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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1869

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No. 97
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https://doi.org/10.11588/diglit.29848#0393

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Freitag, 20. August 1869.

>0. 97.

Dritter Jahrgang.



Amts-Mrküildigimgsötalt für den Bezirk Schwetzingen.


n p f c i» z c i t u n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o nn t ag s b l - tt. — Alle Postanstalten nnd Boten iichurcn Bestellungen an. —P r e i s vierteljährlich 1 fl. 15 kr.
Anzeigen, die dreigespaltene Pctitzeilc oder deren Raum 3 kr.

Baden.
* Schwetzingen, 18. Aug. Die Zeit der
, Säuern Gurten" in der Tagespresse geht ihrem
Ende entgegen, da und dort tauchen wieder recht
interessante Neuigkeiten auf!
Zwischen der österreichischen und preußischen
Regierung herrscht eine gereizte Stimmung, die
Manchem bedenklich erscheint. Namentlich legt man
Gelvicht auf den Umstand, daß Preußen die be-
treffenden Depeschen veröffentlicht und wenn Preußen
einmal der Oeffentlichkeit einen Einblick in die
diplomatischen Schach-, Kreuz- und Querzüge ge-
stattet, so muß die Sache schon ziemlich weil ge-
diehen sein und einen ernsten Charakter angenommen
haben. — In Frankfurt hat .die Negierung
die Ausweisung aller jener Persochne.werfügt, welche,
um ihren Militärpflichten zu entgehen, das schwei-
zerische Bürgerrecht erworben haben.
Daß diese Maßregel großes Aussehen und böses
Blut in Frankfurt erregte, ist selbstverständlich. Cs
ist freilich ein ärgerliches Ding für eine Regierung.,
wenn sie sehen muß, wie ihr unter dem Deckmantel
der Gesetzlichkeit ein Schnippchen geschlagen, eine
Nase gedreht wird; ob aber die thatsächliche Aus-
führung dieser Ausweisung trotzdem eine gerecht-
fertigte Wäre, wird bezweifelt. Jedenfalls würde
sie die guten Beziehungen zwischen Preußen und
der Schweiz stark alteriren und letztere zu einer
gleichen Zwangsmaßregel veranlassen.
Die Mannh. Abendz. gefällt sich darin, seit
einigen Tagen an die Opfer des bad. Aufstandes
zu erinnern. „Nicht um die Leidenschaften anfzu-
stacheln," wie sie sagt; nein, aber wozu dann?
Man hört so oft im Hinblick auf jene Zeit die
Worte: „Nichts gelernt und nichts vergessen." Wenn
sie irgendwo anwendbar sind, so ist es hier!
Was hat denn eigentlich jene Männer vor

zwanzig Jahren zu Opfern der Sturm- und Drang-
periode gemacht? Ihr Streben nach Einheit und
Freiheit, welches damals unterdrückt wurde; und
als nach der Hand die Regierung des größten
deutschen Staates zur Einsicht kam, daß es aus den
ausgetretenen Pfaden nicht mehr weiter gehe und
im blutigen Kampfe eine Wendung der Geschicke
herbciführte, wer war, w e r i st e s h e u t e
noch, der sich gegen die gegebene
Möglichkeit jene Güter zu erringen
st r ä u bt ? — Niemand anders als unsere heu-
tige Demokratie! Wenn also Jemand berechtigt
ist, zu bedauern, daß jene Männer nicht an
das Ziel ihrer heißen patriotischen Wünsche ge-
langt, sondern damals einer großen, noch nicht
spruchreifen Sache wegen, umsonst gefallen sind,
so ist es nicht sowohl die Demokratie, sondern es sind die
bitter bekämpften Nationalliberalen, zu deren Fahne
jene Opfer heute folgerichtig stehen müßten und
würden, wenn sie nicht schon längst in kühler Erde
ruhten.
* Schwetzingen, 18. Aug. Das Heidel-
berger Comitee für Erbauung einer Heidelberg-
Schwetzinger Eisenbahn entfaltet eine große Rührig-
keit für die Verwirklichung des Projektes. Nachdem
die Ausstellung der Linie vollendet ist und die
Kostenüberschlüge ansgesührt sind, läßt dasselbe nun-
mehr eine Denkschrift erscheinen, die in klarer über-
zeugender Weise die Berechtigung und Nothwendig-
keit des Anschlusses und die verhältnißmäßige
Billigkeit in der Herstellung der befürworteten Linie
darlegt.
Man ist sich in Heidelberg bewußt, welche nach-
theiligen Folgen für die Stadt daraus entspringen
und namentlich welche Einbuße der Handelsstaud
erleiden würde, wenn die Stadt nicht durch einen
Schienenstrang mit der Rheinthalbahn in unmittel-
> baren Verkehr gesetzt werden würde. Vorerst sieht

