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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 53
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0217

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Donnerstag, 6. Mai 1869.

53.

Erscheint Dienstag,
Donner st a g und
Samstag nebst der
belletristischen Beigabe
,S onntagsbla tt".
Alle Postanstaltcn und
Boten nehmen Bestel-
lungen an.


Dritter Jahrgang.

Preis: ^jährlich 45kr.
per Post bezogen 56 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Raum mit nur
2 kr. berechnet.
Die Voten erhalten
2 kr. monatlich.

Verkmldigungsblntt des Arnis - und Amtsgerichts-Bezirks Schwetzingen.
Hrgan der badischen Kopfenproducenten
(unter Kontrole der laudloirthschoftkichen Bezirksdirektion Schwetzingen stehend).

.1,- Tagesübersicht.
Schwetzingen, 5. Mai.
Ter greise Bischof von RottenLnrg,
welcher bekanntlich seiner Toleranz und geistlichen
Milde wegen bei der pästlichen Kurie dennnzirt
Warden, ist heiingegangen.
Möglicherweise erwächst aus diesem Todesfälle
ein ähnlicher Streit zwischen der Regierung und
Kurie wie im Lande Baden, „dem bestregierten
Staat diesseits des Occans" wie unsere ultramon-
tane Presse täglich höhnisch wiederküut.
Der internationale Kongreß für
Pflege Verwundeter im See- und Landkriege, wel-
cher üt Berlin tagte, hat eine Resolution dahin ge-
faßt, daß er mit Bedauern die Teilnahme der
amerikanischen Union an dem großen Werke der
Humanität vermißt habe, doch ist der Kongreß der
Hoffnung, daß der Beitritt derselben immerhin noch
erfolgen werde. Es ist freilich auffallend, daß die
Regierung der Vereinigten Staaten die Versamm-
lung nicht beschickte. Vielleicht ist sie der Ansicht,
daß es eine noch höhere Humanität gibt, als jene,
für die Pflege Verwundeter Sorge zu tragen,
nemlich die, durch Aufrechthaltuug des Weltfriedens
der Gefährdung der Menschenleben, die im Kriege
keinen Deut mehr gelten, vorzubeugeu.
Im englischen Parlament erregten zwei Vor-
fälle — der agrarische Mord in Craggon und
die aufrührerische Rede des Bürgermeisters von
Cork bei einem öffentlichen Bankette — ein pein-
liches Aufsehen und alle Parteien sind darüber
einig, daß entschiedene Maßregeln zur Verhütung
weiterer, ähnlicher Vorkommnisse zu ergreifen sind !
Die seit Jahrhunderten übliche Niederhaltung
und brutale Unterdrückung des irischen Volkes durch
England trägt letzterem bittere Früchte. Jede Er-
leichterung des englischen Joches führt nur zum
Versuche gänzlicher Abschüttelung desselben.

In der b e l g i s ch - f r a n z ö s i s ch e u Ei seu-
bahnangelegenheit wurde ein Abkommen getroffen,
welches vorerst einer Niederlage der franz. Diplo-
matie gleichzustellen ist. Eine gemischte Kommission
soll die ganze Angelegenheit jetzt erst in die Hand
nehmen nud soll bei Schließung der Vertrüge
Belgien das volle Ueberwaehnngs- und Autoritüts-
rceht über den Eisenbahnbetrieb in allen Füllen
gewahrt werden. Damit wäre aber der direkte
Einfluß der französischen auf die belgische Regie-
rung lahm gelegt.
Die Häupter der Ultramoutanen unseres Lan-
des rühren sich jetzt gewaltig. Künftigen Sonn-
tag wird eine größere Versammlung der sog.
kathol. Volkspartei in Bruchsal tagen, um die Auf-
lösung der jetzigen Stündekammer und die Einbe-
rufung eines außerordentlichen Landtags zu ver-
langen.
Gleichzeitig erlassen die Herren einen Aufruf
an das badische Volk dessen ausnahmsweise
gemäßigte und wohlklingende Worte das Volk
für die Plane dieser Partei gewinnen sollen.

