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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 86
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0349

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Amts-Werkmidiguiigsöliitt für den Wezirk Schwehmgen.

Badische Hopfenfrit» n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la tt. — Alle Postanstaltcn nnd Boten nehmen Bestellungen an. — Pr e is vierteljährlich 1 f!. 15 kr.
Anzeigen, die dreigcspaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 24. Juli. Der Wahlauf-
ruf der uationalliberalen Partei des Landes ist er-
schienen. Die Aufnahme desselben ist natürlich, je
nach dem Parteistandpunkte ein sehr verschiedenar-
tiger. Während wir eine kraftvolle, eindringliche
und ernste Mahnung in diesen Worten erblicken,
welche das Volk an seine nationalen Pflichten er-
innern und auffordern auf der Bahn des Fort-
schritts nicht einzuhalten, sondern unbeirrt weiter
zu schreiten, laßt sich z. B. die „Mannh. Abdztg."
folgendermaßen über dieses Manifest der liberalen
Partei aus:
„* A u s Baden, 21. Juli. Da liegt er nun
vor uns, der Wahlaufruf der Bismärker in Baden.
Langweilig, kraft- und saftlos. Von dem kräftigen
Ton ehrlicher Ueberzeugung; von dem Schwünge
männlicher Thatkraft keine Spnr. re. re.
Bemäkelt muß ja werden, ob es nun am
Platze, ob von Erfolg oder nicht, dies Vergnü-
gen lasten sich die Organe der Demokratie nicht
nehmen.
Lieber möchten sie den Sieg aus Seite der
Ultramontanen als auf jener der Liberalen sehen;
ein Zeichen wie weit es Parteieigensinn nnd Ver-
ranntheit treiben kann."
Was unfern Bezirk betrifft, so haben wir nicht
in den Wahlkamps einzutreten, sondern sind nur
unthätige aber aufmerksame Beobachter der Bewe-
gung die sich in den verschiedenen Theilen unseres
Landes vollzieht. Möge durch den Ausfall der
Wahlen das nationale Werk gefördet und die Bahn
des vernünftigen Fortschritts trotz den Anfech-
tungen der Gegner auch fernerhin beschritten werden.
Karlsruhe, 22. Juli. Wir vernehmen, daß
die Staatsregierung einen Gesetzesentwurf über die
Führung der bürgerlichen Standesbcamtung und

die obligatorischeCivilehe allsgearbeitet hat und dem
demnächst zusammentretenden Landtag vorlegcn
wird. Die Standesbeamtung nebst der Civiltrau-
ung wird von den Geistlichen auf die Bürgermeister
übergehen, und die dem freien Willen der Bethei-
ligten anheimgegebene kirchliche Trauung darf erst
nach der bürgerlichen Trauung stattfinden.
Karlsruhe, 20. Juli. Unter den von den
Zeitungen gemeldeten Wahlmünnerwahlen liest man
ziemlich viele klerikale Erfolge heraus, trotzdem auch
eine Reihe von Erzählungen tursirt, wie sich ein-
zelne' Urwähler des geistlichen Mahners in politi-
schen Dingen zu entledigen verstanden. Der ganze
Verlauf zeigt, wie falsch es wäre, den organisirten
klerikalen Einfluß zu unterschätzen. — Die Offen-
burger Partei tritt nunmehr auch mit organisirtem'
Bemühen für die Wahlen heraus; es ist vielleicht
gerade noch Zeit, mit Erfolg die Wahlstatt zu be-
treten. Am wenigsten ist wohl in den Städten zu
befürchten; dort wird eher in einer oder der an-
deren Wahl das demokratische Prinzip siegen, und
dies bleibt stets mehr geneigt, die Staatsgruud-
lagen zu respektiren, während die klerikale Partei,
sogar in ihrem Namen „kathol. Volkspartei" das
konfessionelle Element am stärksten und bezw. in
erster Reihe betont und überhaupt aus ihrer Ver-
achtung des modernen Staats, weil er der Kirche
nicht dient, gar kein Hehl macht. (Schw. M.)
Karlsruhe, 22. Juli. Der „Pfälzer Bote,,
und die „Tauber" enthalten widersprechende, beider-
seits mit Namensunterschrift versehene Erklärungen
über einen Vorfall auf dem Bahnhof zu Tauber-
bischofsheim. Indessen werden im Pfälzer Boten
die Thatsachen im Wesentlichen, nur mit einiger
Abschwächung, zugegeben, ausgenommen die Bezeich-
nung des Hrn. Oberamtmanns Dr. Schmieder als
„schlechter Kerl,, ; Hr. Vissing will vielmehr Hrn.
Schmieder angedeutet haben, Der und Der, in