man von der Weiterführung der Linie bis Speyer,
resp. von dem Anschlüsse an das pfälzische Babnen-
uctz ab und sucht das Nächstliegende zu erreichen.
Und wahrlich, so wenig wir einst hoffen durften,
Schwetzingen in das große Verkehrsnetz gezogen zu
sehen und nun doch dieses unschätzbaren Vortheils
lheilhaftig werden, so sicher wird auch die Linie
Heidelberg-Schwetzingen über kurz oder lang ent-
stehen ! Es handelt sich nur noch darum, wer die
ZinSgarantie, die der Staat bei Seitenbahnen ver-
weigert, übernimmt. Auch darin wird Heidelberg
mit einem äußerst loyalen Schritt vorangeben und
Schwetzingen hoffentlich, so weit auch ihm eine
Verpflichtung zusteht, nicht Zurückbleiben.
Interessant ist die Zusammenstellung des Banvor-
anschlags. Bei einer Länge von 29,000 Fuß würden
sich die Baukosten der Bahn auf fl. 233,000, die
der Stationen aut fl. 43,000 , der ganze Bahn-
bau , einschließlich der Verwaltungskosten auf
fl. 284,000 belaufen.
In Heidelberg und Schwetzingen selbst wäre
die Herstellung von Stationsgebäuden überflüssig,
da die Babn in die schon bestehenden Bahnhöfe ein-
münden würde.
Plankstadt und Eppelheim sollen Haltestellen
geben.
So viel wir vernehmen, wird diese Angelegen-
heit im nächsten Landtage (Septbr.) zur Verhand-
lung kommen.
Deutschland.
Berlin, den 14. Aug. Die Volksz. schreibt.
„Daß zwei preußische Depeschen (vom
18. Juli und 4. Aug.) so schnell hintereinander
in preußischen Organen veröffentlicht werden, ist
nicht ohne Bedeutung, wenn man sich der Worte
erinnert, welche Graf Visma rck in dieser Be-
ziehung am 22. April d. I. im Reichstage sprach:

Streiflichter ans Berlin.

Moabit, das einstige Dörfchen, zu dem der Berliner
mit Frau und Kind an heißen Sonntags-Nachmittagen
durch den ächten märkischen Sand watete, um den Durst
im Glase Weißbier zu ertränken, um sich in der Abendkühle
auf eine möbelwagenartige Gondel zu setzen und bei den
Klängen jdcS Leierkastens, bei den lieblichen Wolken der
Pfälzer Cigarre, auf den so zahmen Jluthcn der Spree zu
schwärmen und zu träumen — Moabit, es ist ein Thcil
Berlins geworden. Und wahrhaftig ein merkwürdiger
Theil! Hohe Essen senden Tag und Nacht ihren Rauch
pun Himmel, der Eisenhammer lärmt und pocht unermüdet,
kräftige Mannsgestaltcn, rußig und schwarz, arbeiten im
Schweiße ihres Angesichts für ihr mühevolles Dasein, Frauen
und Kinder sitzen an den vielen Arbeitstischen in den Fabrik-
sälen, still und einsam liegt draußen Moabit, und nur am
frühen Morgen, des Mittags und des Abends strömen die
Fleißigen zu und von der Arbeit. Hat aber auch Berlin
Feierabend gemacht, dann kommen die Omnibusse gefüllt
aus allen Theilen der Stadt, und Fußgänger drängen und
stoßen sich aus den staubigen Wegen. Kneipe liegt neben
Kneipe, überall Musik, Tanz und Kaffeekränzchen. Das
fleißige Moabit, es beherbergt des Nachts die schlechtesten

