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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 61
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0249

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Xo. 61

Freitags 28. Mai

Erscheint S o n ::tag,
Mittwoch und
Freita g.
All? Postonstaüen und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.


1869.


(uukcr Konirole der landwi rth schnf t l iche II Bezirksdirektion Sehwekingen stehend).


Preis: ststährlich Ü5lr.
vor Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Raum init nur
2 kr. berechnet.
Tie Voten erhalten
2 kr. monatlich.


TagcMhersicht.
Schwetzingen, 27. Mai.
Die Hand Louis Napoleons, welche
das franz. Staatsschiff sonst sicher durch die bran-
denden Wogen leitete, ist durch die vielen Miß-
erfolge schwach und unsicher geworden. Das
„persönliche Regiment," welches in Frankreich flo-
rirte und allein die Geschicke der Nation bestimmte
zeigt sich hinfällig. Man glaubt, daß der
Kaiser nach den Wahlen in ein vollständig konsti-
tntionnelles Fahrwasser einlenken und die Verant-
wortlichkeit , welche seither auf ihm allein ruhte
auch auf die Schultern seiner Minister und des
gesetzgebenden Körpers abladen wird.
Als Kandidaten der Opposition sind u. a.
Bancel, Picard und Gambetta durchgegangen, Der
Letztere ist eine Berühmtheit neueren Datums und
die Pariser rühmen ihn als einen Redner gegen
welchen Demosthenes eilt wahrer Stümper gewe-
sen sein muß!
In Oesterreich ist das neue Volksschnlgesetz
verkündet worden, wir werden wohl bald genug
von den Anfechtungen zu hören bekommen, die
dasselbe zu bestehen hat.
Der früher erwähnte Bürgermeister O'Sullivan
welcher in Cork die famose Tischrede hielt, worin
er den politischen Meuchelmord verherrlichte ist der
Mann doch nicht, mit dem man den Teufel ans
offenem Felde fängt. Er hatte die Wahl das ver-
götterte Haupt aller revolutionären Elemente Ir-
lands zu werden, oder zu Kreuze zu kriechen. Er
zog letzeres vor und dem: „Hosiannah!" seiner
Landsleute folgt nun das: „Kreuzige!" O'Snlli-
van hat seine Stelle niedergelegt und will nun in
einem deutschen Bade den Katzenjammer, den ihm
das C orker Gastmahl verursachte, austoben lassen.
Viele Neuigkeiten gibt es, wie der Leser sieht,
von Außen her nicht zu berichten, jeder hat so wie

wir gegenwärtig, meist vor der eigenen Thüre ge-
nug zu fegen.

B a Z e u.
* Schwetzingen, 26. Mai. lieber die Bei-
trittserklärung der 77 (81) Einwohner Schwetzin-
gens zur Mannheimer Adresse macht der Mann-
heimer Anzeiger folgenden genialen Witz:
„Den 130 ans dem Mannheimer H i r s ch be-
zeugen 77 ans dem S ch w e tz inger Hirs ch
ihre warme Zustimmung zu der edeln und würdi-
gen Erklärung vom 13. Mai. Hrn. Jolly's
Hirschpark bevölkert sich allmühlig."
Ein Mannheimer Korrespondent der Badischen
Landeszeitung bemerkt hiezu:
„Der Clown (zu deutsch Hansivlkrst) des Mannh.'
Anzeigers begibt sich damit aus ein gefährliches
Feld. Weiß er denn nicht, daß die Strengver-
traulichen zu Achern im Ochsen tagten?"
Auch die Manul). Abendzeitung gedenkt unserer
Beitrittserklärung in jener geringschützenden Weise,
welche ihr in der Veurtheilung Andersdenkender
nach und nach zur zweiten Nalur wird.
Die Unterstellung, als wäre die Kundgebung
hier auf Anregung unserer Beamten erfolgt, ist
ein zu plumper und zu oft dagewesener Kniff, als
daß er einer Widerlegung Werth wäre! Daß we-
der durch die Mannheimer 131 noch durch die
Schwetzinger 81 das Ministerium geborgen ist,
wissen wir auch, ihr Herren! Aber Geduld, wir
stehen auch erst im Anfang der Dinge; verpufft
darum eure Witze nicht zu früh, ihr werdet den
Humor noch brauchen können, wenn ihr sehet wie
die Position die ihr mit euren lieben und edeln
Bundesgenossen durch Ueberrumpelung scheinbar
gewonnen, wieder schleifen geht!
Karlsruhe, 25. Mai. Der heute erschienene
„Staatsanzeiger" Nr. 14 enthält (außer Personnl-
nachrichten) :

