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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 50
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0205

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Freitag, 30. April 1869.

Ao. 50.

Dritter Jahrgang.

Erscheint Sonntag ,
Mittwoch und
Fr c i t a g.
Alle Postanstalten und
Boten neinneu Bestel-
lungen an.



M- die Bcm'ke Schwetzingen und Philip PN bürg.

Preis: hüjährlich 65kr.
per Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
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deren Raum mit nur
2 kr. berechnet.
Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.


(unter Koutrole der landwirthschoftlicheu Bezirksdirekti o u Schwetzingen stehend).

.sp Tclgesüherstcht.
Schwetzingen, 26. April.
Die Arbeitseinstellungen kommen immer mehr
in Aufschwung In den verschiedensten Städten,
bei den manchfnltigsten Gewerken tritt das „Steilen"
gleich einer grassirenden Krankheit ans. In Berlin
sind es gegenwärtig die Zimmerleute, in Kassel
die Ritter von der Nadel, in Augsburg die Eiscn-
gieser, welche feiern.
Zwischen Bayern und Frankreich ist ein Grenz-
vertrag abgeschlossen worden. Französische Gau-
diebe konnten ncmlich seither die pfälzische Grenze
überschreiten, Holz, Obst re. nach Belieben stehlen
und sich dann ganz gemüthlich auf's französische
Gebiet zurückziehen, wo sie vor jeder Verfolgung
sicher waren, ja selbst unterm Schutz der franz.
Grenzbeamten standen, denn Diebstähle auf des
Nachbars Gebiet ausgeführt, wurden seither auf
eigenem Boden nicht geahndet. Das wird jetzt
aufhören; die bayerischen Grenzhüter können nun-
mehr ihre Verfolgung auch auf französ. Gebiet
allsdehnen.
Die Versassungspartei hat im österreichischen
Abgeordnetenhause einen großen Sieg errungen.
Das neue V o lk s s ch u l ge s e tz wurde nach
einer glänzenden Rede des Unterrichtsminister
Haßner in der von der Regierung vorgeschlagenen
Form angenommen. Dagegen waren die pol-
nische, die slavonische und die ultramontane Tyroler
Fraktion.
In P e st h wurde vor einigen Tagen der
Reichstag durch den Köllig (sobald der Kaiser
nemlich den Fuß über die ungarische Grenze setzt,
wird er zum König degradirt) in eigener Person
eröffnet. Bezeichnend für diesen Reichstag ist es,
daß die äußerste Linke das Ministerium wegen
Wahlbeeinflussuug in Anklagezustand versetzt und
Kosflith eingeladen wissen will, seinen Sitz im
Hause einzunehmen.


Erlebnisse eines Deutschen in Indien.

In dcr Kantine der Offiziere der Garnison Wcltev-
redcn bei Batavia war in den späten Abendstunden stets
ein Kreis gebildeter Militairs, größienihcilz Deutsche, ver-
sammelt, um im geselligen Verkehre sich von den Beschwer-
den des Dienstes und der Hitze des Tages zu erholen. Die
friedlichen und kriegerischen Erlebnisse des europäischen Sol-
daten auf den Inseln der holländisch-indischen Kolonien bie-
ten so Vielsachen Stoff zu interessanten Mitthcilungcn, daß
es nie an spannenden Erzählungen fehlte.
Eines Abends, ini Sommer des Jahres 1863 , wur-
den vorzugsweise die Folgen des Gesetzes vom 1. Januar
1861, nach welchem in ganz holländisch Indien die Skla-
verei aufgehoben wurde, besprochen. Das Für und Wider
fand Stimmen, doch die überwiegende Mehrheit sprach sich
entschieden zu Gunsten der Aufhebung aus. Besonders eifrig
aber trat ein Marineoffizier dcr Meinung dcr Majorität
bei und bemerkte gelegentlich, wie er an einem Beispiele
darthun könne, zu welchen, gelinde gesagt, Jnconvenienzen,
sogar in dm Kreisen dcr höheren Gesellschaft das Bestehen
der Sklaverei führen konnte und führte. Der allgemein