dessen Gesellschaft er sich befinde, sei ein „gemeiner
Kerl". Die näheren Umstände gerade hiervon
stimmen aber durchaus nicht überein mit der That-
sache, daß Hr. Schmieder in Begleitung des Hrn.
Dr. Neßler auf dem Bahnhof war und persönlich
die beschimpfenden Ausrufe des Hrn. Bissing gar
nicht hörte. Wie Hr. Schmieder mittheilt, liegen
ihm weitere Zeugenaussagen vor, wonach Hr. Bissing
n. A. auch gerufen habe: „Hr. Schmieder! Du
Schuft!" Eine nette Szene muß es jedenfalls ge-
wesen sein, den Hrn. Zollparlaments-Abgeordneten
zum Waggoufenster heraus brüllen und schimpfen zu
hören. Hr. Schmieder hat Klage erhoben
und wird auf diesem Wege wohl festgestellt werden
können, ob Hr. Vissing „schlechter Kerl" oder „ge-
meiner Kerl" gerufen und wen er damit gemeint
hat. Das klebrige wird, wie gesagt, im Wesent-
lichen eingcstanden. (Krlsr. Ztg.)
O e st r e i ch i s ch e Nt o rr a rch r e.
Wien, 20. Juli. Unglaubliches Aufsehen
macht die bereits seit zwei Tagen bekannte Begna-
digung des Bischofs von Linz. Der Staatsanwalt
Elsner, ein alter, im Herzen clericaler Mann hatte
6 Monate Kerker beantragt, der Gerichtshof nahm
das allermindeste Strafmaaß von 14 Tagen
an; die Geschworenen haben in der ersten Sitzung
ein Schuldig gesprochen und 24 Stunden später
ist das Verdict ausgehoben! In diesem Augenblicke
sitzen mehrere Geistliche, arme Pfarrer und Kapläne
gefangen, weil sie den Hirtenbrief des Bischofs von
der Kanzel verkündet hatten, und der Urheber,
der Autor dieses Hirtenbriefes ist ohne Anrufen
der kaiserlichen Gnade begnadigt.
Aus Linz, 20. Juni, gehen der „N. Fr. Pr."
Mittheilungen in der Angelegenheit des Bischofs
Rudi gier zu, die sich im Wesentlichen über

Der ^roceß gegen den Lieutenant a. D.
Gart Iriedrich Krnst Wilhelm v. ZasLrorv.
(Fortsetzung.)
Ueber sein Verhältniß zum Katholicismus befragt, er-!
klärt der Angeklagte, er sei nur aus Mißtrauen gegen sich
selbst nicht in die katholische Kirche eingetretcn. Die erste
Ausgabe der Kirche sei, die edelsten und vollkommensten
Menschen zu bilden, dazu habe er aber sich nicht stark genug
gefühlt und weil er die Strenge der Disciplin fürchtete,
habe er sich von der Kirche entfernt, um der Aeußerlichkeit
zu entgehen und nicht ein Heuchler zu werden und fährt
dann fort: Dieser Dualismus zwischen Kirchlichkeit und
Hellenismus, dieser Bruch meines Wesens hinderte mich an
energischen Entschließungen.
Präs. Sie haben in letzterer Zeit Unterricht bei dem
Kaplan der hiesigen kathol. Kirche genommen?
Angekl. Ich habe ihn einigemal besucht, meine An-
sichten schienen aber keinen Beifall zu finden, ich sprach von
einer unsichtbaren Kirche, welche, alle Menschen umfassend,
die ihr äußerlich nicht angehörcn, sie innerlich Alle zu Ka-
tholiken macht. Sei es nun, daß ihm das vielleicht zu
freisinnig klang oder daß der Laie dieses entscheidende Ur.
theil sich nicht anmaßen sollte, — er soll geäußert haben,

meine Anschauungen Uber das Wesen der Kirche seien nicht
klar genug gewesen.
Präs. Das war im Frühjahr 1868, es ist bemerkt
worden, daß bald nachdem der Eorny'sche Mord verübt
war, Sic sich stärker als früher mit religiösen Dingen be-
faßt haben.
Angekl. Das ist eine cigenthümliche Bemerkung,
nach meiner vollsten Ueberzeugung hat das keinen inneren
Grund.
Präs. Es wird ja nicht gesagt, daß das einen inneren
Zusammenhang mit dem Morde hätte. Sie sollten sich
nur darüber auslasscn, ob sie einen Erklärungsgrund dafür
haben.
Angekl. Wenn man das persönlich auf mich beziehen
will, so kann ich nur sagen, daß diese That, die alle Men-
schen erschreckt nnd die der Menschheit zur Schande gereicht,
im Allgemeinen bei jedem Menschen eine solche innere Er-
regung Hervorrufen muß. Jeder Mensch muß erröthcn über
die Verbrechen eines Anderen. Der Verbrecher ist das Ver-
brechen der Gesellschaft. Nach einer so entsetzlichen That
mußte man sich desto mehr zur Religion gestimmt fühlen.
Ich gehörte im Winter 1867 einem gesellschaftlichen Vereine
an, wo musikalische und poetische Vorträge gehalten wurden.
Die Gesellschaft, in welcher ein heiterer und lebensfroher

Ton herrschte, mißbilligte damals von Anfang an meinen
ernsteren Hang sowohl in musikalischer als in literarischer
Richtung.
Präs. Sie sind aus Dresden ausgewicsen worden?
Angeklagter räumt dies ein, indem er zugleich den Ver-
stoß gegen die Sittlichkeit, welcher die Veranlassung seiner
Ausweisung war, als einen höchst geringfügigen darzustcllen
versucht.
Die Fortsetzung dieses Verhörs bezieht sich zunächst
auf den von dem Angeklagten angetretenen Alibibeweis.
Bei der ersten Vernehmung auf der Polizei hat er neben
den genauen Angaben über sein Verbleiben während des
ganzen Tages mit Ausnahme der Stunden von 3—6 Uhr-
Nachmittags gerade über diese kritische Zeit nichts anzugcben
gewußt und sich mit Vergeßlichkeit entschuldigt. Späterhin
hat er behauptet, aus der Wustrow'schcn Restauration in
der Krausenstraße unmittelbar nach Hause zurück gegangen
zu sein, sich dort Kaffee gekocht zu haben und erst nach 5
Uhr wieder ausgcgangen zn sein, er hat einige Personen
namhaft gemacht, welche ihn auf dem Wege nach Hause
gegen 3 Uhr in der PotSdamcrstraße gesehen haben wollen,
darunter die unverehelichte Lüneburg, die Geliebte seines
Freundes, des Schriftstellers Jüterbogk, der den bekannten
Artikel in der „Gcrichtszeitung" zu Gunsten des Angeklagten
 
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