der Main-Neckar Bahn dis Schwetzingen) nur noch
eine Frage der Zeit.
Und dennoch, o Ironie des Schicksals während
binnen weniger als Jahresfrist das Dampfroß
die freundliche Rheinebene durchsaußen soll, während
jetzt schon die Schienenwege in unmittelbarer Nähe
unserer Stadt liegen und bald nach allen Richtungen
der Windrose kreuzen werden, sind wir heute noch
auf die Beförderungsmittel der „guten, alten Zeit"
den Boten- und den Postwagen angewiesen!
Politische Rundschau.
* Schwetzingen, 21. Dec. In Mannheim
herrscht in der Schulfrage eine ziemlich hochgehende
Bewegung. Während bei Errichtung der Com-
munalschulen ein Theil der Bürgerschaft Bedacht
auf eine gewöhnliche und eine erweiterte Volks-
schule nehmen will, ist der andere, der freisinnige
Theil derselben dafür, daß sümmtliche Kin-
der — ob reichen, wohlhabenden oder ärmern
Eltern entstammend, des gleichen Unterrichts ge-

Aas Wirthshaus zu ßransac.
Bon Heinrich Zschokke.
»Wie können Sie mir widersprechen, liebenswürdige
Annette? Dürfen Sie Richterin in eigener Sache sein?
Wenn ich nun erkläre, daß Sie für mich die Schönste der
Schöne» in Cransac sind, was können Sie dagegen sagen?"
.Nichts, als daß Sie mir bewiesen haben, für Sie sei
das schönste Mädchen immer, das Ihnen nächste. Und da
ist die Schmeichelei nicht groß."
„Tic Schmeichelei nicht; aber desto größer Ihnen gegen-
über die Wahrheit."
So ging das Gezänk fort. Sic mußte die Rose be-
halten. Run führte sie mich zu allen ihren Blumenschätzcn
herum. Wir wurden in kurzer Zeit recht bekannt mit ein-
ander. Ehe der Abend verging, ward ich'S mit der ganzen
Familie. Auch Frau Albret, die Mutter von sechs schönen
Kindern, war ein anmuthigeZ Weibchen, geschwätzig, geist-
voll, lebendig, wie Alle. Nur der Murrtopf Orny machte
,u unfern Scherzen einen wunderliche» Gegensatz. Er ver-
bog bei allein Gelöster keine Miene.

Aus einem Tage zu Cranfae wurden acht Tage. Ich
packte jeden Abend für den folgenden Morgen ein, und
jeden Morgen richtig wieder aus. Fanchon hielt redlich
Wort, und quälte mich.ärger, als ihren Philosophen, der
bei allen ihren Neckereien gleichgültig blieb. Nie ward ich
süßer gequält, nie schmerzlicher. Wie konnte ich die feine,
zarte, flüchtige, heitere Gestalt der Fanchon so gelassen um
mich her schweben sehen? Ich fühlte nur zu sehr, wie ge-
fährlich sie meiner Ruhe ward, und waffnete mich verge-
bens. Ihr ganzes Wesen war geschaffen, die heftigsten
Leidenschaften cinzuflößcn Ihr selbst, kaum in ihr sechS-
zehnteS Jahr getreten, ahnete nichts davon. Sie tändelte
in jugendlichem Leichtsinn mit Amors Pfeilen, ohne von
deren Furchtbarkeit zu wissen. Sie vereinte mit allen'.
Zauber jungfräulicher Anmuth wahrhaften Kindersinn. Was
man ihr Schmeichelhaftes, was man ihr Zärtliches sagte,
sie verstand die Tiefe desselben in der That nicht, und mit
unempfindlicher Schalkheit verdrehte sie den Ernst zum
witzigen Scherz.
Oft glaubte ich, daß sich in der That für mich in ihrer
Brust eine innigere Thcilnahme regte, wenn sic schwieg,
wenn mit Wohlgefallen ihr Blick auf mir ruhte und ein
unanSsprcchlich scelenvvllcs Lächeln ihrer Augen mir sagen
zu wollen schien - ich lebe in dir, Ungläubiger! —

Aber mit rächten. DaS war nur immer ihre wahrhaft
kindliche Gutmllthigkcit, eine gewisse Treuherzigkeit, die
wegen ihres Mangels an Erfahrung, wegen ihrer Mangel«
an Weltkenntniß, recht gut neben der natürlichen Feinheit
ihres Geistes bestand. Sie blieb, die sic war, und fühlte
für mich nicht mehr, als für Andere, denen sie mit der
größten Unbefangenheit wohlwolltc. Gefallsüchtig oder er-
obcrungslustig war sie im strengsten Sinne des Wortes
gar nicht, und hatte sie nicht Ursache zu sein. Denn sie
gefiel und gewann Herzen, und wußte es, daß sie gefiel.
Das machte sic gar nicht eitel, sondern gao ihr nur jene
frohe Laune, jene dankbare Freundlichkeit gegen alle Welt,
wie Kinder zu haben pflegen, mit denen Jeder gern tän-
delt. Sie war Mädchen genug, sich gern zu putzen, und
zu wißen, was ihr wohlstehe. Und jenes weibliche Zart-
gefühl, jener jungfräuliche Adel, welcher mit der Unschuld l
immer verbunden zu sein pflegt, gab selbst ihrem Muth- i
willen eine Würde, die Keinen, der sich ihr nahte, ver-
gessen ließ, daß er die seinen Grenzen des Schicklichen
nie verletzen dürfe, ohne ihrer Achtung auf immer ver-
lustig zu werden.
Zuweilen schien es, als habe der junge Menschenfeind ,
Orny höhere Rechte über sie, als ein Anderer. Ich muß
gest Heu , er war ein Mann - der durch sein Aen ßeres g ,
 
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