K.'apka ist zum Landesvertheidignngsminister
nusersehen.
Wie die Zeiten sich ändern, Klnpkn nnd Kos-
snth vor Fuhren geächtete politische Flüchtlinge und
heute — — Herren der Situation!
Die Kortesversa m m lung in Madrid
geht nur die Frage: „Wer soll König sein?" fort-
während wie die Katze um den heißen Brei herum.
Die republikanische Partei, welche sich in der
Minderheit befindet, will wenigstens ans dem
Schiffbruch ihrer Hoffnungen und Erwartungen
retten, was zu retten ist und beabsichtigt den An-
trag zu stellen, daß nie und nimmer ein Bvnrbo-
nenzweig den spanischen Thron wieder einnehmen
dürfe!
ES ist übrigens eine merkwürdige Geschichte
um diese spanische Nationalversammlung, keine der
verschiedenen Parteien will sich der andern fügen
nnd doch scheut sich auch wieder eine jede, das
Heft entschieden in die Hand zu nehmen.
Die Beschwerde des Hrn. Erzbisthumsverweser
Dr. Lothar Kübel gegen die Verweisung vor die
AnklagAammer zu Freibnrg ist vom Oberhosgericht
in Mannheim für begründet- erachtet, beziehungs-
weise die Klage gegen den Hrn. Bisthumsvcrwescr
aufgehoben worden.

, V 6 d e tt.
Schwetzingen, 28. April. Die Flug-
schrift des Heidelberger Eisenbahn-Komitee's ist hier
mit großem Interesse ausgenommen worden und
hat man mit Freuden daraus ersehen, daß das
Projekt einer Heidelberg-Speyerer Bahn in guten
Händen liegt und rührig betrieben wird.
In den Hauptpunkten kannte man schon den
bisherigen Verlauf dieser Angelegenheit, um so
mehr aber ist man erstaunt, welche höchst ungün-
stige Bedingungen die Regierung s. Z. an eine Inbe-
triebnahme der zuerst projektirten Heidelberg-Schwez-

ausgesprochene Wunsch, dies Beispiel kennen zu lernen, fand
Erhörung. Der Marineoffizier versprach am nächsten Abend
sein Tagebuch mit zur Stelle bringen zu wollen und die von
ihm genau ausgezeichnete Begebenheit vorzutragcn. Dies
geschah, und da mir durch die Güte dieses Kameraden eine
Abschriftnahme gestattet wurde, so bin ich in den Stand
gesetzt die Erzählung hier wörtlich wicderzngcben:
Auf der Rückkehr von Sörabaya nach Europa im
Jahre 185— liefen wir in Batavia an, um eine erlittene
Havarie auSzubcssern und Depeschen sowie auch einige Be-
amte und Militairs mit nach Holland zu nehmen. Nur
noch wenige Wochen war unseres Bleibens, als ich bei ei-
nem Besuch in Weltevrcden einem Jugendfreunde aus Gra-
fenhage, Herrn de L. . . ., begegnete, dcr sich hier, nachdem
er den Dienst quittirt, feit einigen Jahren reich verheira-
tet und ganz in der Nähe einen Landsitz besaß, wel-
chen er mit seiner Gattin bewohnte. Ter herzlichsten Ein-
ladung, bei ihm die Zeit meines Aufenthaltes als Gast
zuzubringen, konnte ich nicht widerstehen, obgleich ich in sei-
nem Wesen und Acußeren eine große Veränderung gegen
früher wahrnahm. Aus dem heiteren, lebenslustigen Jüng-
ling war ein ernster, düster nnd melancholisch blickender
Mann geworden; seine Gesichtszüge erschienen kalt, leidend,

