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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 89
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0361

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Sonntag, 1. August 1869.

Xo. 89.

Dritter Jahrgang.


Anils-Verkündigllilgsökalt für den Bezirk Schwetzingen.

Badische Hnpfen) eitn n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postansürltcn und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 1 st. 15 Ir.
Anzeigen, die dreigcspaltene Petitzeile oder deren Rauni 3 kr.

Die JnLriguen -es Vicekörrigs von
Aegypten
(Schluß.)
Die türkische Regierung wird indeß durch nichts
überrascht werden, was in Aegypten geschehen mag.
Sie läßt sich durch die Versicherungen des Khedive
nicht täuschen, sie kennt das ganze Gewebe seiner
Jntriguen und sieht sich vor. Man rüstet in
Konstantinopel ebenfalls lind begegnet den Ränken
Ismail Pascha's mit diplomatischen Schachzügen.
Zu den besten und entschiedensten derselben gehört
die Berufung Mustapha Fazyl Paschas in das
Ministerium. Der natürliche Feind seines Bru-
ders, ist Mustapha Fazyl Pascha zugleich ebenso-
wohl mit den politischen Machinationen desselben,
als mit den innern Verhältnissen Aegyptens auf
das beste vertraut. An ihm hat die Pforte in
dieser Frage einen Rathgeber, wie sie keinen bes-
seren finden könnte. Mustapha Fazyl Pascha hat
auch die Wichtigkeit seiner Berufung sofort erkannt
und diese augenblicklich angenommen. Am 19. d.
M. kam er auf der Reise von Hornburg nach
Konstantinopel durch Wien und weilt in Vieser
Stunde ohne Zweifel bereits in der türkischen
Hauptstadt. Seine jetzige Stellung — die eines
Ministers ohne Portefeuille — ist nur eine Brücke;
was jenseits derselben liegt, weiß man nicht mit
Gewißheit. Es kann zweierlei sein: entweder die
Würde des Großveziers oder die Herrschaft über
Aegypten. Ernennt man ihn zum Großvezier, so
würde das eine vollständige Umwälzung in den
innern Zuständen der Türkei und gleichzeitig die
schärfste Abweisung aller Uebergriffe Ismail Paschas
bedeuten. Es könnte aber wohl sein, daß die
Pforte Mustapha Fazyl Pascha nur darum nach
der Residenz kommen ließ, um ihn dem Bruder
gegenüber als Erbfolge-Kandidaten aufzustellen.
Mustapha Fazyl Pascha war nach türkischem Recht

der rechtmäßige Nachfolger in der Würde des
Khedive von Aegypten. Erst vor wenigen Jahren
gelang es Ismail Pascha durch Bestechung und
List, in Konstantinopel durchzusetzen, daß die Nach-
folge dem damals bei dem Sultan in Ungnade
gefallenen Brnder genommen und auf Jsmail's
eigene, minderjährige Söhne übertragen ward.
Wie die Sachen jetzt stehen ist es nicht unwahr-
scheinlich, daß diese Uebertragung rückgängig ge-
macht und Mustapha Fazyl Pascha nicht etwa
zum Nachfolger Jsmail's, sondern an seiner Statt
zum Vieekönig von Aegypten ernannt wird.
Wenn die Pforte den ersten Schritt Ismail
Paschas auf dem Wege des Abfalls mit dieser
Maßregel beantwortet, so handelt sie in ihrem
guten Rechte. Sie hat die Befugniß den Khedive
abzusetzen und sie erfüllt nur ihre Pflicht, wenn
sie von demselben Gebrauch macht. Vielleicht liegt
in der raschen Absetzung Jsmail's, sobald er eine
Aufforderung der türkischen Regierung, seine Rüst-
ungen zu rechtfertigen, in der von ihm beabsich-
tigten Weise mit einer geharnischten Erklärung er-
widert, vielleicht liegt in einem solchen entschlossenen
Vorgehen das Glück der Türkei, und noch mehr,
der Friede Europas. Für diesen gibt es nichts
Ungelegeneres und Gefährlicheres als die Los-
reißungspläne des Vicekönigs, und alle Mächte,
die ernstlich und aufrichtig den Frieden wollen,
haben die Aufgabe, Ismail Pascha von seinem
tollen Unternehmen abzumahnen und wenn er es
trotzdem versuchen sollte, mit aller Entschiedenheit
gegen ihn aufzutreten.

