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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 142
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0573

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Donnerstag, 2. Dezember 1869. Fo. 142. Dritter Jahrgang.


Amts-Merkrmdigimgsötatt für den Bezirk Schwetzingen.

Badifchr Hü

rnzeitun g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe L o n n t a g s b la i t. — Alle Postanstaltm und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich IM. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltenc Petitzelle oder deren Raum 3 tr.

Bade N.
Schwetzingen, 30. Nvvbr. Durch den am
25. dss. der 2. Kammer vorgelegten Gesetzentwurf
in Betreff des Baues einer Eisenbahn von Heidel-
berg nach Schwetzingen und deren Fortsetzung bis
Speyer ist der am 28. September angekündigte
Gesetzentwurf erledigt. Die neue Vorlage enthält
für die Linie Heidelberg - Schwetzingen dieselben
Bestimmungen, wie die ältere, und nur in Bezug
auf die Strecke von Schwetzingen bis Speyer,
welche über Ketsch in möglichst direkter Richtung
nach Speyer führt, ist weiter bestimmt, daß die
unentgeltliche Benützung des vorhandenen Rhein-
dammes für den Bahnkörper gestattet werde, so-
weit es unbeschadet der Interessen der Flußbau-
verwaltung und des allgemeinen Verkehrs zulässig
sei. Wo Weganlagen erforderlich sind, hat diese
der Bahnunternehmer feststellen zu lassen. Wenn
der Reinertrag der Bahn fünf Prozent des An-
lagekapitals übersteigt, so wird der Mehrertrag
zwischen dem Unternehmer und der Staatsbahn-
verwaltung gleichheitlich getheilt.
tz* Schwetzingen, 1. Dezember. Gestern
wurde hier im Rathhaussaale die amtliche Lehrer-
conferenz des Amtsbezirks Schwetzingen unter
der Leitung des Herrn Kreisschulrathes Strübe
abgehalten. Es waren etwa 40 Lehrer des Be-
zirkes anwesend; einige waren durch Unwohlsein
oder dienstliche Abhaltung entschuldigt und zwei
Lehrstellen sind momentan nicht besetzt. Die Ver-
handlung der Conserenz begann mit einem passen-
den vierstimmigen Chorgesang. Herr Kreisschul-
rath Strübe ließ schon morgens um ffs9 Uhr mit
formal Nothwendigem beginnen, was sonst erst am
Schluß stattfindet und nach 9 Uhr konnte die
Verhandlung beginnen, die mit 5 Minuten Unter-
brechung bis ^43 Uhr wahrte.

Gegenstand der Verhandlung war der vor
einigen Monaten vom Großh. Oberschulrath ent-
worfene neue Lehrplan, der alle von der Volks-
schule geforderten Lehrgegeustände pädagogisch fort-
schreitend auf die einzelnen Schuljahre resp. Ab-
theilungen, vertheilt und genau vorzeichnet. Dieser
Lehrplan enthält so viel Stoff und ist so reich-
haltig , daß die freien Lehrerkouferenzen sich
Jahre lang damit befassen können, um ihn in
allen seinen Einzelnheiten gründlich und praktisch
zu erörternd
Es konnte darum die Ausgabe besagter Kon-
ferenz nur.die sein, die Grundzüge, den Rahmen
der einzelnen Lehrgegenstände und der betreffenden
Gesetzesparagraphen nach den verschiedenen Stufen
zu besprechen. Zu diesem Zwecke wurden 4 sorg-
fältig ausgearbeitete Referate vorgetragen und dis-
kutirt. Das erste hat sich über alle Sprachfächer
und das Schreiben, das zweite über das Rechnen,
das dritte über die Realgegenstände: Geographie,
Geschichte, Naturgeschichte, Naturlehre, Geometrie
und Zeichnen, und das vierte über Gesang ver-
breitet. Es kann hier nicht erwähnt werden, was
alles über Lese-, Schreib- und Schreiblesemethode,
über Aufsätze, Bruchrechnen rc. rc. diskutirt wurde.
Dabei sei erwähnt, daß nach dem neuen Lehrplan
die Decimalbrüche und das Zeichnen als obliga-
torische Lehrgegenstände auftreten. Aber das dürfte
den Eltern der Kinder zur besondern Beachtung
empfohlen werden, was gelegentlich über Schulver-
süumnisse und sonstige Hindernisse eines gedeihlichen
Unterrichts besprochen wurde. Erlaubte Schulver-
säumnisse dürfen gesetzlich nur noch in Krankheits-
fällen oder sonstigen außerordentlichen Dringlich-
keitsfällen Vorkommen, nie aber wegen Verwendung
zu Geschäften, und die dritte unerlaubte Versüum-
niß eines Schülers innerhalb eines Jahres ist dem
Gr. Bezirks-Amt zu energischem Einschreiten vor-