Bade it.
ffch Schwetzingen, 5. Mai. Die jüngste
Nummer des Pfälzer Boten enthält einen
„an das badische Vol k" gerichteten Aufruf,
welcher die Auflösung der jetzigen Stäudeversamm-
lung und die Einberufung eines außerordentlichen
Landtags verlangt, sowie die Behauptung ausstellt,
das gegenwärtige Ministerium besitze das Vertrauen
des badischen Volkes nicht!
Wäre dieser Aufruf nicht „an das badische Volk",
sondern blos an die eigenen Parteigenossen gerichtet, so
könnte man jede Gegenbemerkung als überflüssig
geradezu unterlassen, so aber ist es Sache des
Volkes der ultramoutanen Partei, die
sich neuesteus in eine katholische VolksPar-
t e i nmlaufte (das klingt populärer und soll wahr-

scheinlich die Meinung erwecken, als stände das
t a t Jo l i s ch e V o l k hinter ihr) zu antworten !
W Je sieht es in u n sere m Lause
aus? so hebt der Aufruf an und beantwortet
daun die Frage selbst dahin: Keine freudige
Stimmung beherrscht das Volk. Seit
d e m I a h r e 1860 i st u n s e r L a n d mit
k o n s e s s ionne l l e m Hader erfüllt.
Ja es ist wahr, die ultramonlane Partei hat
dafür gesorgt, daß der konfessionnelle Hader seit
1-00 nicht nur nicht geschwunden ist, sondern
heute zu hellerer Flamme als je empor lodert!
Aber, wer trägt die Schuld hievon? Niemand
als sie — sie allein ! Ihr Herren wolltet ja
keinen Frieden mit der Regierung ! Uullr dem Mi-
nisterium Lame y habt ihr die Gesetze des Landes
angegriffen, begeifert und verhöhnt, habt dieses
Treiben unter Mathy fortgesetzt und zeigt, daß
ihr es heute unter dem Ministerium Jot ly aufs
Aeußerste zu führen gedenkt!
In unerhöner Weise wird seit neun Jahren
Alles daran gesetzt, die Achtung des Volkes vor
den Gesetzen des Landes, das Vertrauen in die
leitenden Persönlichkeiten zu erschüttern und zu unter-
graben. Kein Mittel bleibt zu diesem Zwecke un-
versucht. Ja, ihr vermengt und knetet selbst
Politik und Religion aufs widernatürlichste,
um politisches Kapital daraus zu schlagen! Ihr
behauptet die Kammer sei nicht der Ausdruck des
Voltswillens ! Freilich, weil sie nicht der Ansdruck
eueres Willens ist! Hätte die Kammer im
Jahr 1860 das Konkordat gutgehcißen, die Schul-
frage in euerem Sinne erledigt, nach 1866 mit
dem Norden Deutschlands gebrochen und sich Oe-
sterreich in die Arme geworfen dann, ja
dann wäre diese Kammer, die ihr heute
aufgelöst wissen wollt euer S ch o o ß-
kind — so aber ist sie „nich t der Ausdruck des
Volkswillens" und deßhalb „besitzstdas Ministerium
Jolly n i ch t das Vertrauen des badischen Volkes !"

Erlebnisse eines Deutschen in Indien.
(Fortsetzung.)
„Du verlangst etwas, Mutiava, was ich außer Stande
bin, zu bewilligen, es ist wir unmöglich, Dich nicht zu lie-
ben", sagte de L. . . . zu der schönen Sclavin. „Dann wehe
mir, Herr, dann muß ich sterben", seufzte das Mädchen,
„vom frühesten Morgen an bis zum späten Abend werde
ich von der Herrin verfolgt, gepeinigt und mißhandelt, s o
kann ich nicht länger leben!" — L. . . . war tief bewegt
er trocknete wiederholt die Thräncn mit dein Taschentuch
und spracki uach einer Pause, indem er die schlanke Gestalt
an sich zog: „Ich kann Dich nicht erlösen— „Aber wenn
Du mich liebst, Herr", lispelte Mutiava, warum beschirmst
Du mich nicht gegen die gnädige Frau? Du bist doch der
Gebieter des Hauses." Die Antwort hierauf blieb mir un-
verständlich. Schluchzend und im höchsten Grade aufgeregt,
flehte die unglückliche Sclavin: „Verkaufe mich dann, Herr!"
— Verkaufen? Der Schande einer öffentlichen Auktion soll
ich Dich auSsetzen? Nimmermehr!" — „O, was ist eine
solche Schande gegen das Elend, welchem ich in diesem Hause
verfallen bin?" weinte sie. — „Vielleicht, würde Dich gar
in Chinese kaufen, der Dich — —, nein, nein, nimmer-