Baden.
Karlsruhe, 26. Juli. Der heute erschie-
nene „Staatsanzeiger" Nr. 21 enthält (außer
Personalnachrichten):
1. Versagungen und Bekanntmachungen der

Staatsbehörden. 1) Bekanntmachungen des Justiz-
ministeriums. 2) des Ministeriums des Innern,
die Wahl eines Dekans für die Diözese Ober-
heidelberg betreffend. Von dieser Synode wurde
der bisherige Dekan, Stadtpfarrer Junker in
Schwetzingen auf weitere sechs Jahre zum Dekan
dieser Diözese erwählt, und hat diese Wahl die
Bestätigung des evangel. Oberkirchenraths erhalten.
Oeftreichische M o n a rch i c.
Krakau, 27. Juli. Der Krakauer „Kraj"
erzählt in einer Extrabeilage eine sehr sonderbare
Geschichte, die möglicherweise mit den letzten Er-
eignissen im Carmeliterinnen-Kloster zu Krakau im
Zusammenhänge steht. Der „Kraj" erhält näm-
lich folgende Mittheilung:
„Im April des Jahres 1848 beinerkte eine
Abtheilung Nationalgarde auf ihrer nächtlichen
Patrouille zwischen 1 und 2 Uhr vor der Einfahrt
des Klosters der Carmeliterinnen einen bespannten
Reisewagen.
Die Neugierde, wer denn noch zu so außerge-
wöhnlicher Stunde das Kloster, in dem so strenge
Zucht gehalten wird, besuchen wollte, und der
Verdacht, der in so aufgeregten Zeitläuften leicht
entsteht, vcranlaßte die jungen Gardisten, den
Pferden in die Zügel zu fallen und den Wagen,
der sich eben in Bewegung setzte anzuhalten. Zwei
Gardisten traten an den Wagenschlag und bemerk-
ten im Wagen zwei Männer, von denen einer ein
Frauenzimmer im Nonnenbabit und das Haupt
mit einem weißen Nachthüubchen bedeckt, aus den
Knieen hielt.
Während die Gardisten Fragen an die im
Wagen befindlichen Herren richteten, welche den
Umständen entsprachen, sprang die Frau behenoe
aus dem Wagen lind schlüpfte durch die Kloster-
pforte in den Hof. Ein ihr nachsetzender Gardist

Englische Wettrennen.
(Fortsetzung.)
Noch eine weite Fahrt vorwärts an reinlichen, netten
Gehörten vorbei in frischen, grünen Gefilden der Grafschaft
Surreh, und der Zug hält an der nahe an den Rennplatz vor-
geschobenen Station Epsom Downs. Tausends pilgern quer-
feldein, sich Plätze zu sichern für das um 2 Uhr beginnende
Rennen, während andere Taufende, vielfach in bunte Farben
und blaue Schleier gekleidet, sich lagern auf dem grünen
Teppich der mit kurzem struppigem Grase bewachsenen, milde
ansteigenden und wieder abfallenden Gelände, jetzt schon mit
dem Picknick beschäftigt, dem improvisirten Gabelfrühstück,
das ja einen Hauptantheil an dem Vergnügen des Tages
bildet. Wahrsagerinnen und Industrielle aller Art streichen
in den Weg, entfernen sich aber jetzt noch mit einem ,,bUs.iriü
z^ou 8ir", wo man ihrer nicht bedarf, während nach etlichen
Stunden ihre zähe Aufdringlichkeit höchst fatal wird. Wir
fassen vor einem struppigen Dornbüsche Posto zum Picknick.
Nach aufgehobenem Mahl sichert eine halbe Guinee pro
Kopf einen gedeckten Sitzplatz auf dem großen Stand, wäh-
rend die Nabobs nebenan jede Loge fM 2—3 Personen mit