Theile der großen Stadt, es ist die Schule für Leidenschaft
und Laster! An dem Zcllcngcfängniß ziehen die Schaarcn
vorbei, doch was kümmert sie'» ? ES ist ja still wie das
Grab mit seinen Mauern und Thürmcn, und Wohl Nie-
manden füllt es ein, im Geist sich in das Innere zu ver-
setzen, zu sehen die blassen, zum wahnsinnig machenden
Schweigen vcrurthcilten Gestalten; wie hier das Auge
gläsern auf die kahlen Wände stiert und keinen Anhakt
findet, wie dort ein Mädchen verzweifelnd weint und ächzt
auf dem harten Lager in dunkler Zelle, wie die Qualen
des Innern sie nicht auf die schreckliche Einsamkeit achten
lassen, und wie jener ergraute Sünder stumpf brütend sitzt
und an die kommenden Tage denkt, wo er wieder frei ist,
von Neuen: den Kampf auf Tod und Leben mit der ganzen
Menschheit beginnen kann, die ihn verstoßen hat, verstoßen
auf immer für das erste Verbrechen, zu dem er verführt war.
Lustig und ausgelassen ziehen alle vorbei, die Stille des
Grabes der Lebendigen stört sie nicht, sic hören schon von
fern die Töne der Tanzmusik, das Schreien der Ausge-
lassenen, nur vorwärts, damit sie nicht zu spät kommen,
damit auch nicht eine Minute verloren geht vom wilden,
wüsten Vergnügen.
Die Haupt-Armee besteht aus Köchinnen und Dienst-
mädchen, sie führen hier das Wort, sic geben den Ton an,

ihnen beugen sich Bornssia's Krieger, also die NuSerwähl-
testcn der ganzen wilden Menge! Doch weshalb? Sind
sie gerade die schönsten, fühlen sic sich allein magnetisch
hingczogen zu den blanken Knöpfen? Haben sie allein nur
fühlende Herzen? Nicht doch! sind sie auch im Vollbesitz
aller dieser Tugenden, die Sache liegt tiefer!
Lustig kratzen die Fideln, der Baß brummt seine drei
Töne, jeden viermal hintereinander, nur beim Schluß brummt
er korbisLE, Fenster und Thüren im großen Saal stehen
offen, doch die Luft bleibt dick und heiß, die vielen Gas-
flammen am mächtigen Kronleuchter sorgen dafür, der
Tabacksqualm thnt das Seinige, aber der Zugwind schadet
den Tanzenden nicht, sie sind daran gewöhnt.
„Jetzt einen langsamen Walzer!" ruft ein Dragoner,
dem der Schweiß in Strömen von der Stirn träufelt.
„Aber recht langsam!"
„Den tanz' ich nicht!" sagt seine Dame, deren Stirn
ebenfalls nicht trocken ist.
„Ach was;" ruft höflichst ihr Adonis, „man drauf!"
Tie Musik beginnt, der Tanz auch, und er drückt sie
an sein liebctrunkenes Herz so fest, so innig, daß schon dem
Zuschauer vom bloßen Zusehen der Athem vergehen könnte.
Ihr im herrlichsten Carmin strahlendes Gesicht blickt etwas
ängstlich, aber — es schadet nichts, denkt sie, er liebt mich
 
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