zulegen. Vom Herrn Kreisschulrath wurde ein<°
müthiges Handeln der Lehrer nach den gesetzlichen
Bestimmungen dringend empfohlen; ebenso daß
von Seiten der Gemeinde zur Naturlehre einige
Apparate und zum Zeichnen gute Vorlagen anzu-
schaffen sind, und die Schüler überbaupt mit allen
zweckdienlichen Lehrmitteln ausgerüstet sein
und dieselben auch zu Hause sauber und reinlich
erhalten werden sollen, was vielfältig nicht
der Fall ist.
Das gemeinschaftliche Mittagessen im Erb-
prinzen konnte, da »ach dem Schluß der Conserenz
vom Herrn Kreisschulrath und den beiden Sekre-
tären das Protokoll noch zu fassen war, erst
gegen Br4 Uhr beginnen.
Der Tag war ein collegialischer Festtag für
die Lehrer und dieses Gefühl wurde wesentlich
durch die umsichtige, gediegene Leitung, die gründ-
liche Sachkenntnis; und die humane Begegnung
des Kreisschulrathes wesentlich erhöht, was auch
in einem Toast seinen ungeschminkten Ausdruck
fand. Das Mahl wurde durch einige Chöre ge-
würzt. Etwa um halb 6 Uhr schied man von
einander; der Tag aber wird den Lehrern noch
lange in freundlicher Erinnerung und nicht ohne
heilsame Anregung bleiben.
KiN'lstMhs, 27. Novbr. Die erste Kammer
nahm in ihrer heutigen Sitzung den von der 2.
Kammer bereits genehmigten Gesetzentwurf über
Competenzerweiterung der Schwurgerichte hinsicht-
lich der politischen und Preßvergehen mit 13 ge-
gen 7 Stimmen an.
,Vsm NeMr,. 28. Nov. Zwischen Friedrichs-
seld und Heidelberg cursiren täglich ungefähr 68
Bahnzüge der badischen Eisenbahn und der Main-
Neckarbahu. Da aber für beide nur zwei Schie-
nengeleise gelegt sind, so werden, um den ohnedies
etwas gehemmten Verkehr zu beschleunigen, dies

Eine russische Ehe.
Aus der letzten Zeit der Leibeigenschaft.
Von A. von K.
(Fortsetzung.)
„Und wie heißt Ihr Freund?" unterbrach ihn Natalie,
diese Worte mit einer sichtbaren Bewegung aussprechend.
„Golub*) heißt er, antwortete der Fürst, sie verwundert
ansehend.
Natalie athmete auf.
„Golub," wiederholte sie, „ein hübscher Name."
„Ein Name, der seinem milden, sanften Charakter völlig
entspricht, — aber, mein Fräulein, Sie interessiren sich ja
mehr für Golub, als für mich, lassen wir ihn jetzt —
meine Pflicht gegen ihn werde ich erfüllen, aber ehe ich von
Ihnen scheide, müssen Sie endlich das wissen, was ich Ihnen
schon tausendmal sagen wollte, — Natalie ich liebe Sie,
wollen Sie meine ..."
Natalie unterbrach ihn durch einen lauten Schrei des

Entsetzens, — sprang auf, sank aber im nächsten Augenblick
kraftlos auf die Bank, ihr Gesicht in die Hände bergend.
Ueberrascht, fast erschrocken sah der Fürst sie an.
„Natalie, was ist Ihnen, Sie schweigen? — Hatten Sie
es denn wirklich nicht bemerkt, daß ich Sie kiekte, vom
ersten Augenblick, als ich Sie sah?"
Sachte schlang er den Arm um sie und drückte sie sanft
an sich.
Natalie ließ es geschehen und lehnte schweigend den
Kopf an seine Schulter. Plötzlich aber erhob sie ihr bleiches
Gesicht und richtete sich auf.
„Genug," rief sie, genug des grausamen Spiels —
Fürst verzeihen Sie mir, daß ich cs so weit kommen ließ,
— daß ich Hoffnungen nährte, die ich nie, — nie erfüllen
kann, auch ich liebe Sie — dies meine einzige Entschul-
digung ! ja Fürst, ich liebe Sie, kann aber die Ihrige nicht
sein — Fragen Sic nicht! ein Geheimnis; liegt zwischen
uns, das ich Ihnen, — eben Ihnen nicht enthüllen kann
— nicht darf — ein Abgrund trennt uns, lassen Sie mich,
vergessen Sie eine Unglückliche, deren einzige Zuflucht wohl
das Kloster ist, leben Sie wohl, Fürst — folgen Sie mir
nicht, sehen Sie mich nie wieder, bei ihrer Ehre beschwöre
ich Sie darum!" und pfeilschnell entfloh Natalie ihrer
Wohnung zu.

Wie vom Blitz getroffen, blieb ber junge Fürst zurück,
Nataliens Worte, ihre Aufregung, ihre Liebe, die ihn doch
anfgab — er konnte das Alles nichi begreifen, hätte tausend
Fragen an sie richten mögen, und sie war verschwunden,
er sollte ihr nicht folgen, — durfte sie nie wieder sehen
sein Glück war also dahin, verloren auf immer!
Lange noch saß er brütend an der Stelle, wo die Ge-
liebte ihn vom höchsten Gipfel seines Glückes in den tief-
sten Abgrund des Schmerzes gestürzt hatte, — endlich er-
hob er sich langsam und schritt gedankenschwer nach Hause.
Nicht wenig erschrak der treue Diener, als er nach einer
Weile in das Zimmer seines Herrn trat und diesen mit
allen Zeichen der Verzweiflung ans und abgehcn sah.
„Fürst," ries er, „was ist Ihnen?"
„Laß mich, Golub, geh' — ich habe Sorge —
Kummer."
Der Bursche ging aber nicht, sah den Fürsten mit
seinen guten, ehrlichen Augen an, und ein tiefes Weh zeich-
nete sich auf seinen abgemagerten Zügen.
(Fortsetzung folgt.)

') Taube.
 
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