mehr!" — Herr de L. . . . bedeckte mit beiden Händen sein
Gesicht, er kämpfte sichtlich mit ihn beinahe überwältigenden
Gefühlen. — „Nun, so bring' mich denn fort von hier
weit, weit weg", bat die Sclavin auf's Neue. — „Du aus
meinen Augen? nein, auch das nicht." — „Muß ich denn
unter Deinen Augen sterben?" wimmerte daS unglückliche
junge Geschöpf, „ach, ach, was habe ich denn verbrochen?"
— Stürmisch drückte de L. . . . hierauf die Sclavin an
seine Brust und verschloß ihr den Mund mit einem langen
innigen Kusse; worauf Beide aufbrachcu und in den dunkeln
Gängen des Gartens meinen Blicken entschwanden. Noch
einen Augenblick blieb ich unentschlossen stehen; obgleich von
der Straffälligkeit dieses Verhältnisses durchdrungen und
überzeugt, machte de L. . . . dem jungen Mädchen gegenüber
nicht den Eindruck eines Wüstlings, im Ausdruck der feu-
rigsbn, leidenschaftlichsten Liebe lag nichts Sinnliches, eher
etwas Poetisches, mit einer tiefen Trauer vereint; dies blieb
mir allein räthselhaft. Endlich, fest entschlossen, dies Hau?
der Trauer und ehelichen Zwiespalts am nächsten Tage zu
verlassen, doch nicht ohne offenes Aussprechen dem gewesenen
Freunde gegenüber, begab ich mich in mein Zimmer, fand
aber noch keine Ruhe, denn wenige Minuten nach meinem
Eintreten hörte ich die Tritte de L. . . .'s im Boudoir seiner
.Gattin. Unwillkürlich mußte ich Ohrenzeuge einer Scene

zwischen den Ehegatten werden, die mich in die höchste
Aufregung versetzte. Wir im kalten Norden haben keinen
Begriff von der excentrischen Leidenschaftlichkeit dieser süd-
lichen Naturen. Frau de L. . . ., die ihren Mann mit aller
Kraft ihres feurigen Herzens liebte und in dem einen Au-
genblicke die höchste Weiblichkeit, Sanftmuth und Hingebung
zeigte,, vcrläugnete tm nächsten Augenblick wieder dieselbe
und kannte nur ungezügelten Haß und Rache gegen den Ge-
genstand ihrer Eifersucht. Unter Schluchzen und mit dein
Ausdrucke deS heftigsten Schmcrzcus hörte ich ans die Vor-
würfe ihres Mannes über die ungerechte und grausame
Behandlung der Sclavin ihren wiederholten Ausruf: „Ver.
kaufe sie! Verkaufe sie!" und seine ruhige, aber bestimmte
Antwort: „Niemals, bei Gott! niemals."
Nach einer schlaflos zugcbrachteu Nacht verließ ich scho-n
am frühesten Morgen mein Zimmer, um im großen, schat-
tigen Park die kräftige Kühle zu genießen. Der sanfte Berg-
wind erfrischte Körper und Sinne, das Zwitschern der Vö-
gel, die sich auf den hochstämmigen Palmen und den vcr-
ichiedensten anderen Laubholzbänmen wiegten, die mit tausend
Wohlgerüchen geschwängerte Luft, die südliche Farbenpracht
der ihre Kelche öffnenden Blüthen, — nur ein indisches
Morgen vermag solche Genüsse zu gewähren und gibt dein
durch die Hitze des Tages und andere Einflüsse erschlafften
 
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