Verfügungen und Bekanntmachungen der Staats-
behörden. Bekanntmachung des Ministeriums des
Innern. Die Deutsche Feuerversicherungsgescll-
schaft auf Gegenseitigkeit in Nürnberg betreffend.
Der Liguidalionskommission dieser Gesellschaft wurde
ihrem Antrag gemäß gestattet, die Abwickelung
ihrer Geschäfte im Großherzogthum unmittelbar
und ohne Vermittlung eines Generalagenten zn
besorgen. Die LiguidationSkonnnission hat hienach
die Vollmacht, wonach dem Kaufmann L. Richard
in Mannheim die Gencralagentur übertragen war,
zurückgezogen.
Karlsruhe, 24. Mai (Telegr.). Die ultra-
montane Versammlung hat gestern in Engen statt-
gesunden ; die Liberalen waren jedoch mindestens
in fünffacher Ueberlegenheit angekommen. Ein
Konflikt hat nicht stattgefunden. (Sehw. M.).
Aus Badcu, 26. Mai. Durlach tritt
mit 772 Stimmen der Mannheimer Erklärung
bei. Ans H a n d s ch u ch s h e i m erging eine
Adresse mit 210 Unterschriften. Agla st e r h a u-
scn , W einhei m und W erthei m haben Er-
klärungen in ähnlicher Weise erlassen.
Tie Vorgänge in Engen, wo 500 Ultra-
montanen 3000 liberale Männer des See-
kreises gegenüber standen, mag den Herren Lindau
lind Bissing bewiesen haben, daß ihr Weizen da
droben am See nicht blüht, und daß jener körnige
Menschenschlag sich nicht in ihr Joch spannen läßt!
Auch eine Versammlung der Demokraten erlitt
in Achern eine ganz gehörige Niederlage. Das
kommt eben davon, wenn man Freiheit und Fort-
schritt aus die Fahne schreibt und dann mit den
Reaktionären und Dunkelmänner durch Dick und
Dünn geht!
Die erbärmliche Lüge, die der Bad. Beobachter
seinen Gläubigen anstischte, daß die Erklärung der
131 Mannheimer Bürger in einer Karlsr. Kanz-
lei verfaßt worden sei, ist gebührend znrückgewie-
sen und gebrandmarkt worden.

Um den H a l sk
Eine californische Skizze.
(Fortsetzung.)
Farceur liebte es zu sprechen und er sprach gut.
Zufolge seiner eigenen Darstellung hatte er in der beson-
deren Branche, in welcher er diente, viele absonderliche Aben-
teuer erlebt. Den größten Theil seines Lebens hatte er
damit zugcbracht, Diebe, Fälscher und Mörder auf allen
Theilen der Erde zn verfolgen. Ich behielt während seiner
Bemerkungen meine Meinung für mich, da ein oder zwei
Histörchen in's Fabelhafte spielten; aber er war unterhaltend
und hin und wieder witzig und so unterließ ich es, ihm
meinen Unglauben zu zeigen. Zu seinen anderen Gaben
hatte er ein ungewöhnliches mimisches Talent; er konnte
seine kurze stumpfe Nase so in Falten legen, daß er ein
Jahrhundert alt aussah und dann durch eine Veränderung
seiner Züge sich das Ansehen eines stächen, jungen und dum-
men Burschen vom Lande geben. Diese verschiedenen Rollen
wurden durch die Biegsamkeit seiner Stimme vervollständigt.
Endlich fiel mir ein zu fragen, was er mit seiner Ge-
genwart in Marie Posa erzielte; er antwortete gleichgültig:
.Die Ergreifung des berüchtigten La Morte."

„La Morte?" rief ich aus, „ist es möglich, diesen
Schändlichen einzufangen?"
„Es gibt einen Mann in Californicn, der ihn fangen
kann und wird", sagte Farceur.
.Und wer niag das sein?"
„Die Bescheidenheit verbietet mir seinen Namen zu
nennen", war die selbstgefällige Antwort.
.O, Ah!"
Dieser ungemein bescheidene Mann fuhr darauf fort
mir eine Beschreibung von dem verzweifelten Handgemenge
zu geben, in welchem er dem berüchtigten Freibeuter gegen-
über gestanden hätte, welche sich sowohl in chronologischer
als anderer Beziehung als Mährchen herausstellte. Er-
hörte meine Berichterstattung über den Mord zu Lang
Gully, welche mir durch Thorne zugekommen war, mit
gleichgültiger Miene an und sagte, indem er seine Nase mit
dem Zeigefinger berührte, daß er daS Alles schon vor meh-
reren Stunden gewußt hätte. Dies war eine in die Augen
springende Lüge, wenn man es mit seiner ersten Behauptung
zusammen stellte, daß er direkt von San Francisco käme.
Unter anderen Talenten von Detectivc Farceur war
auch eins bemcrkcnswerth, die Geheimnisse der. Leute auszu-
sorschcn. Ich hatte nur immer damit geschmeichelt, daß ich
wenig zugänglich rvtme und ärgerte mich nicht wenig, als

ich vor Schluß unserer Unterhaltung bemerkte, daß er Alles,
was mich betraf, aus mir herausgeholt hatte. Er wußte
Alles, was mein Geschäft betraf, er wußte von meiner Bc-
kamuschaft mit den Bewohnern von Sunset Canon, von
Tborne's Besuch dort und daß er von da zurückgekehrt
wäre, und außerdem Alles, was irgendwie von Interesse
sein konnte. Ich war so verdrießlich darüber, daß ich eZ
nicht bedauerte, als er den Wunsch ausdrückte, sieh zurück-
zuziehen. Ich wies ihm ein überzähliges Bett in dem Hin-
teren Zimmer an, theilte Thorne's Bett und war bald in
einem seltsamen Tranm befangen, in welchen: Gerichtshöfe,
Räuber, Mörder und St. Francisco-Tctectivcs in bunten'.
Wirrwarr erschienen, aber ich schlief erst ein bis daS Schnar-
chen aus dem andern Zimmer mich belehrte, daß Mr. Far-
ceur seinen anstrengenden Ritt in den Armen des Schlafes
vergaß. ' (Fortsetzung folgt.)
Das Berliner Aquarium»
(Schluß.)
Der Besucher steigt ein paar Stufen hinab und . plötz-
lich sicht er sich zwischen den Fclsenmasscn mit den eingc-
strcnlen Becken, in denen sich junge Alligatoren oder Schild-
kröten sonnen, vor einer Voliere, die wirtlich ein Zauber-
; träum aus einen: morgenländischen Mährchen ist. Orient
 
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