20 Guineen aufwiegen müssen. Da es noch zeitig, gelingt
es, einen hohen, übersichtlichen Standpunkt zu erreichen an
einer der Seitentreppen, gerade über dem Hauptquartiere der
Polizeimänner, die in der Stär'e einer Brigade auf dem
großen Terrain vcrtheilt sind. Die Fuhrwerke stellen sich je
nach der Qualität des gegen hohes Eintrittsgeld gemietheten
Platzes in dichten Reihen längs der Bahn auf der Innen-
seite amphitheatralisch auf und gewähren so ihren Insassen
den Platz zum Ausschauen. Immer mehr füllt sich die
kolossale, auf viele Tausende berechnete Tribüne, auch vorne
unter uns der „Ring" mit eleganten Herren, und immer
lebhafter wird das Gemurmel, das zu uns heraufdringt,
und die Beweglichkeit der Arme, der Hüte, die wir sehen.
Der Ring ist der Aufenthalt der Haupt-Wetter, unter denen
die 100- und 1000-Pfundnoten nur so fliegen. Auch in
unserer unmittelbaren Nachbarschaft entwickeln sich lebhafte
Gespräch, die auf die Einladung zu einer Wette hinauslausen.
Viel Vergnügen, danke schön! — Um 2 Uhr beginnt das
erste Nennen, der Vorläufer zum eigentlichen Derby. Vorher
haben die Glocken das Zeichen gegeben, Bahn frei zu machen,
was die berittenen Polizeimänner in einer halben Stunde
schwerer Arbeit fertig bringen. In ZPs Minuten haben die
Reiter die Bahn durchflogen und langen wieder bei dem
! Abgangspunkte an. Die Sache ist verlaufen wie andcrwäris

auch; für Eingeweihte mögen die edlen Pferde und die
langen Gesichter unter den Gentlemen im „Ring" da unten
manches Interessen bieten. Die Hauptaufmerksamkeu kon-
zentrirt sich indeß offenbar auf das eigentliche Derbyrcnnen.
Das Volksbild vor uns, die Anhöhe gegenüber hinan und
nach allen Seiten hin, wo ein freier Ausblick sich bietet,
gleicht dem unserer großen deutschen Volksfeste, nur das
Picknick in und auf den Equipagen von dem Feinsten bis
zum elendesten Fuhrwerk herunter, ist die spezifisch englische
Einrichtung, uud das Kolossale, massenhaft Unabsehbare von
Wagen, Pferden, Zelten und Baracken nebst den Menschen,
die zu einigen Hunderttausenden dazwischen sich bewegen, ist
das spezifisch Londonische. Bei dem Hauptquartier der Polizei
da unten zur Seite stehn zwei Omnibusse, dunkel und fest an-
zusehen, 2 Polizeimänner aus dem Bock. Hin und wieder
erscheinen verdächtige Gestalten von Männern des Gesetzes
begleitet und verschwinden in dem Omnibus hinter Schloß
und Riegel; es sind die ertappten Taschenspieler, denen von
den Handeangern der öffentlichen Gerechtigkeit für heute das
Geschäft gelegt ist. Sobald ein Wagen voll, fährt er ab,
vermuthlich nach einer benachbarten diebessicheren Haupt-
station, denn es dauert nicht lange, so kommt er wieder.
Unmittelbar daneben hält die Pserde abgespannt ein äußerst
feiner, großer und hoher Wagen, 6 Herren sitzen auf Deck
 
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