zinym- Bühn knüpfte. Hoffentlich werden sich die
jetzigen Verhandlungen hinsichtlich des Unterneh-
mens mit der Negierung weit annehmbarer ge-
stalten nnd zu einein befriedigenden Resultate
führen.
Deutschland.
Stuttgart, 27. April. Schwaben gilt be-
kanntlich von alten Zeiten her unter den deutschen
Gauen als das Laut, der Wunderlichkeiten und
Sonderbarkeiten, wo man nicht selten geneigt ist,
die Dinge auf den Kops zu stellen. So geht cs
anchchetzt bezüglich der persönlichen und gewerb-
lichen Freiheit, die man auch dort in Anwendung
bringen will, wo sie aushört, eine Freiheit und
Wohlthat für Alle zu sein.
So betreibt man gegenwärtig eine lebhafte
Agitation gegen den Impfzwang, der Kinder, unö
an den Straßenecken innerer Residenz sind große
Placate angeheftct, durch welche aufgeforderl wird,
für das natürliche Recht der Familien einznstehen,
die Kinder ohne Betheilignng an der durch Jenner
der Menschheit gebrachten Wohlthat, also unter
der Gefahr, jeden Augenblick von den sogen, na-
türlichen Blattern entstellt zu werden, dnrch's Leben
zu führen. Dazu kommt nun die Apotheke r-
frage, die man in einer Weise zur Lösung bringen
will, dasi jetzt schon Vieler Haare sich sträuben.
Eine von der königl. Centralstelle für Handel und
Gewerbe berufene Commission sog. Sachverständiger
hat nämlich in ihrer Mehrheit die völlige Frei-
übung des Arzneiverkaufs an Jedermann nnd so-
mit Aufhebung aller Strafbestimmungen wegen
Quacksalbereien beantragt. Um zugleich Pfuscherei
und Betrügerei ans diesem Gewerbebetrieb die vollste
Freiheit zu sichern sollen nach den Vorschlägen
dieser Sachverständigen alle pharmazeuiischen Prü-
fungen aufgehoben, auch Taxen und Visitationen
beseitigt werden u. s. w. Hütten diese schwäbischen
Sachverständigen doch nur die Verhandlungen im

ja kummervoll. Ich konnte es nicht anders deuten, a!s
daß der Einfluß des Klimas diese Veränderung hervorge-
bracht, da ihm ja sonst das Leben nur das bot, was das
höchste Ziel fast aller Sterblichen ist: Ncichthum, eine hübsche
gebildete Frau, eine reizende Besitzung unter dein schönsten
Himmel der Tropen und steter Umgang mit gebildeten
Männern. Theilnchmend äußerte ich unter vorsichtiger Hin-
weisung ans das Bemerkte, daß seine Gesundheit wohl ge-
litten und ihn etwas zum Hypochonder gemacht habe. Mit
erzwungenem Lächeln wurde mii entgegnet: „O, keineswegs,
ich bin vollkommen gesund und fühle mich ganz glücklich."
Ich mußte cS vorderhand glauben, schwieg und ließ
unter Uebersendung eines Urlaubsgesuches die nöthigstcn
Effekten für mich von Bord kommen. Auf dem schönen
Landsitz fand ich die gastlichste Aufnahme. Die Gattin des
Herrn de L. . . . war die Tochter eines indischen Residenten,
sie hatte ihr», ein Vermögen zugcbracht, daß er selbst hier
zu den Reichsten gezählt werden und einen mit orientali-
schem Luxus ausgcstatteten Haushalt führen konnte.
Madame de L. . . . war eine noch in voller Vlülhe
stehende Frau von kaum dreißig Jahren, eine üppige Schön-
heit, nur mit etwas strengen Zügen und wenig entsprechen-
der gesellschaftlicher Haltung, da man die sanfte Weiblichkeit
und Milde vermißte, obgleich die vortreffliche Erziehung,
 
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